Noch letzte Woche schienen die Regierungsgespräche von CDU/CSU und SPD harzig zu verlaufen. Dann packte Donald Trump den Zollhammer aus, und plötzlich ging es schnell. Am Mittwoch wurde der am Vorabend etwas verfrüht vermeldete Durchbruch Tatsache. Die Spitzen der drei Parteien stellten am Nachmittag den Koalitionsvertrag vor.
Die Einigung kam keinen Tag zu früh, und das nicht nur wegen Trump. Ebenfalls am Mittwoch wurde eine Umfrage publiziert, in der die rechtsradikale AfD erstmals vor der Union liegt. Das ist nicht so sehr das «Verdienst» der AfD, deren Doppelspitze sich widersprüchlich zu Trumps Zöllen geäussert hat. Vielmehr zeigt der Befund den Frust vieler in Deutschland.
Verantwortlich dafür ist auch der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz, dem nicht nur aus den eigenen Reihen Wortbruch vorgeworfen wird. Das liegt nicht zuletzt am Schuldenpaket, das auf den letzten Drücker durch den alten Bundestag gepeitscht wurde und Investitionen von bis zu einer Billion Euro in Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung vorsieht.
«Das ist wie ein Bräutigam, der noch in der Hochzeitsnacht fremdgeht», hiess es gemäss der «Zeit» in einem parteiinternen Chat. «Ja, an der Basis der CDU gibt es Unruhe», räumte Merz ein. Ihm wurde zu viel Nachgiebigkeit gegenüber der SPD vorgeworfen. Doch ohne AfD und Linke hat er nur mit den Sozialdemokraten eine Mehrheit im neuen Bundestag.
Immerhin waren es Verhandlungen auf «Augenhöhe»: Der CDU-Vorsitzende Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil sind fast zwei Meter gross. Dieses «Giganten-Duo» muss nun dafür sorgen, dass die neue Regierung erfolgreicher arbeitet als die gescheiterte Ampel. Das Umfragehoch der AfD und das geopolitische Chaos müssten Ansporn genug sein.
In wichtigen Punkten kam die SPD dem künftigen Regierungspartner entgegen, etwa bei einer härteren Gangart gegenüber der irregulären Migration oder einer Reform des Bürgergelds, das in seiner jetzigen Form als eine Art Grundeinkommen betrachtet wird. Dafür sollen die von der Union angestrebten Steuersenkungen verzögert kommen.
Andernfalls fehlt der finanzielle Spielraum, denn das viele Geld aus dem Schuldenpaket ist zweckgebunden. Ein effizienter Einsatz bei Infrastruktur und Bundeswehr ist zwingend, sonst geht noch mehr Vertrauen flöten. Immerhin dürfte der populäre bisherige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) weiterhin für dieses Ressort zuständig sein.
Als Vizekanzler und Finanzminister ist offenbar Lars Klingbeil vorgesehen. Der 47-jährige Niedersachse hat das SPD-Debakel am 23. Februar bemerkenswert schadlos überstanden, im Gegensatz zur auch intern umstrittenen Co-Chefin Saskia Esken. Sie gehört zum linken Parteiflügel, während Klingbeil ein konservativer Sozialdemokrat ist, der es mit allen gut kann.
Nun müssen die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen, doch das dürfte Formsache sein. Sie ticken gerade beim Reizthema Migration «rechter» als manche Funktionäre. Bei CDU/CSU ist kein solches Votum geplant, zum Leidwesen mancher an der Parteibasis. Dennoch dürfte die Regierung erst Anfang Mai im Bundestag vereidigt werden.
Die Erwartungen sind nicht sehr hoch, und das ist die Chance der schwarz-roten Regierung. Hinzu kommt der persönliche Ehrgeiz der beiden Bosse. Friedrich Merz muss mit 69 Jahren beweisen, dass er etwas kann, was er noch nie gemacht hat, nämlich regieren. Davon hängt nicht nur das Schicksal Deutschlands ab, sondern ganz Europas. Er muss liefern.
Gleiches gilt für Lars Klingbeil, dem Ambitionen für die Kanzlerkandidatur 2029 nachgesagt werden. Als Chef einer 16-Prozent-Partei kann er sich das abschminken. Auch er ist deshalb zum Erfolg verdammt. «Die Bagger müssen arbeiten und die Faxgeräte müssen entsorgt werden», sagte er an der Medienkonferenz am Mittwoch mit einem für ihn typischen Satz.
Die AfD wird man allein damit nicht klein machen, dafür braucht es mehr, auch auf kommunaler Ebene. Doch ein schwaches Deutschland nützt niemandem.