Nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Fernsehdebatte zwischen zwei Regionalpolitikern derartige Aufmerksamkeit erregt: Am Donnerstagabend stritt Björn Höcke, der Chef der AfD im ostdeutschen Bundesland Thüringen, mit Mario Voigt, dem Vorsitzenden der dortigen Christdemokraten. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein AfD-Politiker in einem solchen Format auftreten konnte.
Selbst innerhalb seiner Partei, die am rechten Rand des politischen Spektrums steht, gilt Höcke als besonders extrem; laut Gerichtsbeschluss darf er als Faschist bezeichnet werden. Durch das Fernsehduell, so mussten sich der CDU-Politiker Voigt, aber auch der kleine, zum Axel-Springer-Konzern gehörende Sender Welt-TV vorwerfen lassen, würden Höcke und seine Positionen normalisiert.
Dass die Sendung mit Höcke, der auch schon «eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» gefordert hat, am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald stattfand, empörte einige besonders. Die Thüringer SPD meinte gar, die Bürger an der Hand nehmen und warnen zu müssen: «Guck lieber ‹Wolf of Wall Street› statt Wolf im Schafspelz», liess die Partei plakatieren. Das wirkte vor allem hilflos.
Über die sozialen Medien erreiche die AfD ohnehin Millionen Menschen, allerdings ohne sich Widerspruch und kritische Nachfragen gefallen lassen zu müssen, hielt Jan Philipp Burgard, der Chefredaktor des Senders, im Gespräch mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» dagegen. Er sollte Recht behalten: Selbst gegen einen Kontrahenten mit limitierten rhetorischen Fähigkeiten sah Höcke ziemlich schlecht aus.
Dafür sorgten vor allem die beiden Moderatoren; einer davon war Burgard selbst. Höcke versuchte, sich für seine Verhältnisse gemässigt zu geben, wurde allerdings reihenweise mit extremen Äusserungen aus der Vergangenheit konfrontiert. Die Bemühungen des AfD-Mannes, sich zu rechtfertigen, wirkten teilweise fast unfreiwillig komisch.
Als er etwa darauf angesprochen wurde, in seinem Buch geschrieben zu haben, die türkischstämmige SPD-Politikerin Aydan Özoguz habe in Deutschland nichts verloren, probierte er, sich damit herauszureden, sich weder an das Zitat noch an die Politikerin erinnern zu können.
Als man ihn an die Remigrationspläne einiger seiner Parteikollegen erinnerte, die auch die Ausweisung ausländischstämmiger Bürger mit deutschem Pass vorsehen, wurde es geradezu bizarr. Mit Remigration sei die erwünschte Rückwanderung hochqualifizierter Deutscher gemeint, die das Land verlassen hätten, weil die Standortbedingungen dort so schlecht seien, versuchte Höcke abzulenken. Je länger die Sendung dauerte, desto nervöser und fahriger wirkte er: Ein Mann erlitt Schiffbruch.
Voigt blieb währenddessen blass. Thüringen werde kaum die dringend benötigten ausländischen Fachkräfte gewinnen, «wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnungsfeier kommt», lautete eine seiner originelleren Aussagen. Ansonsten versuchte der Christdemokrat, möglichst staatstragend zu wirken. Obwohl er kaum zu glänzen vermochte, gelang es auch ihm gelegentlich, Höcke in Bedrängnis zu bringen.
Am 1. September wählt Thüringen einen neuen Landtag; in den Umfragen liegt Höckes AfD mit rund 30 Prozent auf Platz eins; Voigts CDU folgt mit 20 Prozent, die Linkspartei des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow erreicht rund 15 Prozent. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale, die in Berlin die Regierung bilden, rangieren allesamt einstellig.
Zyniker hatten im Vorfeld der TV-Debatte geunkt, Höcke und Voigt könnten eine Art unausgesprochenen Pakt abgeschlossen haben: Was das Renommee betreffe, werte Voigt Höcke auf, indem er diesem ermögliche, sich als «salonfähig» darzustellen. Was die Aufmerksamkeit des Publikums angehe, profitiere dagegen der CDU-Mann vom AfD-Politiker, weil der deutschlandweit bekannte Gottseibeiuns Höcke dem weitgehend unbekannten Regionalpolitiker Voigt eine grosse Bühne verschaffe.
Zumindest Höckes Kalkül scheint nicht aufgegangen zu sein: Er ist der eindeutige Verlierer der Debatte. Sollte er gehofft haben, einen bürgerlich-respektablen Eindruck zu erwecken, ist er gescheitert. Ob ihm dies an den Wahlurnen schaden wird, ist freilich offen: AfD-Anhänger zeichnen sich nicht selten durch eine Trotzhaltung aus. Dazu gehört auch, sich nur ungern durch die Realität beirren zu lassen.
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