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Trump vs. Fox News: Szenen einer hässlichen Ehe

Donald Trump und Fox News, verheiratet, aber doch unglücklich zusammen.
Montage watson.Bild: watson/getty/shutterstock
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Trump vs. Fox News: Szenen einer hässlichen Ehe

Der Ex-Präsident will nicht bei der ersten Vorwahldebatte beim ehemaligen Haussender mittun. Ein Tiefpunkt eines jahrelangen Beziehungsdramas.
21.08.2023, 15:0321.08.2023, 15:39
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Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Scheidungen noch nicht salonfähig. Filme, welche die verlogene Fassade der bürgerlichen Ehe einrissen, waren daher hoch im Schwange. Die bekanntesten Beispiele sind «Szenen einer Ehe» des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman oder Das Theaterstück «Wer hat Angst vor Virginia Woolf» von Eward Albee.

Donald Trump und Fox News führen seit Jahren eine politische Ehe. Sie ist nicht weniger stürmisch als die Ehedramen auf der Bühne und den Leinwänden in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Einen neuen Höhe- respektive Tiefpunkt hat die Beziehung des Ex-Präsidenten zu seinem zeitweiligen Hofsender in diesen Tagen erreicht: Trump weigert sich anscheinend, an der ersten Vorwahldebatte der republikanischen Präsidentschaftsanwärter teilzunehmen. Diese wird am kommenden Mittwoch auf Fox News ausgestrahlt.

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Hat Trump in Rage versetzt: Megyn Kelly, ehemalige Star-Moderatorin bei Fox News.Bild: AP/Invision

Im Wahlkampf 2016 war das Verhältnis der beiden noch zwiespältig. Wie die meisten Polit-Auguren betrachteten die Verantwortlichen des Murdoch-Senders Trumps Kandidatur zunächst als eine Art Witz und schätzten seine Aussichten auf Erfolg als minim ein. Daher wurde er bei den Vorwahldebatten auch hart angefasst. Die damalige Star-Moderatorin Megyn Kelly machte ihn auf sein – milde ausgedrückt – nicht gerade höfliches Verhalten gegenüber Frauen aufmerksam. Trump geriet darob derart in Rage, dass er nicht nur Kelly übel beschimpfte, sondern sich weigerte, an der zweiten Debatte mitzutun.

Als sich Trumps unaufhaltsamer Aufstieg deutlich abzuzeichnen begann, frass man bei Fox News Kreide und einigte sich mit ihm. Ja, man tat weit mehr. Moderatoren wie Sean Hannity wurden nun – man verzeihe mir für einmal den Ausdruck – zu Speichelleckern. (Es gäbe noch drastischere Ausdrücke, aber lassen wir das.) Die unterwürfige Haltung gegenüber Trump steigerte sich noch, als dieser ins Weisse Haus einzog. Fox News wurde definitiv zu einem Trump-Propaganda-Sender. Der Präsident konnte sich etwa jederzeit in die beliebte Morgensendung Fox & Friends einschalten und halbstundenlang Banalitäten absondern. Oder er soll auch fast täglich mit Sean Hannity telefoniert haben.

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Trumps Schosshund: Fox-News-Moderator Sean Hannity.Bild: keystone

Das änderte sich mit den Wahlen 2020. Die Nachrichtenabteilung von Fox News – sie weist im Gegensatz zu den Meinungs-Moderatoren noch Spuren von journalistischem Bewusstsein auf – meldete als erste TV-Station den Sieg von Joe Biden im Bundesstaat Arizona. Weil dies de facto einem Gesamtsieg von Biden gleichkam, rastete Trump aus. Sein Schwiegersohn Jared Kushner soll gar Rupert Murdoch persönlich angerufen und von ihm verlangt haben, die Meldung rückgängig zu machen. Vergeblich. Trump beschimpfte derweil Fox News und rief seine Anhänger auf, zur Konkurrenz von Newsmax und One America zu wechseln.

Mit den Monaten pendelte sich das Verhältnis zwischen den beiden wieder ein. Doch nach den Zwischenwahlen 2022 krachte es erneut. Trump hatte mehrere, teils idiotische Bewerber der Grand Old Party (GOP) unterstützt – erinnert ihr euch noch an Herschel Walker oder Dr. Oz? – und damit eine «rote Welle», einen Erdrutsch-Sieg der Republikaner verhindert.

Selbst bei Fox News konnte man diese Tatsache nicht einfach unter den Teppich kehren. Die Beziehung zu Trump kühlte sich merklich ab. Mit dem Segen von Rupert Murdoch wurde nun Ron DeSantis als Gegenkandidat aufgebaut. Dieser hatte die Gouverneurswahlen in Florida überzeugend gewonnen und war so zum neuen Hoffnungsträger der GOP geworden.

Die Tatsache, dass die kritiklose Unterstützung für Trumps Big Lie Fox News in einem Prozess mit dem Wahlmaschinenhersteller Dominion die Summe von 787 Millionen Dollar gekostet hatte, verbesserte das Verhältnis der beiden nicht wirklich. Als auch noch bekannt wurde, dass verschiedene Star-Moderatoren Trump in privaten E-Mails aufs Übelste beschimpft hatten – Tucker Carlson schrieb gar, er hasse ihn zutiefst und innig –, hing der Haussegen erneut sehr schief.

epa10798041 Ron DeSantis, Governor of Florida and presidential hopeful, attends the Iowa State Fair in Des Moines, Iowa, USA, 12 August 2023. DeSantis is campaigning ahead of the 2024 US presidential  ...
Hat es wohl vermasselt: Ron DeSantis.Bild: keystone

Die DeSantis-Rechnung scheint jedoch für Fox News nicht aufzugehen. Der Gouverneur aus Florida hat es bereits vermasselt. In den Umfragen liegt er mittlerweile meilenweit hinter Trump zurück. Er hat nicht nur ein «Beliebtheits-Problem», er beginnt auch, Anfängerfehler zu machen. So hat er kürzlich die Anhänger von Trump als «listless vessels» (blinde Schafe) bezeichnet. Das Trump-Team hat prompt reagiert und sofort Vergleiche zu Hillary Clintons missratener Formulierung vom «basket of deplorables» (Haufen von Bedauerlichen) gezogen.

Trump seinerseits will nun seine Rechnung mit Fox News begleichen. Er zeigt dem Murdoch-Sender den Mittelfinger und weigert sich, an der Vorwahldebatte mitzutun. Das ist ungefähr so, wie wenn die Rolling Stones ohne Mick Jagger auftreten würden. Der Prestige- und der finanzielle Schaden für Fox News dürfte beträchtlich sein.

Schlimmer noch: Trump hat angedeutet, während der Debatte ein bereits aufgezeichnetes Interview mit Tucker Carlson auf Twitter – sorry: X – auszustrahlen. Ausgerechnet mit Carlson. Dieser wurde von Fox News überraschend gefeuert, weil das finanzielle Risiko nicht mehr tragbar war. Auch der ehemalige Fox-News-Star brennt darauf, es seinem Sender heimzuzahlen.

FILE - Tucker Carlson, left, and former President Donald Trump, right, react during the final round of the Bedminster Invitational LIV Golf tournament in Bedminster, N.J., July 31, 2022. A defamation  ...
Gespielte Freundschaft: Tucker Carlson und Donald Trump.Bild: keystone

Trump wird möglicherweise gar noch eine Schippe nachlegen. Gerüchteweise will er sich am kommenden Donnerstag beim Gefängnis in Fulton County im Bundesstaat Georgia stellen. Dort hat die zuständige Staatsanwältin die vierte Anklage gegen den Ex-Präsidenten eingereicht. Sollte sich dieses Gerücht bewahrheiten, dann wird die Debatte auf Fox News endgültig zu einer Nebensache degradiert werden. Alle Augen, respektive alle Kameras, werden dann auf das Trump-Spektakel in Georgia gerichtet sein.

Trump will seine Rachegefühle ausleben, doch er könnte damit auch ein Eigengoal erzielen. Nicht nur Fox News, sondern auch der Ex-Präsident hat von der symbiotischen Beziehung profitiert. Auch beim Murdoch-Sender dürfte es daher jede Menge verletzter Egos geben und Trump hat mit seinem Verhalten ebenfalls eine grosse Rechnung aufgemacht, die darauf wartet, beglichen zu werden.

Dazu kommt, dass die Debattenweigerung alles andere als staatsmännisch wirkt. So stuft es Michelle Cottle in der «New York Times» als «kindisch und bedürftig» ein und spekuliert, dass Trump schlicht nicht mehr in der Lage sei, sich einer ordentlichen Debatte zu stellen.

FILE - Virginia Gov. Glenn Youngkin speaks prior to signing the budget at a ceremony, June 21, 2022, in Richmond, Va. Youngkin?s administration says that as the Republican governor weighs whether to r ...
Steigt er noch in den Ring? Glenn Youngkin, Gouverneur von Virginia.Bild: keystone

Gleichzeitig macht der Ex-Präsident das Fenster für seine Rivalen weit auf. Das könnte sich rächen. Sein Vorsprung in den nationalen Meinungsumfragen ist zwar beträchtlich, doch diese Umfragen sind weitgehend bedeutungslos. Entscheidend werden die ersten Resultate der Vorwahlen in den Bundesstaaten sein, und da sieht es für Trump nicht so gut aus. In Iowa und New Hampshire sind seine Werte durchzogen.

Ron DeSantis dürfte davon kaum profitieren. Doch mit Vivek Ramaswany zeichnet sich ein Überraschungskandidat ab. Sollte zudem Glenn Youngkin, der Gouverneur von Virginia, doch noch in die Hosen steigen, dann könnte es für Trump plötzlich eng werden. Vielleicht kriecht er dann bei Fox News wieder zu Kreuze und läutet so eine neue Episode der krisengeschüttelten Polit-Ehe ein.

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21 Kommentare
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Bongalicius
21.08.2023 16:44registriert Januar 2016
Schon traurig dass Amerikanische Politik so lustig ist...
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Ui...hoppla!
21.08.2023 18:52registriert Oktober 2022
Wenn man dies so liest, sind es einfach alle machtgetriebene Opportunisten. Egal was man sagt, hauptsache es gibt Wählerstimmen oder höhere Einschaltquoten. Einfach nur ein armseliges Schmierentheater. Ein erschreckendes Beispiel, das wir bei uns unbedingt eindämmen/verhindern müssen!
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Kokki
21.08.2023 17:37registriert Juli 2023
Höchste Zeit dass Trump endlich hinter Gitter kommt!
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