So verteidigt der Economiesuisse-Chef den Schweizer Zolldeal mit den USA
Die USA haben die Schweiz lange zappeln lassen. Nun sinken die Zölle auf 15 Prozent. Kann man den Schaden, den die US-Zölle für die Schweiz angerichtet haben, beziffern?
Christoph Mäder: Die Reduktion der Zölle ist eine grosse Erleichterung für die Schweizer Wirtschaft. Die 39 Prozent waren eine sehr erhebliche Belastung für die Exportindustrie. Es ist schwierig, den Schaden zu beziffern, denn es gibt nicht nur direkte, sondern auch indirekte Effekte. Mehrere tausend Arbeitsplätze waren gefährdet. Ein Unternehmer sagte mir, sein USA-Geschäft sei praktisch zum Stillstand gekommen. Nach der Ankündigung der Senkung auf 15 Prozent normalisierten sich die Gespräche mit den Kunden wieder.
Was trifft die Unternehmen stärker – die Zölle oder der starke Franken?
Es ist die Kombination. Dazu kommen konjunkturelle Unsicherheiten und geopolitische Spannungen. Das alles bremst Investitionen.
Werfen Sie einen Blick in die Kristallkugel: Wie wird das Wirtschaftsjahr 2026?
Verhalten optimistisch. Es wird ein schwieriges Jahr mit gedämpftem Wachstum. Die Zollreduktion kann entlasten, aber viele Absatzmärkte sind in schlechter Verfassung – etwa Deutschland, wo die Automobilindustrie in der Krise steckt. Eine Senkung der US-Zölle auf 15 Prozent gibt etwas Schub.
Zölle von 15 Prozent sind immer noch deutlich höher als vorher.
Ja, aber immerhin haben wir dann wieder gleich lange Spiesse wie die EU.
Mehr US-Waffen, die wir kaufen müssen; Chlorhühner, die wir eventuell importieren müssen und Cybertrucks, die vielleicht einmal auf Schweizer Strassen fahren: Kritiker nennen den Zolldeal einen Unterwerfungsvertrag.
Im Kern geht es darum, tausende Arbeitsplätze in der Schweiz zu schützen. Der Deal ist pragmatisch. Die Absichtserklärung muss nun konkretisiert werden. Cybertrucks sind ein völlig unbedeutender Nebenschauplatz. Ich habe kürzlich einen gesehen – die werden wenig Anklang in der Schweiz finden. Zu gross und zu hässlich.
Die Schweiz macht weitgehende Zugeständnisse. Sie verzichtet zum Beispiel auch darauf, eine Digitalsteuer einzuführen, obschon Vorstösse dazu im Parlament hängig sind. Wie lässt sich ein solcher Eingriff in die Souveränität rechtfertigen?
Der Verzicht ist keine neue Position des Bundesrats. Wir brauchen keine neuen Steuern. Ich habe Mühe mit Begriffen wie «Unterwerfung» und «Erpressung». Kein Kritiker hat bislang eine Alternative präsentiert, die das Problem hätte lösen können.
Müssen wir bereit sein, jeden Preis zu bezahlen? Nur vier Prozent der Schweizer Exporte sind vom Zollhammer betroffen.
Nochmals: Es geht um tausende Arbeitsplätze in der Schweiz. Das dürfen wir nicht vergessen. Es gibt Branchen, die extrem hart betroffen sind. Wir sprechen von Unternehmen, die 20, 30 oder 40 Prozent ihres Umsatzes in den USA machen. Dazu kommen indirekte Effekte über europäische Kunden. Der Druck ist viel grösser als die vier Prozent vermuten lassen.
Der Bundesrat hat zugesagt, dass Schweizer Firmen in den USA 200 Milliarden Franken tätigen. Werden künftig Arbeitsplätze eher in Alabama als im Aargau geschaffen?
Diese Investitionen wären ohnehin erfolgt. Die Tendenz zur lokalen Produktion besteht in vielen Märkten. Die Welt ist protektionistischer geworden. Wenn Firmen im Ausland erfolgreich sind, hat das auch positive Auswirkungen auf die Schweiz.
Haben Sie die Liste gesehen, wer wie viel investiert?
Weitgehend. Es sind verschiedene Branchen beteiligt. Der allergrösste Teil kommt von der Pharma.
Sind die 200 Milliarden ein Bluff?
Nein, dahinter stehen reale Pläne. Sonst hätten die Firmen diese nicht bekannt gegeben. Die 200 Milliarden Franken umfassen aber nicht nur klassische Investitionen in neue Anlagen, sondern auch Berechnungen, die zum Beispiel Personal- oder Forschungsaufwände beinhalten.
Entscheidend ist, was sich die USA unter diesen Investitionen von 200 Milliarden Franken vorstellen.
Das wird sich in den Verhandlungen zeigen. Klar ist, dass der Bund die Unternehmen nicht zu Investitionen verpflichten kann. Er kann diese Investitionen nur unterstützen.
Wie?
Der Bund kann versuchen, seine guten Dienste diesen Unternehmen anzubieten und sie über das Monitoring unterstützen– aber ohne finanzielle Unterstützung oder Garantien.
Werden die USA diese Investitionen überwachen?
Es wird sicherlich eine Art Monitoring geben. Wer das macht, wie streng, wie häufig und mit welchen Reportingpflichten, werden die Verhandlungen zeigen.
Die Schweiz hat auch im Freihandelsabkommen mit Indien Investitionsversprechen gemacht. Macht man sich damit nicht erpressbar?
Die Investitionsabsichten im Abkommen mit Indien sind weniger konkret als im Deal mit den USA. Entscheidend ist, keine Versprechungen zu machen, die Erpressbarkeit ermöglichen. Letztlich gilt aber: Kein Vertrag hindert eine Weltmacht wie die USA daran, politischen Druck aufzusetzen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.
Nämlich?
Der Bundesrat hat gegenüber den USA immer signalisiert, dass es rote Linien gibt. Nehmen Sie Japan: Das Land schickt Geld zur freien Verwendung in die USA! Es ist absolut undenkbar, dass die Schweiz so etwas tun würde.
Gemäss einer Sotomo-Umfrage lehnen 69 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer den Deal ab. Wie erklären Sie sich diese Ablehnung?
Ich kann nachvollziehen, dass die Bevölkerung noch viele Fragen hat. Doch für ein Urteil müssen wir den ausgehandelten Vertrag abwarten. Die 39 Prozent waren ein Schock. Insofern ist die Bevölkerung wohl sehr skeptisch, dass man hier auf die Schnelle eine derart gute Lösung gefunden hat.
Eine grosse Rolle spielten die Milliardäre rund um Alfred Gantner. Sie besuchten Trump im Oval Office. Was halten Sie von dieser Art der Schattendiplomatie?
Das ist keine Schattendiplomatie. Die Vernetzung zwischen Politik und Wirtschaft gibt es in der Aussenwirtschaftspolitik seit jeher. Aber ich anerkenne, dass dieser Besuch im Oval Office irritieren kann. Doch um was geht es? Diese Leute haben nicht verhandelt, sie haben die Situation aus ihrer Sicht dargestellt und aufgezeigt, welche Wege es geben könnte, um das Handelsbilanzdefizit gegenüber den USA zu verringern. Es ist eine Tatsache, dass Trump auf diese Art von Diskussionen Wert legt.
Dennoch: Ein Goldbarren und eine Rolex – das riecht nach Korruption.
Ich glaube nicht, dass sich Herr Trump von einer Rolex beeinflussen lässt. Es handelt sich um Geschenke für die «Presidential Library». Das ist bei solchen Treffen nicht unüblich. Weiter möchte ich mich nicht dazu äussern, weil ich ihnen keine grosse Bedeutung beimesse. Das müssen die Beteiligten selbst wissen.
Und welche Bedeutung messen Sie diesem Treffen insgesamt zu?
Es war ein Türöffner, und insofern muss man auch anerkennen, dass dies gelungen ist. Die Frage, ob das unserem idealen Vorgehen entspricht, ist sekundär. Dieses Treffen hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, die Blockade zu durchbrechen.
Waren Sie vorab über das Treffen informiert?
Ich wusste, dass etwas im Gange ist.
Economiesuisse spielte keine Rolle beim Zolldeal. Braucht es den Verband noch?
Sie werden nicht erwarten, dass ich die Frage mit Nein beantworte.
Also: Welche Rolle spielte Economiesuisse?
Wir waren seit Beginn Teil der Gespräche zwischen Bund und Privatsektor. Ich stehe in regelmässigem Kontakt mit den Unternehmen, dem Staatssekretariat für Wirtschaft und dem Bundesrat.
Können Sie das konkretisieren?
Ich war beteiligt an den Diskussionen, wie wir vorgehen, um den USA die Wiederaufnahme von Gesprächen schmackhaft zu machen und was die Wirtschaft dazu beitragen kann. Man kann nicht einfach anmelden: «Ich hätte gerne einen Termin beim Präsidenten.» So einfach ist das nicht. Ich war aber nicht in Washington und habe von diesen Geschenken erst aus den Medien erfahren.
Tatsache ist: Am Schluss waren es diese fünf Milliardäre und der Rolex-Chef. Was sagt uns das über die Bedeutung von Economiesuisse?
Das sagt nichts über die Bedeutung von Economiesuisse. Es war richtig, dass solche Unternehmen vor Ort waren, die konkrete Investitionspläne in den USA haben. Economiesuisse hat wie andere versucht, ein Arrangement zu unterstützen, das erfolgreich ist.
Ärgert es Sie etwas, dass nun alle von Alfred Gantner sprechen?
Überhaupt nicht. Ich habe da keine Emotionen. Wir blicken auf eine gute Zusammenarbeit zurück. (aargauerzeitung.ch)
