Corona in Portugal – von einem Extrem ins andere
Die wuchtige zweite Welle
Noch bevor sich Portugal richtig von der ersten Welle erholen konnte, schlitterte das Land bereits zu Beginn des Jahres in die zweite. Sowohl die Fallzahlen als auch die Todeszahlen schossen in die Höhe, das sowieso schon angeschlagene Gesundheitssystem geriet an seine Grenzen. Der Höhepunkt wurde mit 16'432 Neuinfektionen am 28. Januar erreicht.
Die Situation war so prekär, dass sich die portugiesische Regierung gezwungen sah, internationale Hilfe anzufordern. Deutschland reagierte als erstes Land und entsandte ein Team der Bundeswehr mit 26 Personen. Auch Österreich bot umgehend seine Unterstützung an:
Es ist ein Gebot der europäischen Solidarität, rasch und unbürokratisch zu helfen, um Menschenleben zu retten. 🇦🇹 hat bereits bisher in der Pandemie Intensivpatienten aus Frankreich, Italien sowie Montenegro aufgenommen und wird nun auch Intensivpatienten aus Portugal aufnehmen.
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) January 31, 2021
Der knallharte Lockdown
Mitte Januar trat die Regierung von Premierminister Antonio Costa auf die Notbremse und verordnete einen harten Lockdown. Die Massnahmen waren streng:
- 24-Stunden-Ausgangssperre: Ohne triftigen Grund durften die Portugiesinnen und Portugiesen ihre Wohnung ab dem 15. Januar nicht mehr verlassen.
- Umfassende Maskenpflicht: Ausserhalb der Wohnung war eine Maske Pflicht. Und zwar überall. Sowohl drinnen als auch draussen.
- Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen: Diese wurden im Januar alle geschlossen. Körperliche Betätigung war nur im unmittelbaren Umfeld des Wohnsitzes erlaubt.
- Nur noch lebensnotwendige Artikel erhältlich: Nur noch der Verkauf von ausschliesslich lebensnotwendigen Artikeln war erlaubt. Alle übrigen Dienstleistungsgeschäfte und Läden mussten schliessen.
- Homeoffice-Pflicht: Wo es möglich war, mussten die Menschen zu Hause arbeiten.
- Bildungs- und Erziehungseinrichtungen geschlossen: Ende Januar wurde der Präsenzunterricht in Schulen und Universitäten ausgesetzt, Kindergärten blieben zu.
- Grenzen dicht: Der Verkehr über die Grenze wurde eingeschränkt, die Grenze nach Spanien geschlossen. Nur notwendige Einreisen waren erlaubt.
- Bussen: Die portugiesische Polizei schreckte nicht davor zurück, Bussen zu verteilen. Wer beispielsweise gegen die Maskenpflicht verstiess, musste zur Strafe mindestens 100 Euro hinblättern.
Die ersehnte Entspannung
So streng die Massnahmen waren, so schnell zeigten sie Wirkung: Lag die 7-Wochen Inzidenz Ende Januar noch bei 885 auf 100'000 Einwohner, sank sie nach vier Wochen bereits unter 100. Schliesslich stellte die portugiesische Regierung ihren Lockerungsplan in vier Phasen vor, welcher je nach Region und epidemiologischer Lage alle 15 Tage angepasst werden kann. So hat er sich bisher gestaltet:
- 1. Phase: Mit Ausnahme von vier Regionen durften am 15. März alle Handelsunternehmen wieder öffnen mit der Bedingung, dass die Waren nur verschickt oder abgeholt werden. Märkte, Bücherläden, Bibliotheken, Parks und Gärten dürfen seither auch wieder besucht werden. Kindergärten und Grundschulen gingen wieder zu Präsenzunterricht über.
Ende März war das Gesundheitssystem wieder stabil genug, dass die deutsche Bundeswehr zurückkehren konnte. Diese hatte in Portugal eine Intensivstation betrieben:
Der Hilfseinsatz des #Sanitätsdienst|es in #Portugal ist beendet. Um 14:45 Uhr landeten die 24 #Soldat|innen in #Stuttgart. Sie haben in den vergangenen Wochen eine #COVID-19 Intensivstation in #Lissabon betrieben. #HelfenIstUnsereDNA pic.twitter.com/lI2I3Q1Rgg
— Sanitätsdienst der Bundeswehr (@SanDstBw) March 26, 2021
- 2. Phase: Mit Ausnahme von sechs Regionen wurden am 5. April Terrassen, Museen und Kunstgallerien geöffnet, ebenso Swimmingpools und Golfplätze.
- 3. Phase: Mit Ausnahme von 10 Regionen dürfen seit dem 19. April wieder Kinos, Theater und Konzerte besucht werden. Alle Geschäfte und Shoppingcenter durften ihre Türen wieder öffnen. Alle Restaurants dürfen drinnen bis zu vier, draussen bis zu 6 Personen pro Gruppe empfangen. Hochschulen und Universitäten wechselten wieder zu Präsenzunterricht.
Die vierte Phase
Ab dem 3. Mai können voraussichtlich alle Restaurants, Cafés und Bäckereien ohne zeitliche Einschränkung öffnen. Drinnen dürfen sich Gruppen bis zu sechs Personen aufhalten, draussen Gruppen bis zu 10 Personen. Auch grössere Events – drinnen und draussen – dürfen mit eingeschränkter Besucherzahl wieder durchgeführt werden.
Und wie wahrscheinlich ist es, dass die vierte Phase eingeläutet werden kann? Sehr wahrscheinlich. Die Regierung ist angesichts der sinkenden Fallzahlen gar so optmistisch, dass ab Freitag der Corona-Notstand in Portugal beendet wird. Am vergangenen Montag verzeichnete Portugal zum ersten Mal seit neun Monaten keinen Todesfall im Zusammenhang mit Corona. Es bleibt zu hoffen, dass es nach den Lockerungen zu keiner Trendumkehr kommt. Mit dem Impfen kommt Portugal übrigens ähnlich schnell voran wie die Schweiz.