Jeff Zucker, der ehemalige CNN-Präsident, bekannte nach dem überraschenden Wahlerfolg von Donald Trump im November 2016 reumütig: «Wir haben einen Fehler gemacht. Wir haben wahrscheinlich viel zu viele Trump-Rallys live übertragen.»
Diese Einsicht wird von den Medienexperten geteilt. Obwohl die Mainstream-Medien Trump verabscheuen, haben sie ihm sehr viel Raum eingeräumt, denn er war zwar schlecht für die Politik, aber gut fürs Geschäft. Nicht nur bei Fox News, auch bei CNN und MSNBC explodierten dank Trump die Einschaltquoten.
Hätten die Mainstream-Medien Trump nicht so gross gespielt, wäre er wohl kaum je ins Weisse Haus eingezogen. Die Berichterstattung ging so weit, dass minutenlang der Trump-Jet auf der Rollbahn gezeigt wurde, inklusive der übergrossen Aufschrift. Diese Gratis-Werbung in der Höhe von hunderten von Millionen Dollar hat ihre Wirkung nicht verfehlt.
Haben die Medien aus ihren Fehlern gelernt? Bisher scheint dies nicht der Fall zu sein. CNN hat am Mittwoch eine sogenannte Town Hall mit Trump ausgestrahlt, ein Live-Interview, das 70 Minuten dauerte und vor Zuschauern stattfand, die grossmehrheitlich Fans des Ex-Präsidenten sind. Chris Licht, der neue starke Mann bei CNN, will den Sender wieder mehr ins politische Zentrum rücken.
David Zaslav, CEO der Muttergesellschaft von CNN, bezeichnete diese Town Hall gar als «wichtig für Amerika» – eine sehr steile These. Zwar hat CNN mit der Moderatorin Kaitlan Collins eine vermeintlich gute Wahl getroffen. Collins war während der Ära Trump Korrespondentin im Weissen Haus und ist dabei mit hartnäckigen Fragen aufgefallen, so hartnäckig, dass Trump ihre Fragen nicht mehr beantworten mochte.
Genutzt hat es gar nichts. Im TV-Format einer Town Hall mit einem freundlich gesinnten Publikum fühlt sich Trump so wohl wie ein Fisch im Wasser. Angefeuert vom Gelächter seiner Fans, hat er Collins gnadenlos mit einer Lügenflut niedergewalzt. Hier ein paar Beispiele:
Es ist sattsam bekannt, dass Trump schamlos lügt. Neu ist, dass der Ex-Präsident auch nicht davor zurückschreckt, die USA ins wirtschaftliche Chaos zu stürzen. So fordert er die republikanischen Abgeordneten auf, die Schuldenobergrenze nicht zu erhöhen, obwohl dies katastrophale Folgen haben würde. «Ich sage allen Republikanern, Abgeordneten und Senatoren, wenn ihr keine massiven Einsparungen zugesprochen erhaltet, dann dürft ihr nicht nachgeben», erklärte er auf eine entsprechende Frage der Moderatorin.
Im Wahlkampf 2016 war Trump ein politischer Exot, dem niemand ernsthafte Chancen auf einen Sieg einräumte. Er sorgte für Quoten, Klicks und Gaudi. Wahrscheinlich wird Trump 2024 wieder der Präsidentschaftskandidat der Grand Old Party sein, doch diesmal ist die Ausgangslage für die Medien eine andere. Sie wissen, dass man Trump nicht unterschätzen darf, dass beispielsweise eine schwere Wirtschaftskrise oder ein Wiederaufflackern der Inflation es möglich machen könnten, dass er erneut die Wahlen gewinnt.
Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich die Frage: Können die Mainstream-Medien erneut Trump so viel Platz einräumen? Dürfen sie ihn in Sendungen einladen, in denen er ungebremst seine Lügen verbreiten darf? Wollen sie wieder seine Rallys mit seinem wirksam publizierten Privatjet im Hintergrund übertragen?
Mit anderen Worten: Sind die Medien wirklich so blöd respektive so gierig, dass sie Lenins Spruch bestätigen, wonach die Kapitalisten auch noch den Strick verkaufen, an dem sie aufgehängt werden?
Es besteht kein Zweifel, dass eine zweite Amtszeit von Trump katastrophale Folgen hätte, ja wahrscheinlich das Ende der amerikanischen Demokratie bedeuten würde. Schon jetzt macht sein Beispiel Schule. So wurde ebenfalls am Mittwoch George Santos, ein republikanischer Abgeordneter aus New York, wegen mehrfachen Betrugs angeklagt.
Santos ist der linkische Bruder von Trump. Er hat sich einen Ruf als grösster Lügenbold der jüngeren Geschichte geschaffen. Anscheinend hat er auch im grossen Stil betrogen. Gemäss der Anklageschrift soll er Wahlkampfspenden für private Ausgaben missbraucht und während des Lockdowns Arbeitslosengeld bezogen haben, obwohl er zu diesem Zeitpunkt über ein Einkommen von über 100’000 Dollar verfügte.
Santos mag zwar eine schlechte Kopie von Trump sein, aber dessen Grundlagen hat er begriffen: Obwohl die Beweislast gegen ihn erdrückend ist, streitet er alles ab und stellt sich als Opfer einer politischen Hexenjagd dar. Mit Erfolg: Die Führung der GOP denkt nicht daran, ihn aus der Fraktion auszuschliessen.
Das ist der einzig richtige Ansatz: Call them out! Nicht normalisieren, nicht weg schauen. Drauf zeigen und erklären wie und warum das alles andere als "Normal" ist.
Jeder der trotzdem seine Stimme für Mango-Mussolini gibt, soll sich dann einfach nicht wundern, wenn sich die USA plötzlich in einem Bürgerkrieg wiederfindet.
In der USA wird man sich in der kommenden Präsidentschaftswahl entscheiden müssen zwischen Demokratie oder faschistischer Kleptokratie à la Russland. Nicht weniger. Good luck, world.