Es sind unfassbare Bilder: Mehrere Personen steigen auf der Route auf den K2 über einen sterbenden Menschen. Keiner hilft, obwohl der Berghelfer Muhammad Hassan noch mehrere Stunden lebt und gar nach den Knöcheln der vorbeigehenden Bergsteiger gegriffen haben soll. Wie ist so etwas möglich? Die Details der Geschichte zeichnen einen giften Cocktail:
Es gibt verschiedene Schilderungen dazu, wie es zum Unfall kam. Klar ist jedoch, dass die Bedingungen bei der Besteigung des K2-Gipfels am 27. Juli alles andere als ideal waren. «Bei solchen Bedingungen gehe ich nicht einmal auf den Dachstein [ein Gipfel in Österreich]», sagte zum Beispiel die Extremsportlerin und erfahrene Bergsteigerin Sabrina Filzmoser zum Standard. Sie war an jenem Tag vor Ort, entschied sich jedoch, im Basiscamp zu bleiben und die Besteigung abzubrechen.
Im Gespräch mit Explorersweb gaben gleich mehrere Bergsteigerinnen zu jenem Tag an, dass sie beim Aufstieg von Lawinen getroffen wurden. Auch der 27-jährige Hassan soll von einer Lawine getroffen worden sein. Danach driften die Augenzeugenberichte auseinander. So erzählen einige, dass er mit seinem Kopf auf dem Gestein aufgeschlagen sein soll. Andere wiederum meinen, seine Sauerstoffmaske sei dabei zu Bruch gegangen.
Nach dem Sturz habe der Helfer über eine Stunde kopfüber über dem Abgrund gehangen und geschrien. Er wurde schliesslich von zwei Sherpas auf den Weg zurückgezerrt. «Zuerst war er noch am Leben, aber er konnte nicht gerettet werden. Dann mussten alle über ihn steigen, um zum Gipfel zu gelangen», sagt Bergsteigerin Allie Pepper, die ebenfalls vor Ort war. Die Drohnenaufnahmen des Österreichers Philip Flämig zeigen allerdings, dass Hassan noch mehrere Stunden um sein Leben kämpfte.
Erschreckenderweise wurde der Verunglückte bereits vor dem Aufstieg gleich von mehreren Sherpas gewarnt. Er sei nicht genügend gerüstet für eine Gipfelbesteigung. Zudem attestierten diverse Augenzeugen, Hassan sei ein sehr unerfahrener Helfer gewesen. Es war sein erster Einsatz als Höhenträger, vorher arbeitete der Pakistani ausschliesslich im Basislager. Warum also begibt sich so jemand auf eine Gipfelbesteigung auf den gefährlichsten Berg der Welt?
«Er musste mehr Geld verdienen, um für seine kranke Mutter zu sorgen», sagt Flämig. Hassan hat in seiner Heimat für eine Familie mit drei Kindern zu sorgen. Je höher man in der Helfer-Hierarchie aufsteigt, je mehr Risiko man eingeht, desto mehr Geld verdient man. «Jeder will irgendwann Kunden auf den K2 führen, weil er da das meiste Geld kriegt. Die erfolgreichen pakistanischen Bergsteiger inspirieren die Jungen, und das geht dann auch sehr schnell, bis sie zum K2 kommen», sagt Bergsteigerin Filzmoser.
Sogar die Ausrüstung wird von den Helfern selbst auf ein Minimum beschränkt. Sie kriegen zwar ein gewisses Budget vom Veranstalter, ein Grossteil davon wird aber in die Heimat geschickt, ist sich Filzmoser sicher: «Gibst du ihnen Socken, verkaufen sie die.»
Hassans Arbeitgeber, Lela Peak Expedition, hat sich bislang keinen Fragen über den Tod des 27-Jährigen gestellt. Klar ist allerdings, dass es eine gewisse Spannung zwischen den nepalesischen Sherpas und den schlechter ausgebildeten – und deshalb billigeren – Hilfskräften aus Pakistan gibt. Die Agenturen weichen immer stärker auf Arbeitskräfte aus Pakistan aus, um die Preise für die Expeditionen noch weiter zu drücken.
Die Sherpas hingegen fürchten um ihr Geschäft: «Sie sehen, dass sich die pakistanischen Hochträger auch immer besser in dem Gelände bewegen, aber sie wollen sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen», sagt Flämig zum Standard. Weiter sind die Pakistanis kaum geschützt. Hassans Familie zum Beispiel ist für dessen Tod nicht abgesichert. Mittlerweile haben Flämig und andere Bergsteiger Geld gesammelt und dieses der Familie gespendet.
Wie es zum Absturz kam, ist also auf mehrere Gründe zurückzuführen. Warum aber half niemand dem um sein Leben kämpfenden Hassan? Berichten zufolge hätten an diesem Tag zwischen 200 und 250 Personen eine K2-Gipfelbesteigung gewagt.
Um einen einzigen Arbeitgeber drängen sich gleich mehrere Sherpas und noch mehr Helfer. Für diesen sind sie persönlich verantwortlich: «Die sind fast schon überfordert damit, dass ihr Kunde überlebt. Bei diesen Bedingungen war es schon für die Sherpas unmenschlich. Aber die Sherpas, die ich kenne, würden nicht umdrehen, die kriegen ja auch einen Gipfelbonus», sagt Filzmoser.
Viele der erfahrenen Bergsteiger sind also davon absorbiert, ihre Kunden sicher auf den Gipfel und wieder runter zu bringen. Das prangert auch Bergsteigerlegende Reinhold Messner an, der den K2 bereits 1979 ohne Sauerstoff bezwang: «Das ganze Drama ist die Tatsache, dass diese Klienten zu 99 Prozent keine Fähigkeit und keine Erfahrung haben», sagt er im Interview mit dem Blick. Früher hätten sich die Bergsteiger gegenseitig geholfen. Das sei heute nicht mehr der Fall, sagt Messner.
Doch nicht nur die unerfahrenen Bergsteiger bringen die Dienstleister vor Ort an ihre Grenzen. Es sind auch die Extremsportler. Immer höher, immer schneller und unter immer schwierigeren Bedingungen müssen die Ziele erreicht werden.
So feierte die Norwegerin Kristin Harila am selben Abend ihre Rekorde im Basecamp. Beim Abstieg mussten sie und ihr Team über den leblosen Körper von Hassan steigen. Harila bezwang als erster Mensch die 14 höchsten Gipfel der Erde in nur 92 Tagen. Der Aufstieg auf den K2 war der letzte. Zeit für die Rettung einer unerfahrenen Hilfskraft aus Pakistan blieb dabei nicht.
Frank N. N. Stein
caro90
Randy Orton
Freund der direkt vor Muhammed an 1. Stelle war diesen zurück auf den Weg gezogen - der Kameramann ist dann weiter und hat zu Harila aufgeschlossen, die auf dem Gipfel fröhlich ein Video drehte, wo sie Sponsoren etc dankt…