Die Unterstützung für Israel zählt zu den wichtigsten und bisher überparteilichen Prinzipien der USA. Dieses Prinzip ist in Gefahr geraten. Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, hat kürzlich ein Tabu gebrochen. In einer Rede vor dem Senat hat er den Rücktritt von Benjamin Netanjahu gefordert; und Joe Biden teilt offenbar Schumers Einschätzung. Der Präsident sprach von einer «guten Rede».
Zuvor schon war bekannt geworden, dass Biden in einem «heissen Mikrofon» – er hatte übersehen, dass das Mikrofon noch aktiv war – erklärt hatte, es sei an der Zeit für einen «Come to Jesus»-Moment für Netanjahu. Will heissen: Der israelische Premier brauche eine Erleuchtung, um seine sture Haltung endlich aufzugeben.
Schumers Rede hat in den USA ein politisches Erdbeben ausgelöst. Thomas Friedman, aussenpolitischer Kommentator in der «New York Times» und profunder Israel-Kenner, sprach gar von einem «fliegenden Elefanten». Mit dieser Metapher will er ausdrücken, dass sich «etwas sehr Neues und sehr Wichtiges ereignet hat, das wir verstehen müssen».
Diese Einschätzung wird von zwei ehemaligen US-Botschaftern in Israel geteilt. Michael Oren spricht in der «Financial Times» von «einer der grössten Krisen in der Beziehung zwischen den USA und Israel». Sein Vorgänger Martin Indyk ergänzt: «Würde sich Netanjahu ernsthaft Sorgen machen über diese Beziehung, dann hätte er niemals zugelassen, dass sie sich derart verschlechtert.»
Auch in Israel wachsen die Sorgen. Der ehemalige Premierminister Ehud Olmert erklärt ebenfalls in der «Financial Times»: «Netanjahu hat sich auf ein sehr riskantes Spiel eingelassen, das Israel sehr viel kosten kann. Sollte Biden sich entschliessen, Netanjahu zu bestrafen, dann wird dies auch zum Schaden von Israel sein.»
Die Wahrscheinlichkeit, dass der US-Präsident Netanjahu zur Rechenschaft ziehen will, wächst, nicht nur, weil sich der israelische Premier alles andere als diplomatisch verhält. In einer geschlossenen Videokonferenz hat er am Mittwoch vor den republikanischen Mitgliedern des Kongresses Schumers Äusserungen als «total unangebracht und empörend» bezeichnet.
Der sich verschärfende Konflikt hat jedoch primär sachliche und offenbar unüberwindbar scheinende Gründe. Biden will nicht, dass die israelische Armee die Stadt Rafah im Gazastreifen angreift, weil dort über eine Million Palästinenser Schutz gesucht haben. Die Gefahr, dass ein solcher Angriff nochmals Tausende von zivilen Opfern kosten würde, ist sehr gross. Bisher sind den Angriffen der israelischen Soldaten bereits mehr als 30’000 Menschen zum Opfer gefallen, darunter sehr viele Kinder.
Das Weisse Haus drängt auch auf eine Zweitstaaten-Lösung. Das bedeutet, dass Israel einen autonomen palästinensischen Staat unter der Führung der Palestinian Authority (PA) akzeptieren müsste. Die PA regiert bereits im Westjordanland. Die aktuelle Führung gilt allerdings als korrupt und müsste ersetzt werden.
Netanjahu lehnt eine Zweitstaaten-Lösung entschieden ab, und er ist wild entschlossen, seine Soldaten auch in Rafah einmarschieren zu lassen. Nur so könne die Hamas endgültig besiegt werden, lautet seine Begründung. Diese wird allerdings von Experten angezweifelt. Sie vermuten, dass es dem Premierminister vor allem um sein persönliches Schicksal geht. Gegen Netanjahu ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption. Im schlimmsten Fall droht ihm eine Gefängnisstrafe.
Das totale Versagen der israelischen Regierung vor und während des Massakers der Hamas-Terroristen vom 7. Oktober hat Netanjahus Beliebtheit in den Keller stürzen lassen. Umfragen zeigen, dass er bei Neuwahlen hoch verlieren würde. Doch ihn aus dem Amt zu vertreiben, ist heikel. Grundsätzlich gibt es dafür drei Möglichkeiten:
So gesehen sind baldige Neuwahlen in Israel nicht zu erwarten. Benny Gantz, ein Generalleutnant und ehemaliger Verteidigungsminister, hat in Umfragen die grössten Siegeschancen. Doch ein führendes Mitglied seiner Partei erklärt gegenüber dem «Economist»: «Wir haben zwar die schlimmste Regierung, die Israel je hatte. Aber wenn wir sie jetzt stürzen, wird alles noch viel schlimmer.»
Selbstverständlich hat der eskalierende Streit zwischen der amerikanischen und der israelischen Regierung auch innenpolitische Auswirkungen. Die Republikaner schlachten ihn nach Möglichkeiten aus. Trump wäre nicht Trump, würde er nicht einmal mehr den Bogen überspannen. «Jeder Jude, der für die Demokraten stimmt, hasst seine Religion», erklärte der Ex-Präsident in einem Podcast. «Die Demokraten hassen Israel, und sie sollten sich schämen, denn Israel wird so zerstört werden.»
Trumps Anschuldigungen sind absurd. Chuck Schumer ist Jude und gilt als einer der längsten und prominentesten Unterstützer Israels. Er hat denn auch sogleich klargestellt: «Mir liegt Israel und seine langfristige Zukunft sehr am Herzen. Wer dies zu einem Partei-Problem hochstilisieren will, der schadet der Hilfe für Israel.»
Er muss vor ein Internationales Gericht gestellt werden für seine offensichtlichen Kriegsverbrechen