Südkoreas Vorbildrolle in Bezug auf die Bewältigung der Coronakrise wurde in diesem Monat auf den Prüfstand gestellt.
Als die Zahl der täglichen Neuinfektionen in den einstelligen Bereich fiel, lockerte das Land die Corona-Massnahmen. Doch dann wurden mehrere Personen, die Nachtclubs im Seouler Ausgeh-Viertel Itaewon besucht hatten, positiv auf das Virus getestet.
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Der Ursprung dieses Anstiegs war ein einzelner infizierter Partygänger, der am ersten Maiwochenende eine Nacht durchgefeiert hatte. Tausende Südkoreaner waren an diesem Wochenende unterwegs und die Behörden befürchteten, dass das Cluster einen landesweiten Ausbruch auslösen könnte.
In den darauffolgenden Tagen wurden wieder täglich Dutzende Neuansteckungen gemeldet.
Südkoreas Antwort auf das Itaewon-Cluster ist ein Lehrstück in Sachen Contact Tracing. Seouls Bürgermeister liess in der Folge alle Bars und Nachtclubs schliessen, die Behörden ermittelten, wer alles an diesem Wochenende anwesend gewesen war und verfolgten die Kontakte. Die Zahlen haben es in sich:
Gemäss «Korea Herald» sind die täglichen Neuinfektionen im gesamten Land nun wieder unter 20. Die Behörden gehen mittlerweile davon aus, dass das Cluster unter Kontrolle ist.
Um den Ausbruch des Itaewon-Clusters zu bekämpfen, versuchten die Beamten, mit jeder einzelnen Person in Kontakt zu treten, die einen der Clubs im Ausgangsviertel besucht hatte. Das war möglich, weil Bars und Nachtclubs in Seoul von den Partybesuchern verlangten, vor dem Betreten ihren Namen und ihre Kontaktinformationen zu hinterlassen, berichtete etwa «Time».
Zumindest theoretisch.
Weil nicht alle Clubs die Daten lücken- und fehlerlos aufzeichneten, arbeitete die Polizei mit Mobilfunk-Providern zusammen, um anhand der Telefondaten herauszufinden, wer sich am Wochenende in Itaewon aufgehalten hatte.
Laut Seouls Bürgermeister war es den Beamten möglich, so die Hälfte der Club-Besucher zu erreichen – und das innerhalb weniger Tage.
Zusätzlich zu diesen Daten verwendeten die Contact Tracer GPS-Daten, Kreditkarten-Auszüge, Videoüberwachungs-Material und Interviews, um die Bewegungsabläufe nachzuverfolgen, schreibt etwa die Washington Post. Ein Vorgehen, das in der Schweiz aus Datenschutzgründen kaum möglich wäre.
Das ist aber noch nicht alles: Nachdem sich die Beamten ein klares Bild davon gemacht hatten, wie und wo sich eine infizierte Person bewegt hatte, veröffentlichte die südkoreanische Regierung diese Daten in anonymisierter Form auf einer öffentlichen Webseite, damit andere überprüfen können, ob sie dem Virus ausgesetzt waren.
Zusätzlich versendete die Regierung via Corona-Apps entsprechende Alarme. Alle, die zwischen dem 30. April und dem 5. Mai einen Club in oder in der Nähe von Itaewon besuchten, sollen sich testen lassen. Diese Tests sind gratis.
«Das Wichtigste ist, dass man die Übertragungskette so schnell wie möglich unterbricht, damit sich das Virus nicht ausbreitet», sagte etwa der hochrangige Gesundheitsbeamte Yoon Tae Hoe gemäss «Korea Herald». Und weiter: «Wir müssen das Contact Tracing und das Testen noch schneller machen.»
Konkret verlangt die südkoreanische Regierung ab kommendem Monat, dass die Club- und Barbetreiber die Personendaten zuverlässiger aufnehmen. Dies soll via Kundenprotokoll auf Basis von QR-Codes noch schneller und zuverlässiger werden.
In Anbetracht der jüngsten Zunahme an Fällen haben sich die Gesundheitsbehörden ausserdem entschlossen, die Richtlinien zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu überarbeiten. Ab Dienstag sind Schutzmasken in Bussen und Taxis obligatorisch, wer keine Maske hat, darf nicht einsteigen. Das Gleiche gelte ab Donnerstag auch für Flugzeugpassagiere. (jaw)