Nur 48 Stunden nachdem US-Bomber die Atomanlagen im Iran mit bunkerbrechenden Waffen angegriffen hatten, sprach die Pressesprecherin des Weissen Hauses «von einer neuen Dynamik für den Frieden im Nahen Osten». Die Zerstörung der iranischen Nuklearkapazitäten durch die USA, verkündete Karoline Leavitt euphorisch, habe eine «neue Ära» eingeläutet, die weitere arabische Länder dazu bewegen könnte, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren.
Auch aus Jerusalem kamen positive Signale. «Unser Sieg (gegen Iran) eröffnet eine Chance, den Kreis des Friedens zu erweitern», erklärte Benjamin Netanyahu – und fügte energisch hinzu: «Wir werden diese Chancen entschlossen nutzen.»
Die Gelegenheit dazu ist jetzt «einzigartig», schreibt der amerikanische Nahost-Experte Thomas Friedman in der «New York Times». Warum? Weil der 12-Tage-Krieg zwischen Israel und Iran den Status quo im Nahen Osten ebenso heftig erschüttert habe wie einst der Zweite Weltkrieg Europa. Damit sei «der Weg für etwas Neues geebnet».
Vielleicht hat Friedman mit seinem Vergleich etwas zu hoch gegriffen. Sicher ist jedoch, dass der Iran und seine Verbündeten im Nahen Osten in den letzten 12 Monaten Niederlagen erlitten, auf die nur das Prädikat verheerend zutrifft. Israels Erfolge waren gewaltig. Was aus der israelischen Gewinnerperspektive aber noch fehlt, ist, dass die vielen taktischen Siege jetzt in dauerhafte politische Erfolge umgewandelt werden. Das ist Israel seit dem 1978 in Camp David unterzeichneten Friedensabkommen mit Ägypten nicht mehr gelungen.
Land gegen Frieden lautete damals die Zauberformel. Für Frieden mit dem ägyptischen Nachbarn hatte Israel die im 6-Tage-Krieg von 1967 besetzte Sinai-Halbinsel an Kairo zurückgegeben. Auch der seinerzeit von Ägypten verwaltete Gaza-Streifen war in diesem Blitz-Krieg von Israel besetzt worden. Endgültig an die Palästinenser zurückgegeben wurde das winzige Stückchen Land bekanntlich bis heute nicht.
Und genau an diesem Punkt müsste Netanyahu ansetzen, wenn er es tatsächlich ernst damit meint, «den Kreis des Friedens im Nahen Osten zu erweitern». Solange im Gaza-Streifen palästinensische Zivilisten tausendfach sterben, werden weder der Libanon noch Syrien oder Saudi-Arabien Frieden mit Israel schliessen.
Eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Streifen allein würde vermutlich nicht ausreichen. Für Frieden mit den arabischen Staaten bräuchte es auch eine politische Perspektive für die Palästinenser.
Konkret heisst dies: Netanyahu sollte seine Armee aus dem Gaza-Streifen abziehen und den Palästinensern die Möglichkeit geben, in dem zerbombten Küstenstreifen einen eigenen Staat aufzubauen. Im Westjordanland, wo dies ursprünglich einmal geschehen sollte, ist dies bei realistischer Betrachtung nicht mehr möglich. Mehr als 500'000 jüdische Siedler haben das Gebiet, dass sie Judäa und Samaria nennen, de facto besetzt.
Um Frieden im Nahen Osten zu erreichen, müssten auch die USA neue Wege gehen. Die ersten Schritte hatte Trump bereits gemacht, als er Netanyahu vor einer Woche mit markigen Worten zur Einhaltung der Waffenruhe mit Iran gezwungen hatte. Damit war offensichtlich, dass Netanyahu sehr wohl auf Druck reagiert – wenn er aus den USA kommt.
Donald Trump weiss genau, was er zu tun hat, wenn er mit den arabischen Ölautokratien längerfristig gute Geschäfte machen will. Ohne einen Palästinenserstaat – und sei er noch so klein –, hatte ihm der saudische Kronprinz erst im Frühjahr dieses Jahres ans Herz gelegt, ist eine politische und wirtschaftliche Partnerschaft mit Israel unmöglich.
Die Idee eines «neuen Nahen Ostens» ist nicht neu. Bereits 1982, als die israelische Armee den Libanon angegriffen hatte, lagen Pläne dafür in den Schubladen: Von Beirut und Damaskus sollten Autobahnen und Eisenbahnen nach Tel Aviv gebaut werden. Es war übrigens der Iran, der mit der neuformierten Hisbollah die israelischen Pläne durchkreuzte. Die schiitische Terrormiliz gibt es auch heute noch. Doch sie ist schwach.
Gleiches kann man auch von Syrien sagen, das nach dem Sturz der Assad-Diktatur von einem Dschihadisten regiert wird: Achmad al-Scharaa sehnt sich nach fast 15 Jahren Bürgerkrieg nach wirklichem Frieden, den er auch mit Israel schliessen würde.
Aber nicht zum Nulltarif: Al-Scharaa nannte sich, als er für das Terrornetzwerk Al Kaida aktiv war, Abu Mohammed al-Golani – zu deutsch: der Mohammed von den Golan-Höhen, die heute von Israel besetzt werden. Einen von Israel verlangten Verzicht auf das strategische Hochplateau, würde al-Golani vermutlich nicht überleben. Weder politisch noch physisch.
Israels taktische Siege in Arabien und im Iran waren für die Unterlegenen eine schwere Demütigung. Und ein Frieden mit Gedemütigten dürfte kaum halten. Darüber müssen sich die Israelis und auch die USA im Klaren sein, wenn sie jetzt das Terrain für einen «neuen Nahen Osten» bereiten, in dem – im Idealfall – alle Parteien als gleichberechtigte Partner leben sollten.
Ariel Sharon hat es vorgemacht.