Russland: Schulen verfallen, während Putin Milliarden in Krieg investiert
Während Russland bis jetzt schon weit über 200 Milliarden Euro für den Krieg in der Ukraine ausgegeben hat, verfallen viele Schulen in den russischen Provinzen. Mindestens 31 russische Schulen haben in den vergangenen zwei Jahren während des laufenden Schulbetriebs Teile ihrer Dächer, Decken oder Wände verloren. Das geht aus einem Bericht der unabhängigen Plattform «Meduza» hervor, die sich auf Auswertungen des regionalen Mediennetzwerks «7×7» und des Datenprojekts «To Be Exact» stützt.
Laut diesen Angaben befanden sich im Jahr 2024 knapp ein Viertel aller Schulen in Russland in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Besonders betroffen waren die Regionen Murmansk, Kirow, Karelien sowie die Republik Kabardino-Balkarien. Dort wiesen zwischen 64 und 77 Prozent der Schulgebäude strukturelle Mängel auf.
Hinzu kommen eklatante Defizite bei der Grundversorgung: In der Republik Tuwa verfügten über zwei Drittel der Schulen über keine zentrale Heizung, in Kalmykien und Inguschetien traf das auf mehr als ein Drittel zu. Russlandweit hatten fünf Prozent der Schulen weder Heizung noch fliessendes Wasser, sechs Prozent waren nicht ans Abwassersystem angeschlossen. Besonders gravierend war die Lage auch in Dagestan und in der Region Sacha, wo mehr als 40 Prozent der Schulen ohne Abwasserinfrastruktur betrieben wurden.
510 Schulgebäude offiziell nicht mehr sicher
Ein besonders drastisches Beispiel beschreibt «Meduza» aus dem Dorf Woloma in Karelien. Dort mussten Kinder ein Jahr lang einen Eimer als Toilettenersatz benutzen, da die Schultoilette kein fliessendes Wasser hatte. Die Schulleitung verteidigte laut einem lokalen Aktivisten den Zustand mit den Worten, die Erstklässler seien ohnehin «mehr an den Eimer als an eine Toilette gewöhnt».
Insgesamt galten 2024 landesweit 510 Schulgebäude offiziell als nicht mehr sicher. Besonders viele davon lagen in der Republik Tuwa, wo jedes zehnte Gebäude als unbrauchbar eingestuft wurde. Dagestan und die Region Sacha folgten mit sechs beziehungsweise fünf Prozent.
Sinkende Schülerzahlen im ländlichen Raum
Irina Abankina, Direktorin des Instituts für Bildungsentwicklung an der Hochschule für Ökonomie in Moskau, erklärte «Meduza», dass der Grossteil der Schulen in kommunaler Hand sei. «Die kommunalen Budgets sind sehr unterschiedlich ausgestattet», sagte sie. Vor allem ländliche Schulen hätten schlechte Perspektiven, da sie von den Behörden als wenig zukunftsträchtig angesehen würden. Aufgrund sinkender Schülerzahlen blieben Investitionen in die Sanierung häufig aus.
Ein Beispiel für die Folgen dieser Vernachlässigung ist eine Schule in der Region Nowosibirsk, die im September einstürzte. Das Gebäude stammte aus dem Jahr 1937; ein geplanter Neubau aus den 1990er-Jahren war nie fertiggestellt worden. Erst 2023 wurde das Projekt erneut aufgenommen, der Baufortschritt bleibt jedoch schleppend. Behörden kündigten nun an, den Neubau bis zum Schuljahr 2026/2027 abzuschliessen.
«Dann finden wir eben jemanden, der unterschreibt»
Lehrkräfte und Schüler berichteten, dass der Zustand der alten Schule schon lange besorgniserregend gewesen sei: bröckelnder Putz, wackelige Wände und regelmässig herabfallender Staub gehörten zum Alltag. Einige Eltern erklärten, sie hätten sich wiederholt an die Schulleitung gewandt, jedoch keine Rückmeldung erhalten. Andere behaupteten, die Direktorin selbst habe vor dem Einsturz bei den Behörden gewarnt.
Ein ehemaliger Schulleiter aus derselben Region berichtete «7×7», dass Schulleitungen mit Konsequenzen rechnen müssten, wenn sie zu laut auf Reparaturen drängten. Die jährlichen Inspektionen seien häufig oberflächlich, Mängel würden ignoriert. «Wenn ein Direktor den Bericht nicht unterschreibt und auf Reparaturen vor Schulbeginn besteht, heisst es: ‚Dann finden wir eben jemanden, der unterschreibt‘», zitierte ihn das Portal.