Die USA werden ein digitaler Narco-Staat
Paul Krugman gehört zu den führenden Ökonomen der Gegenwart. Er ist mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden, und seine Kolumne in der «New York Times» war jahrzehntelang ein Must für alle, die in der ökonomischen Diskussion mitreden wollten.
Seit einem Jahr veröffentlicht Krugman seine Weisheiten auf Substack, und die These, die er am 9. Dezember darin vertreten hat, wirft grosse Wellen. Die USA seien ein digitaler Narco-Staat geworden, stellt er darin fest. Seine Begründung lautet zusammengefasst wie folgt:
So wie Heroin sind die sozialen Medien eine Droge und nicht minder gefährlich. Das ist mittlerweile hinreichend bewiesen. Anders als Heroin müssen sie keine Verfolgung durch den Staat befürchten. Tech-Oligarchen wie Mark Zuckerberg bieten ihre gesamte Macht und Einfluss auf, um zu erreichen, dass dies auch so bleibt.
Mit Erfolg. Während Australien soeben ein Gesetz in Kraft gesetzt hat, das Jugendlichen unter 16 Jahren den Gebrauch von Instagram, TikTok etc. untersagt, und während die EU Elon Musk eine Busse von 120 Millionen Euro auferlegt hat, weil er gegen die geltenden Gesetze verstiess, bleiben die Tech-Oligarchen in den USA weitgehend unbehelligt. Krugman kommt deshalb zu folgendem Fazit:
In der «Financial Times» nimmt Edward Luce Krugmans Faden auf und spinnt ihn weiter. Er erinnert an die abstrusen Verschwörungstheorien, welche unter den Tech-Oligarchen kursieren, etwa Elon Musks Wahn, Menschen auf den Mars zu schicken, oder Peter Thiels Obsession mit dem Antichristen.
Luce bezeichnet dies als «dunkle Aufklärung» und schwankt dazwischen, ob er sich darüber amüsieren oder zu Tode erschrecken soll, kommt dann aber zum Schluss, das Letzteres zutrifft: «Wir sollten uns nicht darüber amüsieren, dass Anhänger von Thiel an den Schalthebeln der Macht sitzen, nicht nur im Pentagon.»
Alles Übertreibung oder was? Krugman und Luce sind zwar beide wichtige Vordenker unserer Zeit, aber übertreiben sie nicht? Schauen wir uns die Fakten an:
Das «Time»-Magazin hat dieses Jahr nicht eine einzelne Persönlichkeit, sondern acht Tech-Oligarchen gemeinsam zur «Person des Jahres» gekürt, darunter Elon Musk, Sam Altman und vor allem auch Jensen Huang, den CEO von Nvidia. Die Begründung dafür liegt in der Tatsache, dass die Künstliche Intelligenz (KI) das dominierende Thema der Gegenwart ist. «Es ist die Technologie, welche unsere Zeit am meisten beeinflusst», erklärt Huang und verknüpft dies mit folgender Prophezeiung: «Bisher ist man davon ausgegangen, dass das Limit des globalen Bruttoinlandprodukts bei rund 100 Billionen Dollar liegt. Die KI wird es ermöglichen, dass dieses Limit dereinst bei 500 Billionen Dollar liegen wird.»
Huang ist auch die «Person des Jahres» bei der «Financial Times», diesmal als Einzelmaske. Diese Wahl liegt auf der Hand. Nvidia ist das erste Unternehmen der Welt, dessen Börsenkapitalisierung zeitweise über fünf Billionen Dollar lag und dessen Hochleistungs-Chips die KI-Welt dominieren.
Mit einem geschätzten Vermögen von rund 160 Milliarden Dollar hat es Huang unter die reichsten 10 Menschen der Welt geschafft, und sein Einfluss ist so gross, dass ihn der US-Präsident inzwischen regelmässig persönlich anruft.
Wie vor ihm auch die anderen Tech-Oligarchen hat sich auch Huang vor dem Präsidenten in den Staub geworfen, vor allem, als es darum ging, wie weit er China weiterhin mit seinen Chips beliefern darf. Er darf, «weil seine Strategie darauf basierte, sich in jeder Hinsicht bei Trump einzuschleimen», wie die «Financial Times» unter Berufung auf einen nicht genannt sein wollenden Kritiker berichtet.
Huang schmeichelt nicht nur Trump, er ist auch ein bekennender China-Fan. Dass Präsident Xi Jinping das Land immer autoritärer regiert, kümmert ihn nicht. «Die chinesischen Staatsmänner sind Baumeister. Sie sind Ingenieure», so Huang, und was die KI betreffe, so «sind sie rasch unterwegs und die Regulierung ist sehr, sehr schwach.»
Einst war das Silicon Valley eine liberale Hochburg und zuverlässige Quelle von Spenden für die Demokraten. Inzwischen lassen die Tech-Oligarchen ihren Dollar-Segen über die Maga-Republikaner regnen. Mehr noch, sie bieten aktive Hand, Trump dabei zu unterstützen, sich die kulturelle Hoheit über die USA zu verschaffen.
Exemplarisch dafür stehen Vater und Sohn Ellison. Vater Larry hat einst das Software-Unternehmen Oracle gegründet. Inzwischen hat er es damit zeitweise zum reichsten Mann der Welt gebracht. Mit dem Reichtum hat sich auch seine Weltanschauung verändert. Aus dem ehemaligen Mäzen der Demokraten wurde ein Verbündeter von Trump.
Sohn David will sich derweil zu einem Medien-Tycoon emporschwingen. Es ist ihm bereits gelungen, mit dem Geld seines Vaters das Medienunternehmen Paramount zu erwerben und damit die Kontrolle über den TV-Sender CBS zu erlangen. Jetzt ist er in einen Bieter-Wettbewerb mit Netflix um Warner Bros. verwickelt. Sollte er dabei als Sieger hervorgehen, dann hat er nicht nur ein bedeutendes Film-Archiv zu seiner Verfügung, sondern auch das Sagen bei CNN.
Die Ellisons sind auch mit von der Partie um die Zukunft von TikTok. Mit anderen Worten, es entsteht ein weiterer konservativer Medienkoloss, der einen Vergleich mit dem Murdoch-Imperium nicht zu scheuen braucht. Trump ist damit auf bestem Weg, die amerikanische Medienwelt nach dem Vorbild von Ungarn in eine rechtspopulistische Propaganda-Maschine zu verwandeln.
Wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán belohnt auch Trump die Seinen königlich. Offene Korruption ist in Washington inzwischen gang und gäbe. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die Kryptos. Mit den Stablecoins soll deren Rolle noch gewaltig ausgedehnt werden.
Stablecoins sind eine Art private Dollars. Mit dem Genius Act, einem Gesetz, das verlangt, dass diese privaten Dollars durch liquide Vermögenswerte gedeckt sein müssen, gibt es zwar eine Regulierung des Stablecoins, sie ist jedoch sehr leicht. So leicht, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Zentralbank der Zentralbanken warnt, dass Stablecoins drei wichtige Bedingungen einer Währung nicht erfüllen würden, nämlich «Einzigartigkeit, Elastizität und Integrität».
Stablecoins eröffnen Trump nicht nur ein weiteres Feld zur persönlichen Bereicherung, er will damit auch die amerikanischen Staatsfinanzen sanieren. Weil sie durch liquide Vermögenswerte gedeckt sein müssen, erhofft sich der US-Präsident, dass die Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen sprunghaft zunimmt und damit auch die Zinsen dieser Anleihen in den Keller rasseln.
Traditionellen Ökonomen ist dieser finanzielle Hokuspokus suspekt. So stellt Martin Wolf in der «Financial Times» fest: «Die USA brauchen das. Aber ein System, das betrügerische Stabilitäts-Versprechen macht, unverantwortliche Fiskalpolitik erleichtert und Tür und Tor für Kriminalität und Korruption öffnet, ist nicht das, was die Welt braucht. Wir sollten Widerstand leisten.»
Fazit: Leider sind die Warnungen vor einem amerikanischen digitalen Narco-Staat keineswegs übertrieben. Ziehen wir uns warm an, denn dieser Staat mag Europa überhaupt nicht.
