«Trump gewinnt – egal wie der Prozess ausgeht», kommentiert der Tages-Anzeiger das Spektakel rund um die Anklage gegen den Ex-Präsidenten in Manhattan. Diese These ist weit verbreitet und sie scheint auf den ersten Blick auch zuzutreffen. Trump ist wieder allgegenwärtig in den Medien. Amerikanische TV-Sender verschwenden lange Minuten zur besten Sendezeit, um solch banale Dinge wie Trumps Privatjet beim Abflug in Florida oder seine Auto-Karawane auf dem Franklin Roosevelt Boulevard in New York zu filmen.
Nicht nur Fox News, auch die linksliberalen Medien machen bei diesem üblen Spiel mit. Zu viel Geld steht auf dem Spiel. «Obwohl Trump die Journalisten als Diener eines Schurkenstaates verunglimpft, ist die Symbiose zwischen ihm und den Mainstream-Medien nach wie vor tief», kommentiert daher Edward Luce in der «Financial Times».
Wiederholt sich also die Geschichte? Kann Trump erneut allen Sauerstoff aus dem Zimmer aufsaugen und die alleinige Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen? Wahrscheinlich. Doch der Effekt wird diesmal ein anderer sein. 2016 war Trump der politische Aussenseiter, der antrat, um das Establishment aufzumischen. Das, und sein unzweifelhaft grosses Talent als Showmaster, haben ihn ins Weisse Haus getragen.
2023 hingegen kennen die Amerikaner Trump in- und auswendig – und was sie sehen, gefällt ihnen nicht. In Umfragen sprechen sich regelmässig rund 60 Prozent der Befragten dagegen aus, dass er wieder ins Oval Office einziehen soll. Vor allem die alles entscheidenden unabhängigen Wähler – und dort wiederum vor allem die Frauen in den Vorstädten – lehnen Trump entschieden ab.
Das Spektakel in Manhattan hat diesen Eindruck noch verstärkt. Es war eine Freak-Show der schlimmsten Sorte. Marjorie Taylor Greene verglich den Ex-Präsidenten nicht nur mit Nelson Mandela, sondern gar mit Jesus. Ihre Kollegin Lauren Boebert wollte im Vorgehen gegen Trump Parallelen zu den Aktionen von Mussolini und Hitler gesehen haben. Selbstverständlich durfte auch der notorische Lügenbaron George Santos nicht fehlen.
Kurz: 2016 hat das Medienspektakel Trump zu einem Triumph verholfen, den niemand auf der Rechnung hatte. 2023 verstärkt das Medienspektakel sein hässliches Image – ausser bei seiner Basis natürlich.
Das Spektakel in Manhattan hat auch davon abgelenkt, dass die Demokraten am Mittwoch zwei bedeutende Erfolge erzielt haben. In Chicago wurde Brandon Johnson überraschend zum neuen Bürgermeister gewählt. Johnson ist ein schwarzer Progressiver, der die Unterstützung von Bernie Sanders und Elizabeth Warren hatte. Sein Gegner Paul Vallas gehört zwar ebenfalls der demokratischen Partei an, aber dem konservativen Flügel. Vallas wurde zum Verhängnis, dass er einst Sympathien für Trump bekundet hatte.
Die wichtigste Wahl des laufenden Jahres fand im Bundesstaat Wisconsin statt. Dort ging es um eine neue Besetzung des Obersten Gerichtshofs. Die Mitglieder werden jeweils für zehn Jahre gewählt. Bisher hatten die Republikaner eine vier zu drei Mehrheit.
Dieses Verhältnis hat sich zugunsten der Demokraten gewendet. Janet Protasiewicz, eine progressive Demokratin, hat Daniel Kelly, einen stockkonservativen Republikaner, geschlagen. Und zwar deutlich, mit elf Prozentpunkten Vorsprung. Das ist für Wisconsin ein politisches Erdbeben, denn normalerweise fallen die Resultate in diesem wichtigen Swingstate hauchdünn aus.
Warum ist die Wahl in Wisconsin so wichtig? Der Erfolg der Demokraten wird zur Folge haben, dass ein hartes Abtreibungsgesetz wieder abgeschafft wird. Und er hat vor allem zur Folge, dass die absurden Wahlkreise in diesem Bundesstaat neu aufgeteilt werden. Das wird im Hinblick auf die Wahlen 2024 von grosser Bedeutung sein.
Wisconsin ist auch ein wichtiges Stimmungsbarometer für das ganze Land. Deshalb haben beide Parteien sehr viel Geld für den Wahlkampf aufgebracht. Dass Kelly so deutlich unterlegen ist, muss den Wahlstrategen der Grand Old Party zu denken geben. Kelly ist nicht nur ein vehementer Vertreter von Trumps Big Lie, er ist auch ein entschiedener Abtreibungsgegner. Vor allem das Letztere dürfte der Grund für seine deutliche Niederlage sein.
Die Abtreibungsfrage wird zum Klotz am Bein der Republikaner. Trotzdem kommen sie nicht davon los. In Florida will Gouverneur Ron DeSantis auf Druck seiner Basis in den kommenden Wochen ebenfalls ein Gesetz verabschieden, dass eine Abtreibung nach sechs Wochen Schwangerschaft verbietet. Das kommt de facto einem Abtreibungsverbot gleich. Wie das im Sunshine State ankommen wird, bleibt abzuwarten.
Nicht nur die Abtreibungsfrage setzt der GOP zu. Der Trump-Zirkus geht ebenfalls weiter. Noch in diesem Monat warten mehrere Gerichtstermine auf den Ex-Präsidenten. Am 25. April geht es in einem Zivilprozess darum, ob er die Schriftstellerin E. Jean Caroll verleumdet hat. In einem weiteren Zivilprozess wird entschieden, ob Trump und seinen Kindern verboten werden soll, im Bundesstaat New York weiterhin geschäftlich tätig zu sein. Anklägerin in diesem Prozess ist Laetitia James, die Justizministerin des Bundesstaates New York.
Schliesslich drohen Trump noch zwei weitere Strafprozesse. Der eine davon im Bundesstaat Georgia steht möglicherweise kurz vor einer Anklage. Dort geht es um versuchte Wahlmanipulation, um das inzwischen legendäre Telefongespräch, in dem Trump den Staatssekretär aufgefordert hat, ihm doch «11’780 Stimmen» zu beschaffen, die ihm den Sieg gebracht hätten.
Der Sonderermittler Jack Smith untersucht derweil sowohl Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol als auch die Sache mit den Geheimdokumenten, die in Mar-a-Lago gefunden worden sind. An beiden Fronten sieht es schlecht für den Ex-Präsidenten aus: Sein ehemaliger Vize Mike Pence wird nun wohl doch vor einer Grand Jury aussagen müssen. Sein Anwalt in der Dokumenten-Geschichte hat dies bereits getan.
Zudem ist auch der Prozess Dominion gegen Fox News noch in diesem Monat geplant. Der Wahlmaschinen-Hersteller hat den TV-Sender wegen Verleumdung auf 1,6 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt. Der Prozess wird hohe Wellen werfen – und Trump wird dabei erneut sehr schlecht aussehen.
Eine Dramödie zum geniessen!
Hat der Trottel je gut ausgesehen? Nein, weder optisch noch politisch!
Ich hoffe er erlebt sein persönliches Waterloo.