International
Coronavirus

Coronavirus: Schweden beendet den Sonderweg

People board a local bus in central Uppsala, Sweden, Wednesday, Oct. 21, 2020. Uppsala, a university city north of Stockholm, on Tuesday became the first place in Sweden to introduce local restriction ...
Masken? Fehlanzeige. In Schweden darf man noch immer maskenlos Bus und Zug fahren. Bild: keystone

Schweden beendet den Sonderweg

Die Strategie sei fehlgeschlagen, sagt jetzt sogar König Carl Gustav. Neu gelten scharfe Massnahmen, aber noch immer keine Maskenpflicht.
20.12.2020, 16:5620.12.2020, 17:08
niels anner / schweiz am wochenende
Mehr «International»

Jetzt sogar Schweden: Die Skandinavier sind am Freitag von ihrem Sonderweg abgekommen und haben die Weichen Richtung Lockdown gestellt. Alle öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmhallen und Bibliotheken werden bis mindestens am 24. Januar geschlossen. Schulen ab der 10. Klasse bleiben zu. Für Restaurants und Geschäfte werden Besucherbeschränkungen eingeführt. Sämtliche Arbeitnehmer sind aufgefordert, von zu Hause zu arbeiten, sofern das irgendwie möglich ist. Zudem wird neu im öffentlichen Verkehr Mundschutz empfohlen.

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

«Ich hoffe, dass alle jetzt den Ernst der Lage verstehen», sagte Regierungschef Stefan Löfven. Die Zahl der Ansteckungen steigt in Schweden zur Zeit schnell und liegt proportional zur Bevölkerungszahl sogar über derjenigen der Schweiz. Die Todeszahlen sind rund ein Drittel tiefer als in der Schweiz, aber auf hohem Niveau, ähnlich wie in Deutschland und den USA. Zudem ist die Situation auf den Intensivstationen prekär, insbesondere in Stockholm: Es fehlt nicht so sehr an Plätzen, aber an gesundem Personal.

«Ich denke, wir sind gescheitert.»
Schwedens König Carl Gustav

Schwedens König bricht wegen Corona ein Tabu

Dennoch kamen die Restriktionen überraschend. Staatsepidemiologe Anders Tegnell hatte mit Rückendeckung der Regierung monatelang an der rein auf Empfehlungen basierenden Strategie festgehalten. Jetzt reizt die Regierung alle Möglichkeiten zu Einschränkungen aus. Weitergehen kann sie derzeit nicht. Das verschärfte Pandemiegesetz geht wohl erst im März durchs Parlament.

Die Kritik an Regierung und Gesundheitsbehörde war zuletzt deutlich lauter geworden. König Carl Gustav sprach diese Woche in einem Fernsehinterview von einem «Misserfolg». Die hohen Todeszahlen seien «fürchterlich». «Ich denke, wir sind gescheitert», sagte er. Die Aussagen haben Aufsehen erregt, denn der Monarch äussert sich traditionell nie zur Politik.

epa08868398 An information sign wishing Merry Christmas and asking to maintain social distancing is seen in a pedestrian shopping street in Helsingborg, southern Sweden, 07 Decmber 2020. The last week ...
Immerhin ein Aufruf zu Social Distancing: Shoppingmeile in Helsingborg.Bild: keystone

Trotz der Entwicklung geniessen Regierung und Behörden in der Bevölkerung nach wie vor Rückhalt. Aber er bröckelt. Laut einer neuen Umfrage hatten im Oktober 68 Prozent der Befragten «grosses Vertrauen» in die Gesundheitsbehörde, heute sind es noch 52. Auch die Zustimmungswerte für Staatsepidemiologe Tegnell sind deutlich gefallen.

«Viele Länder haben grosse Probleme.»
Anders Tegnell, Staatsepidemiologe

Fehler? Fehlanzeige!

Über die Strategie gehen die Meinungen weit auseinander. «Im Frühling fand ich die Strategie gut, aber jetzt sollte sie strikter sein», sagt etwa Viktoria Johansson. Die 49-jährige Schwedin glaubt, mit früheren, härteren Einschränkungen hätte man die «traurige Situation mit den vielen Toten in Altersheimen» und die vielen Ansteckungen in den engen Siedlungen der Vororte besser vermeiden können. Jetzt würden wenigstens mehr Leute zu Hause arbeiten müssen. Dennoch ist Johansson froh, dass es keinen weitergehenden Lockdown gab, aus ökonomischen und sozialen Gründen – ein oft gehörtes Argument in Schweden.

Der Hochschuldozent Dan Kärreman aus Göteborg hielt die bisherige Strategie für «vernünftig». Es sei wichtig, dass in Schweden die Grundrechte wie Bewegungsfreiheit geschützt seien und man an die Eigenverantwortung appelliere. Viele andere Länder hätten ja im Herbst auch Empfehlungen statt Verbote gewählt. Zwar seien die Todeszahlen in Schweden ohne Zweifel hoch, doch das gelte auch für andere Länder. «Schweden hat sich doch ziemlich durchschnittlich gehalten, immerhin», findet Kärreman – auch ohne Lockdown.

Mit den neuen Massnahmen vom Freitag gesteht die Regierung allerdings ein, dass sie den bisherigen Weg nicht mehr für ausreichend hält. «Wir tun, was wir immer getan haben in dieser Pandemie», erklärte Regierungschef Stefan Löfven: «Die richtigen Massnahmen zur richtigen Zeit.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Corona-Verordnung vom 18.12.2020
1 / 8
Corona-Verordnung vom 18.12.2020
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So hätte 2020 ohne Covid-19 ausgesehen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
70 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Urs457
20.12.2020 17:27registriert März 2014
Sagt es bitte noch jemand dem Köppel!
36284
Melden
Zum Kommentar
avatar
gulf
20.12.2020 17:19registriert März 2020
ich frage mich gerade, wie es wohl Hr. Bhakdi, Hr. Wogard und all den anderen selbstherrlichen Corona - Leugnern geht ....
344106
Melden
Zum Kommentar
avatar
Steasy
20.12.2020 17:14registriert Dezember 2019
Wann erkennt die Schweizer Regierung dass Sondergänge nicht funktionieren?
277131
Melden
Zum Kommentar
70
Frau stürzt in den USA in Erdloch – Polizei ohne Hoffnung auf Rettung

US-Einsatzkräfte haben keine Hoffnung mehr, eine mutmasslich in ein Erdloch gestürzte 64-Jährige noch lebend zu finden. «Wenn kein Wunder geschieht, handelt es sich jetzt um eine Bergungsaktion», sagte Steve Limani von der zuständigen Polizei im Bundesstaat Pennsylvania. Man sei zwar sehr sicher, dass die Frau in dem Loch sei – aber wegen der Sauerstoffversorgung und der Bedingungen dort, gehe man davon aus, dass sie nicht mehr am Leben sei.

Zur Story