«Unser Ziel ist eine humane Alternative zum Genozid»: So gefährlich sind die Maga-Lenker
Hast du dich einmal gefragt, warum Elon Musk bei seinen Jubelauftritten für Donald Trump ein schwarzes «Make America Great Again»-Cap trägt, während der Präsident stets die rote Version bevorzugt? Weil sich Musk zur dunklen Maga-Bewegung zählt.
Bei einer Trump-Rallye in Pennsylvania am 5. Oktober 2024 jubelte die Menge, als Musk die Bühne betrat. Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die schwarze Schirmmütze und erklärte:
Auch wenn die Bromance zwischen Trump und Musk längst vorbei ist und sich die beiden Egos überworfen haben, lebt die dunkle Seite der Maga-Bewegung weiter – vermutlich auch in Musk selbst. Denn diese Bewegung existiert unabhängig von Trump. Sie hat sich den Trumpismus vielmehr zum Trittbrett gemacht, speist sie sich doch aus ähnlichen Kräften: aus der Lust an der Provokation, der Verachtung für Schwäche und dem Glauben an Erlösung durch Macht. Sie besteht aus einem diffusen Konglomerat von Techno-Reaktionären, Internet-Trollen und erzkonservativen Denkern.
Für sie ist Trump bloss ein Platzhalter
Für viele ihrer Vertreter ist Trump kein Messias, der Amerika erlösen wird, sondern bloss ein «Platzhalter für das, was nach seiner Präsidentschaft folgt». So formuliert es Hans Ulrich Gumbrecht, Literatur- und Kulturwissenschafter an der Stanford University. Von Trump selbst sei keine grosse gesellschaftliche Umwälzung oder politische Revolution zu erwarten – dafür fehle es ihm an Inhalten. Entscheidend aber sei, was nach diesen vier Jahren komme. Darauf bereiteten sich nun Musk und sein Umfeld vor. Zu diesem Kreis gehören zwei weitere wichtige Männer: der Investor Peter Thiel und Vizepräsident J.D. Vance.
Peter Thiel wurde zusammen mit Elon Musk reich, als die beiden in den frühen Nullerjahren ihren Bezahldienst PayPal verkauften. Seither ist Thiel als Investor tätig – und zunehmend auch als politischer Lenker mit dunklen Zukunftsvisionen. Der studierte Philosoph und libertäre Geist ist überzeugt, dass «Demokratie und Freiheit unvereinbar sind». Und Thiel ist gewissermassen der «Erfinder» von J.D. Vance: Er investierte 15 Millionen Dollar in dessen Wahlkampf als Senator und überzeugte schliesslich Donald Trump, Vance zu seinem künftigen Vizepräsidenten zu machen.
Die dunkle Seite der Maga-Bewegung ist zugleich radikaler und intellektueller als Trump und seine Anhänger. Sie will Amerika nicht nur «wieder grossartig machen» – sie denkt grösser. Sie wittert die Chance, eine neue Weltordnung zu schaffen: eine, in der nicht die Mehrheit, sondern die Elite das Sagen hat. Und in der Fortschritt nicht länger durch Moral und Gesetze gebremst wird.
Der Staat soll wie eine Firma geführt werden
2012 verfasste der britische Philosoph Nick Land den Essay «Dunkle Aufklärung». Darin bezieht er sich auf Immanuel Kant und die Denker der Aufklärung – sieht in ihrem Projekt jedoch einen fundamentalen Irrtum. Die Aufklärer, so Land, seien von falschen Annahmen über den Menschen ausgegangen: In Wahrheit sei dieser weder vernünftig noch gleich, und auch nicht zur kollektiven Selbstbestimmung fähig.
Nick Land says nothing human makes it out of the near-future and e/acc, while being good PR, is deluding itself to think otherwise pic.twitter.com/CkGKUebhye
— Tsarathustra (@tsarnick) October 13, 2024
Somit ist auch die Demokratie zum Scheitern verurteilt. Die Mehrheit liegt falsch, weil sie nicht von der Vernunft, sondern von Begierden geleitet wird. Die «dunklen Seiten des Menschen», so Land, hätten die Aufklärer zu wenig ernst genommen. Diesen Fehler will er mit der «Dunklen Aufklärung» korrigieren.
Für Winston Churchill, den Land zitiert, ist «die Demokratie die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen, die bislang versucht worden sind». Dieses Bonmot wird, ganz im Sinne des ehemaligen britischen Premiers, gewöhnlich als Plädoyer für die Demokratie verstanden: Sie ist zwar nicht perfekt, aber eben doch klar besser als alle Alternativen. Land hingegen nimmt Churchill wörtlich – und sucht nach einer besseren Alternative.
Diese bessere Regierungsform glaubt Land in einer «Regierungs-AG» zu finden – einem Staat, der wie ein Unternehmen geführt wird. Die Einwohner wären darin keine Bürger mehr, sondern bloss Kunden: «Für sie besteht keinerlei Notwendigkeit mehr, sich um Politik zu kümmern.» Die Eigentümer des Staates hingegen würden – entsprechend ihrem Anteilsschein – den CEO bestimmen, dessen Aufgabe es ist, sowohl die Aktionäre als auch die Kunden, also die Einwohner, zufriedenzustellen.
Land schreibt:
Gelinge dies nicht, könnten die Einwohner einfach künden und sich einem anderen Staat anschliessen. «Keine Stimme, freier Exit», lautet der Grundsatz der Regierungs-AG. Als liesse sich der Staat ebenso leicht wechseln wie der Streaming-Anbieter oder die Telekomfirma.
Wer nicht performt, wird ausrangiert
In seinem Essay bezieht sich Land auf den neo-reaktionären US-Blogger Curtis Yarvin, der den Begriff des CEO-Staats geprägt hat. Yarvin, damals bloss als Blogger in den dunklen Ecken des Netzes bekannt, gilt heute als Vordenker der neuen Rechten. Zu Trumps zweiter Amtseinführung wurde er zum sogenannten «Königsball» eingeladen, organisiert von einer rechten Denkfabrik.
Vizepräsident J.D. Vance bezog sich in Interviews mehrfach auf Yarvins Gedanken und bezeichnete ihn als einen seiner geistigen Einflüsse. Leitmedien wie CNN, die «New York Times» oder der «New Yorker» interviewten Yarvin oder widmeten ihm ausführliche Porträts.
Wie Land glaubt auch Yarvin an die Herrschaft der Elite und spricht sich für eine Form von Techno-Eugenik aus: Der Mensch soll mit den Mitteln moderner Technologie – also durch Genetik, künstliche Intelligenz, Neuroengineering und Biotechnologie – gezielt optimiert werden.
Und was geschieht mit jenen, die es bereits gibt, die aber nicht ins Idealbild passen? Auch dafür hat Yarvin eine Lösung. Kurz: Einzelhaft mit Virtual-Reality-Brillen. So könnten die weniger Begabten dennoch ein «reiches und erfülltes Leben führen». Eine «Säuberung» im Sinne des IQs, die er gar nicht zu beschönigen versucht: «Unser Ziel», schreibt er in einem Essay, «ist eine humane Alternative zum Genozid.»
Dieselben Feinde, aber andere Ziele
Damit wird deutlich, wie weit die radikalen Ideen der dunklen Aufklärer von den Lebensrealitäten jener Trump-Wähler entfernt sind, die die Maga-Bewegung tragen. Sie haben sich ihr angeschlossen, weil sie sich abgehängt fühlen und sie Trump zutrauen, ihnen in einer neuen, konservativen Gesellschaftsordnung wieder Bedeutung und Wohlstand zu verschaffen.
Die dunklen Aufklärer teilen inhaltlich nur wenig mit der öffentlich sichtbaren Maga-Bewegung. Doch sie haben dieselben Feinde – und dieselbe Strategie.
Die Feinde sind die Hüter der alten Weltordnung – jene, die an die Kraft der Gesetze glauben: Politiker, Beamte, Juristen. Die Strategie, mit der sie gegen sie kämpfen, besteht darin, Probleme mit neuen, radikalen Methoden anzugehen und alte (demokratische) Strukturen einfach zu zertrümmern. Oder, wie ein oft zitiertes Motto aus dem Silicon Valley lautet: «Move fast and break things.»
Welche neue Weltordnung aus den Trümmern der alten entstehen soll, darüber herrscht keine Einigkeit. Dass Tech-Oligarchen und populistische Führer nur vordergründig auf derselben Linie liegen, zeigte sich diesen Frühling im Zerwürfnis zwischen Elon Musk und Donald Trump. Diese Entfremdung nährt die Lesart, dass Trump für «Dark Maga» bloss ein «Platzhalter» ist – für das, was danach kommt.
