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Vor Selenskyj-Trump-Treffen: Noch ist die Ukraine nicht verloren

Noch ist die Ukraine nicht verloren. Photomontage zeigt einen ukrainischen Soldaten in einem Blumenfeld. Rechts die ukrainische Flagge zwischen den Trümmern eines Gebäudes und links ein Feuer nach ein ...
Bild: watson/imago/getty
Analyse

Noch ist die Ukraine nicht verloren

Donald Trump hat sich in Alaska übertölpeln lassen – doch Wladimir Putin ist noch nicht am Ziel.
18.08.2025, 14:4818.08.2025, 14:55
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Donald Trump ist mit dem erklärten Ziel nach Alaska gereist, einen Waffenstillstand im Krieg in der Ukraine zu erzwingen oder andernfalls neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Beide Ziele hat er krachend verfehlt. Wladimir hat den Trip nach Anchorage in der Absicht unternommen, Sanktionen zu vermeiden und weiter bombardieren zu dürfen. Er darf beide Punkte unter der Rubrik «erledigt» abhaken.

In der Fussball-Sprache würde man sagen: Klarer 2:0-Sieg von Putin, der gar noch höher hätte ausfallen können. So klar haben die Russen das Spiel dominiert. Die «Financial Times» fällt denn auch ein für den US-Präsidenten wenig schmeichelhaftes Urteil: «Donald Trumps Alaska-Gipfel war ein peinliches Versagen. Schlimmer noch, es war ein schrecklicher Fehler.» Selbst Boris Johnson, einst die britische Antwort auf Trump, erklärte angewidert, er könnte – ob des Resultats dieses Gipfels – nur noch kotzen.

Boris Johnson, Former Prime Minister of the United Kingdom, delivers a speech during the Ketagalan Forum G2025 Indo-Pacific Security Dialogue in Taipei, Taiwan, Tuesday, Aug. 5, 2025. (Chiang Ying-yin ...
Verspürt Brechreiz: Boris Johnson.Bild: keystone

Der Brechreiz des ehemaligen britischen Premiers ist verständlich. Putin erreichte sein Ziel mit den billigsten aller Mittel. Es hat offenbar gereicht, dass er Trump darin bestätigt hat, dass unter seiner Präsidentschaft der Krieg nicht ausgebrochen wäre und die Wahlen 2020 zu seinen Ungunsten manipuliert gewesen seien. Es fällt immer noch schwer zu akzeptieren, dass der US-Präsident immer wieder auf solch plumpe Schmeicheleien hereinfällt.

In Moskau herrscht derweil Champagner-Laune, schliesslich ist es Putin gelungen, Trump zu einer Kehrtwendung zu bewegen. Einen Waffenstillstand soll es jetzt erst geben, wenn ein Friedensvertrag ausgehandelt ist, nicht umgekehrt, wie es der US-Präsident noch vor seinem Abflug nach Anchorage in die Welt hinausposaunt hat.

Der russische Präsident hat im vertrauten Kreis geäussert, der Trip sei «zeitgerecht und sehr nützlich» gewesen. Alexander Dugin, der faschistische Vordenker Russlands, jubelt gar: «Trump hat Putins Status als einer der Führer dieser Welt, mit dem man verhandeln kann, wieder hergestellt. Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, denn das war erst der Anfang.»

KEYPIX - epa12303746 Russian President Vladimir Putin (L) and US President Donald Trump shake hands at the end of a joint news conference following their meeting at Joint Base Elmendorf-Richardson in  ...
Handschlag mit einem Kriegsverbrecher: Putin und Trump.Bild: keystone

Tatsächlich beharrt Putin nach wie vor darauf, die «Wurzeln des Konflikts» müssten aus der Welt geschafft werden, bevor es Frieden gebe. Das ist eine verschlüsselte Aussage, die besagt, dass die Ukraine sich mehr oder weniger bedingungslos Moskau unterwerfen müsse und Europa und die USA dies auch akzeptieren müssen. Dieses Ziel hat der russische Präsident jedoch nicht erreicht. «Der Trump-Putin-Gipfel war kein Desaster, es war bloss eine amerikanische Niederlage», stellt denn auch der Historiker Max Boot in seiner Kolumne in der «Washington Post» fest.

Zu Recht weist Boot darauf hin, dass das Schlimmste – ein bilateraler Deal zwischen den beiden Staatsoberhäuptern auf Kosten der Ukraine – vermieden worden sei. «Trump hat nicht öffentlich Putins Forderungen unterstützt, wonach die Ukraine Russland als Gegenleistung für einen Waffenstillstand mehr Gebiete abtreten muss. Er hat auch die bestehenden Sanktionen nicht gelockert», so Boot.

In wenigen Stunden wird Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus eintreffen, um mit Trump zu verhandeln. Die wichtigsten Staatsoberhäupter Europas begleiten ihn dabei: der deutsche Kanzler Friedrich Merz, der britische Premierminister Sir Keir Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron, die italienische Premierministerin Georgia Meloni, Nato-Generalsekretär Mark Rutte und der finnische Staatspräsident Alexander Stubb. Letzterer ist ein sehr guter Golfspieler. Deshalb ist er auf ausdrücklichen Wunsch von Trump dabei.

Im besten Fall kann es dieser hochkarätigen Gruppe gelingen, den US-Präsidenten zu einer «Korea»-Lösung zu überreden. Das heisst konkret: Der Krieg wird entlang der bestehenden Fronten eingefroren und die Ukraine erhält Sicherheitsgarantien dafür, dass die Russen nicht wieder angreifen. Steve Witkoff, Trumps Unterhändler, hat am Sonntag in einem Interview mit CNN angedeutet, dass eine solche Lösung denkbar sei. «Wir setzen alles daran, dass ein solcher Friedensvertrag sehr, sehr rasch ausgehandelt werden kann.»

Witkoffs Kompetenz wird jedoch nach seinem Flop beim letzten Treffen mit Putin – er hat den russischen Präsidenten offensichtlich missverstanden und falsche Informationen nach Hause gesendet – stark angezweifelt.

Gleichzeitig ist Putin nicht nur ein Kriegsverbrecher, sondern auch ein notorischer Lügner, der seine Versprechen, ohne mit der Wimper zu zucken, bricht. Leider pflegt auch der US-Präsident, seine Meinung öfters und kurzfristig zu ändern. Deshalb ist derzeit völlig offen, wie das Ringen um die Ukraine ausgehen wird. Das «Wall Street Journal» weist jedoch auf einen Umstand hin, der uns hoffen lässt:

«Die Europäer und die Ukraine können ebenfalls etwas in die Waagschale werfen. Mr. Trump würde einen enormen politischen Preis bezahlen, sollte er die Ukraine fallenlassen und ihr einen Deal nach Putins Wünschen aufzwingen. Der Präsident kann noch so oft wiederholen, das sei Bidens Krieg, nicht seiner. Aber ob es ihm passt oder nicht: Was jetzt passiert, geht auf seine Rechnung. Ein Verrat an der Ukraine würde ein gewaltiges Echo auslösen, nicht nur zu Hause, sondern rund um die Welt.»
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Trump empfängt Putin in Alaska
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Trump empfängt Putin in Alaska

Donald Trump bei der Ankunft in Anchorage.

quelle: keystone / julia demaree nikhinson
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«Wir sind noch nicht ganz am Ziel» – Die wichtigsten Aussagen der Pressekonferenz
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Die beliebtesten Kommentare
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Bynaus
18.08.2025 15:27registriert März 2016
"Die Wurzel des Konflikts" ist das imperiale Selbstverständnis Russlands. Und ja, dieses muss komplett zerschlagen werden, und das gelingt am besten mit einer krachenden militärischen Niederlage in der Ukraine. Wer jetzt gleich Atompanik schiebt: das alles ist schon etliche Male geschehen. Sowohl die USA wie auch Russland sind an Afghanistan gescheitert, sowohl die USA als auch China sind an Vietnam gescheitert, ohne dass deswegen Atomwaffen je zum Thema wurden. Russland muss verlieren - dann haben längerfristig auch die Menschen in Russland die Chance auf ein besseres Leben.
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Fairness
18.08.2025 15:21registriert Dezember 2018
Johnson hat absolut recht mit seiner Aussage. Trump und Putin sind sowas von daneben. Was die Ukraine die letzten drei Jahre geleistet hat - und immer noch tut - ist grossartig. Ich habe so meine Zweifel, dass andere europäische Länder das so gut hinbekommen hätten. Vor allem nicht, weil man es sich Jahrzehnte mit der Friedensdividende bequem gemacht hat. Grosses Lob und Dank an die Ukraine.
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Chrisbe
18.08.2025 15:34registriert Oktober 2019
Trump hofiert einen Kriegsverbrecher und Massenmörder und holt ihn auf die internationale Bühne zurück.
Putin wickelt ihn nach belieben um den Finger und der orange Trottel merkt es noch nicht einmal...
Ich hoffe die Europäische Delegation zeigt Stärke und Rückgrad.
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