Dänemark erhöht Alarmbereitschaft – Kritik und Verunsicherung in der Bevölkerung
Dänemark hat angeblich seinen NATO-Verbündeten mitgeteilt, dass ein «staatlicher Akteur» mit den Drohnen-Aktivitäten und damit verbundenen Verletzungen des dänischen Luftraumes in Verbindung stehe.
Dies sagte die lettische Aussenministerin Baiba Braze laut der Nachrichtenagentur Reuters. Doch der dänische Aussenminister dementierte kurz darauf.
Zuvor hatte die dänische Regierung im Zusammenhang mit den bedrohlichen Drohnen-Aktivitäten von einem «professionellen Akteur» gesprochen.
Behörden informierten
Die Spitzen der politischen Parteien Dänemarks sind am frühen Donnerstagabend zu einer Besprechung ins Justizministerium einbestellt worden. Und später am Abend folgte eine Orientierung der Nationalpolizei.
Es gebe keine Informationen, die es erlauben würden, die Urheber zu benennen, sagte der Leiter des Militärgeheimdienstes FE, Thomas Ahrenkiel, bei der Pressekonferenz am Abend. «Wir befinden uns in einer ernsten Situation», sagte er.
Zuvor hatte der Nationale Krisenstab die Einsatzbereitschaft erhöht. Die Regierung zieht in Betracht, den NATO-Artikel 4 zu aktivieren und damit wie zuletzt andere Bündnisstaaten Beratungen des transatlantischen Verteidigungsbündnisses in Gang zu setzen.
Die gesamte dänische Polizei ist in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, wie schon bei den islamistischen Terroranschlägen in Kopenhagen 2015.
Rückmeldungen aus der Bevölkerung zeigen eine gewisse Konsternation, weil die Behörden scheinbar machtlos zuschauen mussten bei den Drohnenflügen.
Der nationale Polizeichef sei seiner Verantwortung nicht nachgekommen, kritisierte die Dänische Volkspartei.
Die Nationalpolizei hat inzwischen die Bevölkerung aufgerufen, verdächtige Drohnenaktivitäten mit dem Smartphone zu filmen und den Behörden zu melden.
Der Chef des dänischen Militärgeheimdienstes (PET), Finn Borch, sagte am Donnerstagabend:
Das Abschiessen von Drohnen sei möglich, sagte der Geheimdienstchef. «Wir haben die Kapazitäten. Sowohl unsere eigenen als auch die der Streitkräfte, um sie zum Stillstand zu bringen oder abzuschiessen.»
Die 12 Polizeidistrikte seien autorisiert worden, Drohnen im dänischen Luftraum abzuschiessen.
Warum wurde der Alarmzustand erhöht?
Im Laufe des Donnerstags wurden immer neue Drohnensichtungen in Dänemark gemeldet, darunter über kritischer Infrastruktur wie Militäranlagen, Ölfeldern und Häfen. Von Schiffen in der Nordsee wurden ebenfalls Sichtungen gemeldet, bestätigt sind diese nicht.
Der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen sagte, die Drohnen-Überflüge sähen nach einer systematischen Operation aus. «Es ist die Rede von etwas, das ich als einen hybriden Angriff mit verschiedenen Typen von Drohnen definiere». Eine direkte militärische Bedrohung gegen Dänemark gebe es aber nicht.
Die dänischen Streitkräfte haben gemäss dänischen Medien bestätigt, dass Drohnen an mehreren Militärstandorten beobachtet wurden – unter anderem auf dem Luftwaffenstützpunkt Skrydstrup und bei der Kaserne des Jydske Dragon Regiments in Holstebro.
Dies liess der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks, Christian Raabjerg Madsen, am Donnerstag auf der Social-Media-Plattform X verlauten. Die Äussserung erfolgte, nachdem die Regierung von mehreren Oppositionsparteien heftig kritisiert worden war.
Der Sicherheitsberater und ehemalige Chefanalyst des dänischen Militärgeheimdienstes Jacob Kaarsbo sagte in einem aktuellen Interview:
Und zu den Urhebern der Attacken sagte er:
In der dänischen Bevölkerung ist die Verunsicherung gross nach dem wiederholten Eindringen grosser Drohnen in den geschützten Luftraum rund um mehrere dänische Flughäfen. Wie die Tageszeitung «Jyllands-Posten» berichtet, riefen in den vergangenen Tagen mehrere besorgte Kinder bei einer Kinder-Helpline an. Sie hätten befürchtet, dass die Drohnenflüge im dänischen Luftraum einen bevorstehenden Krieg bedeuten.
Die Organisatoren der Telefon-Seelsorge gingen davon aus, dass sich in den nächsten Tagen noch mehr Bürgerinnen und Bürger melden werden.
Welche neuen Drohnen-Sichtungen gibt es?
Nur zwei Tage nach dem umfassenden Drohnenalarm am Flughafen Kopenhagen vom Montagabend waren am späten Mittwochabend bis in die Nacht zum Donnerstag weitere, relativ grosse Drohnen über einer Reihe von dänischen Flughäfen gesichtet worden. Am Flughafen Aalborg im Norden des NATO-Landes musste vorübergehend der Luftraum gesperrt werden.
Auch in der Nähe der Flughäfen in der wichtigen Hafenstadt Esbjerg, in Sønderborg nahe der deutschen Grenze sowie in der Kleinstadt Billund wurden Drohnen beobachtet. Ebenso am Militärflugplatz Skrydstrup. Alle diese Orte befinden sich in Jütland, dem westlichen Teil von Dänemark, der im Süden an Deutschland grenzt. Eine Gefahr für Flugpassagiere und Menschen habe nicht bestanden, teilten die zuständigen Polizeidienststellen mit.
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sprach schon nach den Vorfällen am Montag vom «bislang schwersten Anschlag auf dänische kritische Infrastruktur». Wer dahintersteckt, ist offiziell unklar. Frederiksen wollte eine Verantwortung Russlands nicht ausschliessen. Der Kreml dementierte eine Verwicklung.
Drohnenalarm in der Heimat der Regierungschefin
In der Nacht auf Donnerstag musste auch der Flughafen in Aalborg – der Heimatstadt von Frederiksen, die als entschiedene Unterstützerin der Ukraine gilt – vorübergehend für Starts und Landungen gesperrt werden. Da der Flughafen deutlich kleiner als der Hauptstadtflughafen ist und die Drohnen erst am späten Mittwochabend gesichtet wurden, mussten lediglich vereinzelte Flüge umgeleitet oder gestrichen werden. Nach wenigen Stunden wurde der Luftraum wieder freigegeben.
Die Drohnenaktivität in Aalborg ähnele derjenigen in Kopenhagen, sagte der Chef der dänischen Reichspolizei, Thorkild Fogde, während einer nächtlichen Pressekonferenz. Man sehe ein ähnliches Muster, die Drohnen seien gut sichtbar und mit eingeschaltetem Licht unterwegs.
Die Polizei vor Ort sprach von mehreren Drohnen einer gewissen Grösse – die Reichspolizei schloss bereits aus, dass es sich um private Modelle handelte.
Bei dem Vorfall in Kopenhagen war von Polizeiseite bislang von einem «fähigen Akteur» die Rede, also von Tätern, die die nötigen Fähigkeiten und Werkzeuge haben, um ein solches Manöver zu bewerkstelligen – entweder, um dadurch Unruhe zu stiften, oder möglicherweise auch bloss, um auszutesten, wie lange ihre gut sichtbaren Drohnen in der Luft ungestört bleiben.
Wie reagiert die NATO?
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat Dänemarks Ministerpräsidentin Frederiksen nach dem neuen Drohnenalarm Solidarität und enge Kooperation zugesichert.
Man nehme die Situation sehr ernst, schrieb Rutte nach einem Gespräch mit Frederiksen bei X. Die Alliierten arbeiteten gemeinsam daran, die Sicherheit der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten.
In Deutschland sprach Verteidigungsminister Boris Pistorius von einer neuen Realität, «mit der wir umgehen». Drohneneinsätze gehörten zur Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putins, ohne «dass wir es in dem Fall konkret sagen könnten», sagte Pistorius.
Quellen
- jyllands-posten.dk: Aktueller Live-Ticker der grössten dänischen Tageszeitung zu den Vorfällen
- dr.dk: Live-Ticker zu den Vorfällen
- Mit Material von Keystone-SDA