International
Analyse

Das braucht es für einen Frieden im Nahen Osten

President Donald Trump walks on the South Lawn of the White House after stepping off Marine One, Sunday, May 3, 2020, in Washington. Trump is returning from a trip to Camp David, Md. (AP Photo/Patrick ...
Donald Trump weiss genau, was er zu tun hat, wenn er mit den arabischen Ölautokratien längerfristig gute Geschäfte machen will.Bild: AP
Analyse

Ist die Trump-Euphorie berechtigt? So realistisch ist jetzt ein Frieden im Nahen Osten

Seit dem Friedensabkommen von Camp David konnte Israel seine vielen taktischen Siege nicht in dauerhafte politische Erfolge umwandeln. Wo die Knackpunkte aktuell liegen.
01.07.2025, 22:3202.07.2025, 08:43
Michael Wrase / ch media
Mehr «International»

Nur 48 Stunden nachdem US-Bomber die Atomanlagen im Iran mit bunkerbrechenden Waffen angegriffen hatten, sprach die Pressesprecherin des Weissen Hauses «von einer neuen Dynamik für den Frieden im Nahen Osten». Die Zerstörung der iranischen Nuklearkapazitäten durch die USA, verkündete Karoline Leavitt euphorisch, habe eine «neue Ära» eingeläutet, die weitere arabische Länder dazu bewegen könnte, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren.

Auch aus Jerusalem kamen positive Signale. «Unser Sieg (gegen Iran) eröffnet eine Chance, den Kreis des Friedens zu erweitern», erklärte Benjamin Netanyahu – und fügte energisch hinzu: «Wir werden diese Chancen entschlossen nutzen.»

Die Gelegenheit dazu ist jetzt «einzigartig», schreibt der amerikanische Nahost-Experte Thomas Friedman in der «New York Times». Warum? Weil der 12-Tage-Krieg zwischen Israel und Iran den Status quo im Nahen Osten ebenso heftig erschüttert habe wie einst der Zweite Weltkrieg Europa. Damit sei «der Weg für etwas Neues geebnet».

Vielleicht hat Friedman mit seinem Vergleich etwas zu hoch gegriffen. Sicher ist jedoch, dass der Iran und seine Verbündeten im Nahen Osten in den letzten 12 Monaten Niederlagen erlitten, auf die nur das Prädikat verheerend zutrifft. Israels Erfolge waren gewaltig. Was aus der israelischen Gewinnerperspektive aber noch fehlt, ist, dass die vielen taktischen Siege jetzt in dauerhafte politische Erfolge umgewandelt werden. Das ist Israel seit dem 1978 in Camp David unterzeichneten Friedensabkommen mit Ägypten nicht mehr gelungen.

Gaza ist nicht die einzige Frage

Land gegen Frieden lautete damals die Zauberformel. Für Frieden mit dem ägyptischen Nachbarn hatte Israel die im 6-Tage-Krieg von 1967 besetzte Sinai-Halbinsel an Kairo zurückgegeben. Auch der seinerzeit von Ägypten verwaltete Gaza-Streifen war in diesem Blitz-Krieg von Israel besetzt worden. Endgültig an die Palästinenser zurückgegeben wurde das winzige Stückchen Land bekanntlich bis heute nicht.

Und genau an diesem Punkt müsste Netanyahu ansetzen, wenn er es tatsächlich ernst damit meint, «den Kreis des Friedens im Nahen Osten zu erweitern». Solange im Gaza-Streifen palästinensische Zivilisten tausendfach sterben, werden weder der Libanon noch Syrien oder Saudi-Arabien Frieden mit Israel schliessen.

Eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Streifen allein würde vermutlich nicht ausreichen. Für Frieden mit den arabischen Staaten bräuchte es auch eine politische Perspektive für die Palästinenser.

Konkret heisst dies: Netanyahu sollte seine Armee aus dem Gaza-Streifen abziehen und den Palästinensern die Möglichkeit geben, in dem zerbombten Küstenstreifen einen eigenen Staat aufzubauen. Im Westjordanland, wo dies ursprünglich einmal geschehen sollte, ist dies bei realistischer Betrachtung nicht mehr möglich. Mehr als 500'000 jüdische Siedler haben das Gebiet, dass sie Judäa und Samaria nennen, de facto besetzt.

Um Frieden im Nahen Osten zu erreichen, müssten auch die USA neue Wege gehen. Die ersten Schritte hatte Trump bereits gemacht, als er Netanyahu vor einer Woche mit markigen Worten zur Einhaltung der Waffenruhe mit Iran gezwungen hatte. Damit war offensichtlich, dass Netanyahu sehr wohl auf Druck reagiert – wenn er aus den USA kommt.

Donald Trump weiss genau, was er zu tun hat, wenn er mit den arabischen Ölautokratien längerfristig gute Geschäfte machen will. Ohne einen Palästinenserstaat – und sei er noch so klein –, hatte ihm der saudische Kronprinz erst im Frühjahr dieses Jahres ans Herz gelegt, ist eine politische und wirtschaftliche Partnerschaft mit Israel unmöglich.

Autobahnen von Damaskus bis nach Tel Aviv

Die Idee eines «neuen Nahen Ostens» ist nicht neu. Bereits 1982, als die israelische Armee den Libanon angegriffen hatte, lagen Pläne dafür in den Schubladen: Von Beirut und Damaskus sollten Autobahnen und Eisenbahnen nach Tel Aviv gebaut werden. Es war übrigens der Iran, der mit der neuformierten Hisbollah die israelischen Pläne durchkreuzte. Die schiitische Terrormiliz gibt es auch heute noch. Doch sie ist schwach.

Gleiches kann man auch von Syrien sagen, das nach dem Sturz der Assad-Diktatur von einem Dschihadisten regiert wird: Achmad al-Scharaa sehnt sich nach fast 15 Jahren Bürgerkrieg nach wirklichem Frieden, den er auch mit Israel schliessen würde.

Aber nicht zum Nulltarif: Al-Scharaa nannte sich, als er für das Terrornetzwerk Al Kaida aktiv war, Abu Mohammed al-Golani – zu deutsch: der Mohammed von den Golan-Höhen, die heute von Israel besetzt werden. Einen von Israel verlangten Verzicht auf das strategische Hochplateau, würde al-Golani vermutlich nicht überleben. Weder politisch noch physisch.

Israels taktische Siege in Arabien und im Iran waren für die Unterlegenen eine schwere Demütigung. Und ein Frieden mit Gedemütigten dürfte kaum halten. Darüber müssen sich die Israelis und auch die USA im Klaren sein, wenn sie jetzt das Terrain für einen «neuen Nahen Osten» bereiten, in dem – im Idealfall – alle Parteien als gleichberechtigte Partner leben sollten.

Video: extern/reuters
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
41 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Scenario
01.07.2025 23:41registriert Mai 2015
Ist der Artikel ein Witz? Ihr redet von Frieden, während in den letzten zwei Jahren der Nährboden für noch mehr Hass geschaffen wurde. Die Hamas und andere Terrororganisation reiben sich die Hände. Wer glaubt ernsthaft, dass Menschen, deren Familien durch Israelische Bomben und Kugeln getötet wurden – teils Babys –, einen Friedensplan mit offenen Armen empfangen? Aus Gaza wird in den nächsten 10–20 Jahren kein Frieden kommen, sondern Wut und Hass. Ein fairer und stabiler Frieden war selten weiter entfernt als jetzt.
439
Melden
Zum Kommentar
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
01.07.2025 22:44registriert Juni 2016
Die Siedler müssen die Siedlungen aufgeben.
Ariel Sharon hat es vorgemacht.
4411
Melden
Zum Kommentar
avatar
Joe Jordan
01.07.2025 23:53registriert Juli 2020
Geschwächter Iran, geschwächte Hizbollah, geschwächte Hamas. man könnte tatsächlich denken, dass jetzt ein günstiger Moment wäre für eine gerechte Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern, bzw. der arabischen Welt. Das Problem ist allerdings, dass die israelische Gesellschaft über die letzten Jahre dermassen weit nach rechts gerückt ist, dass es völlig illusorisch scheint, dass Israels politische Führung heute bereit wäre, die für einen gerechten Frieden notwendigen Zugeständnisse (entweder 2-Staaten-Lösung oder ein binationaler Staat mit gleichen Rechten für alle) zu machen.....
247
Melden
Zum Kommentar
41
Selenskyj auf autoritärem Kurs – das ist ein schlechtes Omen für die Ukraine
Der zunehmend umstrittene Regierungsstil des Präsidenten geht einher mit wachsender Bestechlichkeit. Nun will Wolodymyr Selenskyj auch die weitgehend unabhängigen Korruptionsbekämpfer an die Kandare nehmen.
Verschämt steckt der Fahrer des Sammeltaxis ein paar Geldscheine in seinen Reisepass, wie ein Mitreisender nachträglich erzählt. Wir befinden uns an der ukrainischen Zollstation bei der Ausreise in ein Nachbarland. Der Beamte mit dem strengen Blick nimmt unsere Dokumente entgegen und bringt sie, ohne ein Wort zu sagen, in ein Büro.
Zur Story