«Das ist Bullshit», sagt Dan Nepstad zu dieser Aussage. Er ist einer der führenden Amazonas-Forscher der Welt. Gegenüber «Forbes» führt er aus:
«Das ist wissenschaftlich nicht fundiert. Der Amazonas produziert viel Sauerstoff, aber braucht den gleichen Betrag für die Zellatmung wieder auf. Es ist ausgeglichen.»
Zustimmung kommt von Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich. Gegenüber dem SRF sagt er, dass der Sauerstoff, der im Amazonas entsteht, von diesem auch wieder verbraucht werde. Von der Lunge der Welt zu sprechen sei nicht korrekt.
Fazit: Stimmt nicht.
Die Anzahl der Feuer ist zwar um 80 Prozent höher als im Vorjahr. Im Vergleich zum Durchschnitt der letzten zehn Jahre ist es aber nur ein Anstieg um sieben Prozent.
Einer der führenden brasilianischen Umweltjournalisten, Leonardo Coutinho, sagte zu «Forbes», dass während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Lula (Arbeiterpartei) und Umweltministerin Marina Silva (2003 – 2009) im Amazonas die höchste Zahl an Feuern registriert wurde.
Coutinho berichtet seit zehn Jahren direkt aus dem Amazonas. Er sagt: «Was derzeit im Amazonas passiert, ist nicht aussergewöhnlich. Such mal auf Google nach Amazonas-Artikeln aus der Zeit, als Lula Präsident war [...]. Die jetzige Lage rechtfertigt keine globale Hysterie.»
Was jedoch eingerechnet werden muss: Die Dürreperiode steht in Brasilien noch an. Das heisst, dass die Anzahl der Brände im Verlauf des Jahres noch signifikant ansteigen könnte.
Fazit: Stimmt (noch) nicht.
Brennen die «Kathedralen» des Amazonas nieder? Nein, meint Nepstad: «Ich hab die Fotos gesehen, die Macron und DiCaprio retweeted haben. So wie auf den Bildern brennen die Wälder im Amazonas nicht.»
Our house is burning. Literally. The Amazon rain forest - the lungs which produces 20% of our planet’s oxygen - is on fire. It is an international crisis. Members of the G7 Summit, let's discuss this emergency first order in two days! #ActForTheAmazon pic.twitter.com/dogOJj9big
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) August 22, 2019
Das Problem sei, dass man nicht genau wisse, wie stark der Amazonas wirklich brennt. Wenn ein Satellit ein Feuer entdeckt, sagt er uns nicht, ob ein Feld oder vertrocknetes Gestrüpp brenne, führt Nepstad aus. Und: Das Auge aus dem Weltall übersieht meistens die Waldbrände, die unter dem Dach der Baumkronen wüten. Diese «Low Fire» erreichen nur eine Höhe von 50 bis 100 cm, richten aber den grössten Schaden an – insbesondere in Dürrejahren.
Da viele Gebiete vom Rauch verdeckt sind, kann man jetzt aber noch nicht abschätzen, wie stark die Feuer tatsächlich gewütet haben.
Fazit: Man weiss es nicht.
Vor allem in den sozialen Medien, aber auch in der internationalen Presse wurde schnell ein Sündenbock für die Brände gefunden: Jair Bolsonaro.
Welchen Einfluss hat Bolsonaro auf die aktuelle Lage? Hier gehen die Meinungen verständlicherweise auseinander. Eines ist klar: Er betrachtet den Regenwald als wirtschaftlich ungenutztes Potenzial und kündigte an, keine neuen Schutzgebiete im Amazonasgebiet auszuweisen und weitere Rodungen zuzulassen.
Dazu kommen Berichte, dass unter der Regierung Bolsonaros die Strafverfolgung von illegalen Rodungen leide. Jüngste Zahlen zeigen ausserdem, dass es im Jahr 2019 einen markanten Anstieg an Brandrodungen gegeben hat, wohl ermutigt durch die Brandreden Bolsonaros.
Aber die gesamte Schuld Bolsonaro zuzuschieben, wäre zu einfach. Denn illegale Rodungen gibt es nicht erst seit diesem Jahr.
Nepstads Kommentar: «Ich mag das internationale Narrativ nicht; es polarisiert und spaltet die Gesellschaft. Bolsonaro sagte lächerliche Dinge und nichts davon ist entschuldbar, aber es gibt auch einen grossen Konsens gegen unbeabsichtigte Feuer. Wir müssen da ansetzen.»
Fazit: Bolsonaro trägt Mitschuld, kann aber nicht alleine verantwortlich gemacht werden.