Eine der prägendsten Charaktereigenschaften von Donald Trump ist seine Unberechenbarkeit. Davon scheint für einmal die Ukraine zu profitieren.
Am Montag endete der Sitzungsmarathon, zu dem Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski und eine Gruppe europäischer Verbündeter spontan geladen hatte, überraschend positiv. Der deutsche Kanzler jedenfalls sprach am Ende der Treffen von einer «gelösten Stimmung» und davon, dass seine Erwartungen übertroffen worden seien.
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Auch Trump liess sich von diesem Optimismus anstecken. Er rief noch am Montag den Kreml-Herrscher Wladimir Putin an. Und verkündete anschliessend auf dem Internet-Dienst Truth Social den nächsten Schritt auf dem Weg zum angestrebten Friedensabkommen für die Ukraine. In einigen Tagen bereits sollen Selenski und Wladimir Putin sich zu einem Zweier-Gipfel treffen, um die offenen Fragen zu besprechen. Später solle dann auch Trump selbst dazustossen, wohl für den krönenden Abschluss.
Allein: Noch ist es nicht so weit.
Trump scheint, nach dem Putin-Gipfel in Alaska und dem Sitzungsmarathon in Washington, vergessen zu haben, mit wem er es in Moskau zu tun hat. Der Amerikaner mag vielleicht das Gefühl haben, dass Putin «für mich einen Deal machen will», wie er es am Montag dem französischen Präsidenten zuraunte. Aber es ist schwer vorstellbar, dass Putin wirklich so denkt. Gerade Macron hat seine Bedenken diesbezüglich nach dem Gipfel deutlich ausgedrückt.
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Vielmehr spielt der Russe auf Zeit. Öffentlich erweckt er den Eindruck, als habe er ein Interesse daran, den von ihm angezettelten Krieg in der Ukraine zu beenden. Hinter den Kulissen aber hintertreibt er ernsthafte Bemühungen, den blutigen Konflikt zu stoppen.
So schafft Putin Verwirrung über die Konzessionen, in die er im Gespräch mit Trump eingewilligt hat. Kann er nun mit den versprochenen westlichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine leben oder ist er kategorisch dagegen? Auch stellt Putin Forderungen, von denen er von vorneherein weiss, dass Selenski sie nicht erfüllen kann. Das betrifft vor allem das heikle Thema Gebietsverzichte, das der ukrainische und der amerikanische Präsident am Montag im Weissen Haus anschnitten.
Putin weiss, dass Trump ein schnelles Ende des Töten in der Ukraine anstrebt. Der Amerikaner will damit seinen Ruf als Friedensstifter zementieren. Wer sich Trump entgegenstellt, und wirkt wie ein Bremsklotz, der wird seinen Zorn auf sich ziehen. Putin wird dies zu nutzen wissen.
Trump mag sich derzeit also auf pro-ukrainischem Kurs befinden, nach einem pro-russischen Freitag in Alaska. Entscheidend ist aber, auf welcher Seite er in 7 oder 14 Tagen stehen wird. Die Unberechenbarkeit Trumps verunmöglicht eine klare Prognose. (aargauerzeitung.ch)