International
Coronavirus

Corona in Portugal – von einem Extrem ins andere

Corona in Portugal – von einem Extrem ins andere

Noch im Januar stand das Gesundheitssystem Portugals kurz vor dem Kollaps. Doch dann gelang die Kehrtwende – eine Chronologie in 4 Punkten.
28.04.2021, 12:4229.04.2021, 09:45
Mehr «International»

Die wuchtige zweite Welle

Noch bevor sich Portugal richtig von der ersten Welle erholen konnte, schlitterte das Land bereits zu Beginn des Jahres in die zweite. Sowohl die Fallzahlen als auch die Todeszahlen schossen in die Höhe, das sowieso schon angeschlagene Gesundheitssystem geriet an seine Grenzen. Der Höhepunkt wurde mit 16'432 Neuinfektionen am 28. Januar erreicht.

Portugals Lockdown hat sich gelohnt: Seit 9 Monaten erstmals kein Todesfall mehr.
Ende Januar sah die Situation in Portugal noch düster aus.Bild: jhu

Die Situation war so prekär, dass sich die portugiesische Regierung gezwungen sah, internationale Hilfe anzufordern. Deutschland reagierte als erstes Land und entsandte ein Team der Bundeswehr mit 26 Personen. Auch Österreich bot umgehend seine Unterstützung an:

Der knallharte Lockdown

Mitte Januar trat die Regierung von Premierminister Antonio Costa auf die Notbremse und verordnete einen harten Lockdown. Die Massnahmen waren streng:

  • 24-Stunden-Ausgangssperre: Ohne triftigen Grund durften die Portugiesinnen und Portugiesen ihre Wohnung ab dem 15. Januar nicht mehr verlassen.
  • Umfassende Maskenpflicht: Ausserhalb der Wohnung war eine Maske Pflicht. Und zwar überall. Sowohl drinnen als auch draussen.
  • Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen: Diese wurden im Januar alle geschlossen. Körperliche Betätigung war nur im unmittelbaren Umfeld des Wohnsitzes erlaubt.
  • Nur noch lebensnotwendige Artikel erhältlich: Nur noch der Verkauf von ausschliesslich lebensnotwendigen Artikeln war erlaubt. Alle übrigen Dienstleistungsgeschäfte und Läden mussten schliessen.
  • Homeoffice-Pflicht: Wo es möglich war, mussten die Menschen zu Hause arbeiten.
  • Bildungs- und Erziehungseinrichtungen geschlossen: Ende Januar wurde der Präsenzunterricht in Schulen und Universitäten ausgesetzt, Kindergärten blieben zu.
  • Grenzen dicht: Der Verkehr über die Grenze wurde eingeschränkt, die Grenze nach Spanien geschlossen. Nur notwendige Einreisen waren erlaubt.
  • Bussen: Die portugiesische Polizei schreckte nicht davor zurück, Bussen zu verteilen. Wer beispielsweise gegen die Maskenpflicht verstiess, musste zur Strafe mindestens 100 Euro hinblättern.

Die ersehnte Entspannung

So streng die Massnahmen waren, so schnell zeigten sie Wirkung: Lag die 7-Wochen Inzidenz Ende Januar noch bei 885 auf 100'000 Einwohner, sank sie nach vier Wochen bereits unter 100. Schliesslich stellte die portugiesische Regierung ihren Lockerungsplan in vier Phasen vor, welcher je nach Region und epidemiologischer Lage alle 15 Tage angepasst werden kann. So hat er sich bisher gestaltet:

  • 1. Phase: Mit Ausnahme von vier Regionen durften am 15. März alle Handelsunternehmen wieder öffnen mit der Bedingung, dass die Waren nur verschickt oder abgeholt werden. Märkte, Bücherläden, Bibliotheken, Parks und Gärten dürfen seither auch wieder besucht werden. Kindergärten und Grundschulen gingen wieder zu Präsenzunterricht über.

Ende März war das Gesundheitssystem wieder stabil genug, dass die deutsche Bundeswehr zurückkehren konnte. Diese hatte in Portugal eine Intensivstation betrieben:

  • 2. Phase: Mit Ausnahme von sechs Regionen wurden am 5. April Terrassen, Museen und Kunstgallerien geöffnet, ebenso Swimmingpools und Golfplätze.
  • 3. Phase: Mit Ausnahme von 10 Regionen dürfen seit dem 19. April wieder Kinos, Theater und Konzerte besucht werden. Alle Geschäfte und Shoppingcenter durften ihre Türen wieder öffnen. Alle Restaurants dürfen drinnen bis zu vier, draussen bis zu 6 Personen pro Gruppe empfangen. Hochschulen und Universitäten wechselten wieder zu Präsenzunterricht.

Die vierte Phase

Ab dem 3. Mai können voraussichtlich alle Restaurants, Cafés und Bäckereien ohne zeitliche Einschränkung öffnen. Drinnen dürfen sich Gruppen bis zu sechs Personen aufhalten, draussen Gruppen bis zu 10 Personen. Auch grössere Events – drinnen und draussen – dürfen mit eingeschränkter Besucherzahl wieder durchgeführt werden.

Portugal hat sich vom Corona-Hotspot zum Vorzeigeland gewandelt.
Darauf haben sie in Portugal lange gewartet: Die Terrassenöffnung vom 5. April. Ab dem 3. Mai mit bis zu 10 Personen ohne Zeitlimit.Bild: shutterstock

Und wie wahrscheinlich ist es, dass die vierte Phase eingeläutet werden kann? Sehr wahrscheinlich. Die Regierung ist angesichts der sinkenden Fallzahlen gar so optmistisch, dass ab Freitag der Corona-Notstand in Portugal beendet wird. Am vergangenen Montag verzeichnete Portugal zum ersten Mal seit neun Monaten keinen Todesfall im Zusammenhang mit Corona. Es bleibt zu hoffen, dass es nach den Lockerungen zu keiner Trendumkehr kommt. Mit dem Impfen kommt Portugal übrigens ähnlich schnell voran wie die Schweiz.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Mexikanische Forscher erfinden die Hygienemaske nur für die Nase
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
60 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jonas der doofe
28.04.2021 12:58registriert Juni 2020
Der Schluss ist klar:
Wer schnell und hart reagiert, bekommt die Kurve. Wer zaudert und palavert bekommt die Kurve nicht wirklich.

Schön, dass es Portugal noch geschafft hat.
44450
Melden
Zum Kommentar
avatar
Joe Hill
28.04.2021 13:32registriert Dezember 2015
Was, entschlossenes und konsequentes Handeln führt zum Erfolg? Nein nein, das kann nicht sein, die haben das Problem ja gar nicht zerredet, dann hin und her geschoben und anschliessend einen faulen Kompromiss geschlossen!
19128
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fairness
28.04.2021 13:14registriert Dezember 2018
Portugal hatte die notwendige Geduld.
13728
Melden
Zum Kommentar
60
Zeigt Mike Johnson jetzt endlich Eier?
Der Speaker des Abgeordnetenhauses riskiert seinen Job, wenn er am Samstag tatsächlich das Hilfspaket für die Ukraine zur Abstimmung bringt.

Der Präsident will es, der Senat will es, und auch eine Mehrheit der Abgeordneten will es, das Hilfspaket für die Ukraine. Bisher jedoch sind die so dringend benötigten Gelder blockiert. Der Grund für diese absurde Situation liegt im amerikanischen Politsystem. Der Führer der Mehrheit in der jeweiligen Kammer kann darüber entscheiden, ob ein Gesetz zur Abstimmung gelangt oder nicht. Das hat weitreichende Konsequenzen.

Zur Story