Im Frühling erfasste die erste Corona-Welle Europa. Praktisch alle Länder entschieden sich dabei, in den Lockdown zu gehen, und machten einiges, vieles oder alles dicht.
Die Reaktion war sehr schnell zu sehen. Praktisch überall sanken die Neuinfektionen auf sehr tiefe Niveaus. In der Schweiz und Österreich wurden diese fast einstellig, in den grösseren Ländern Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien sanken sie deutlich unter 1000 am Tag.
In den letzten zwei Monaten versetzten sich die oben erwähnten Länder erneut in den Lockdown. Der Anstieg konnte damit mindestens gebremst werden, praktisch überall nahmen die täglichen Infektionen auch deutlich ab. Aber das tiefe Niveau vom Sommer erreichten sie bisher nirgends. Warum?
Da die Länder zwar alle ihre Version von «Lockdowns» einführten, diese aber sehr unterschiedlich aussehen, können die Länder auch nicht miteinander verglichen werden. Wir zeigen hier daher einfach, was in welchem der fünf Länder gilt und wie sich die Neuinfektionen entwickeln.
Am Ende der Länder gibt es ein gemeinsames Fazit, warum die Fallzahlen nirgends nachhaltig gesenkt werden konnten.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
In Deutschland nahmen die Fallzahlen ab Mitte Oktober stark zu. Durch den Lockdown light konnten die Zahlen stabilisiert werden. Als die Zahlen nochmals zunahmen, wurde mit dem 2. Lockdown geantwortet. Seither sind die Zahlen stabil, allerdings auf hohem Niveau.
Deutschland befindet sich praktisch seit zwei Monaten in einem Lockdown. Dieser wurde laufend verschärft. Zuerst mussten Kontakte reduziert (10 Personen, maximal 2 Haushalte), Gastro-/Freizeit-/Kultur-Unternehmen mussten geschlossen werden, Schulen blieben offen.
Ab dem 25. November galt eine erweiterte Maskenpflicht, die privaten Zusammenkünfte wurden weiter eingeschränkt und die Abstandsregeln in Geschäften verschärft.
Seit dem 16. Dezember sind alle nicht lebenswichtigen Geschäfte geschlossen. Zudem wurden Kindertagesstätten geschlossen, die Schulen ebenfalls oder in den Fernunterricht versetzt. Dazu kam Homeoffice wo möglich.
Seit Montag gelten noch striktere Massnahmen. Private Zusammenkünfte dürfen nur noch mit maximal einer Person aus einem anderen Haushalt geführt werden und je nach Inzidenz im Bundesland gilt ein Bewegungsradius von 15 Kilometern.
Frankreich erlebte Ende Oktober/anfangs November einen Peak der Fallzahlen. Mit dem zweiten Lockdown konnten diese klar nach unten gedrückt werden. Allerdings blieben sie dann auf hohem Niveau stabil und stiegen zuletzt wieder leicht an.
Ab dem 30. Oktober ging Frankreich in den zweiten Lockdown. Es duften neben einer nächtlichen Ausgangssperre nur lebensnotwendige Geschäfte offen bleiben, Restaurants/Bars schlossen und Kontakte mussten reduziert werden.
Ab dem 28. November wurde die Ausgangssperre gelockert und Geschäfte durften wieder öffnen. Da sich die Situation gut entwickelte, wurde ab dem 15. Dezember weiter gelockert. Die Ausgangssperre gilt seither nur noch zwischen 20 und 6 Uhr, private Treffen dürfen mit bis zu sechs Erwachsenen durchgeführt werden. Restaurants und Bars bleiben zu.
Mit den Massnahmen im November wurden die Fallzahlen reduziert, blieben allerdings auf deutlich zu hohem Niveau. Ähnlich wie in Frankreich stiegen die Zahlen zuletzt wieder leicht an.
Italien schloss ab dem 6. November Theater, Kinos, Sportzentren und Museen, zudem gab es eine Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr. Durch ein Ampelsystem (gelb-orange-rot) mussten auch einige Regionen härtere Massnahmen erlassen, so beispielsweise die Lombardei, das Piemont oder Kalabrien. Dort galt in der roten Zone eine ganztägige Ausgangssperre, Bars/Restaurants wurden geschlossen, und auch viele Schulen.
Ab dem 21. Dezember wurde zudem ein Reiseverbot zwischen den Regionen verhängt. Dieses gilt bis am 15. Januar.
In Österreich stiegen die Zahlen Ende Oktober rasant an, nahmen nach dem 13. November schnell wieder ab und sind seither in einer Seitwärtsbewegung. Aber auch hier gilt: Wirklich weit nach unten bewegen sie sich nicht und bleiben bei rund 2000 Fällen pro Tag.
Ende Oktober gab es einen Lockdown light mit unter anderem Ausgangsbeschränkungen von 20 bis 6 Uhr, Schliessung von Kultur-/Freizeit-/Gastro-Betrieben (Takeaway und Lieferung erlaubt).
Obwohl die Fälle Mitte November zu sinken begannen, ging das Land ab dem 17. November in einen harten Lockdown, in welchem nicht lebensnotwendige Geschäfte geschlossen wurden und die Ausgangsbeschränkung auf 24 Stunden ausgeweitet wurde.
Nach einer Lockerung während zwei Wochen vor Weihnachten wurde danach die Schraube wieder angezogen und Österreich ist seither im 3. Lockdown. Dieser gilt sicher noch bis am 24. Januar. Doch Kanzler Sebastian Kurz will ihn anscheinend verlängern.
In Spanien ging Ende September die zweite Welle praktisch nahtlos in die dritte über. Durch den landesweiten Notstand konnten die Fallzahlen gesenkt werden. Seit anfangs Dezember steigen die Fallzahlen allerdings wieder an und nähern sich dem Niveau der dritten Welle.
Am 25. Oktober rief Spanien zum zweiten Mal den nationalen Notstand aus, dieser soll bis im März 2021 gelten. Mit einem Ausgehverbot (23 bis 6 Uhr) und einem Verbot für Treffen mit mehr als sechs Personen konnten die Fallzahlen reduziert werden.
Zudem können die autonomen Gemeinschaften die Massnahmen verschärfen. In einigen Regionen galt oder gilt daher unter anderem eine Empfehlung zum Zuhause-Bleiben, Fernunterricht an Schulen und geschlossene Bars/Restaurants oder reduzierte Öffnungszeiten dieser Betriebe.
Es zeigt sich in allen fünf Ländern: Die Lockdowns nützen so weit, dass mindestens die Zahlen stabilisiert werden konnten. Warum sie aber nicht weiter nach unten gebracht werden, ist nicht einfach zu beantworten.
Die Suche nach Antworten gleicht gemäss der deutschen «Tagesschau» einem «Stochern im Nebel». Denn: «Für fundierte Aussagen fehlen schlicht Daten.» Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Einerseits haben wir zwar weniger Kontakte, andererseits wissen wir scheinbar aber trotzdem wenig darüber, wo es gewesen sein könnte.»
Häufungen von Infektionen gibt es in Alters- und Pflegeheimen, im privaten Bereich sowie im beruflichen Umfeld. Das berufliche Umfeld dürfte in vielen Ländern mit ein Grund sein. Denn im Gegensatz zum Frühling setzen beispielsweise weniger Firmen auf konsequentes Homeoffice. Nicola Low, Epidemiologin und Mitglied der Taskforce, sagte im Interview mit watson darum: «Man muss sehr vorsichtig sein mit dem Begriff Lockdown.» Beispielsweise in London wurden die Massnahmen nochmals verschärft, obwohl man schon vorher von einem solchen gesprochen hatte.
Wie sehr die nicht sinkenden Fallzahlen mit der Virus-Mutante B.1.1.7 zusammenhängen, ist aktuell schwierig zu sagen, weil auch hier in den meisten Ländern schlicht die Daten fehlen. Low erklärte gegenüber watson mit Blick nach London: «Vielleicht hätten die Massnahmen mit dem weniger ansteckenden Virus-Strang gewirkt. Aber mit der ansteckenderen B.1.1.7-Mutante waren sie nicht effektiv.»
Tempi passati: Die Angst weicht Frust, oder eine andere Angst (Existenz, Zukunft,..) wirkt schwerer. Dazu Widersprüche ohne Ende.
Im Frühling galt: Abstand halten, Hygiene. Und es reichte.
Heute: Egal wie gross das Büro ist, trotzdem Maske. Was im Frühling galt, gilt nicht mehr?
Auch beim Faktor Zeit: Gefährlich sind Kontakte >15Min. Gilt nicht mehr.
Die Massnahmen scheitern, weil sie zunehmend nicht verstanden, darum nicht mitgetragen werden.