Zwei Tage vor Thanksgiving: Ein Mann stürmt in der 250'000-Einwohner-Stadt Chesapeake im US-Bundesstaat Virginia in einen Walmart und schiesst wild um sich. Er tötet sechs Menschen, verletzt sechs weitere und richtet dann sich selbst. Der Schütze war nach Angaben der Polizei ein Mitarbeiter des Supermarkts, über die Hintergründe der Tat ist nichts bekannt.
Es ist das zweite Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit einer Schusswaffe innert wenigen Tagen in den USA: Erst am Wochenende waren bei Schüssen in einem bei Schwulen, Lesben und der Trans-Gemeinschaft populären Club im US-Bundesstaat Colorado fünf Menschen getötet und 17 weitere verletzt worden.
So schlimm und aussergewöhnlich die Gewalttaten für die Opfer, deren Angehörige und für die jeweiligen Ortschaften sind – sie sind leider alltäglich. Meldungen über grössere Schiessereien sind in den USA längst zur Normalität geworden. Im Schnitt findet mehr als täglich eine Gewalttat mit Schusswaffen und mehr als drei Opfern statt.
Genau verfolgen lässt sich die blutige Spur dieser sogenannten «Mass Shootings» unter anderem im Gun Violence Archive, das täglich von einer gemeinnützigen Organisation mit Daten zu Todes- und Verletztenfällen im Zusammenhang mit Waffen aktualisiert wird. Die Zahlen sind erschreckend: Seit Anfang 2014 hat es in den USA 4002 Massenschiessereien mit 16'732 Verletzten und 4229 Toten gegeben.
Nach einer kurzen Abnahme der Shootings im Jahr 2018 und damit auch der Verletzten und Toten hat die Anzahl an Gewalttaten mit Schusswaffen in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen. Nach 690 Massenschiessereien mit 704 Toten und 2829 Verletzten im Jahr 2021 steuern die USA im laufenden Jahr auf einen neuen Negativrekord zu. Bis zum Mittwoch, 23. November, gingen bereits 609 Shootings mit 637 Toten und 2552 Verletzten in die Statistik ein.
Fast täglich muss ein «Mass Shooting» nachgetragen werden, wie ein Blick auf den Kalender des laufenden Jahres zeigt. Vor allem an den Wochenenden knallt es fast immer: In diesem Jahr gab es bislang nur an drei Wochenendtagen keine Massenschiesserei.
Die Bundesstaaten der Ostküste, das zeigt der Blick auf die interaktive Überblickskarte, sind von Todesfällen mit Waffengewalt stärker betroffen als die mittleren Staaten oder die an der Westküste, wobei Kalifornien eine traurige Ausnahme bildet. Meist finden die Taten in der Agglomeration oder in der Nähe des Zentrums einer Grossstadt statt, doch auch auf dem Land kommt es immer wieder zu Tragödien mit Schusswaffen.
Zwar wurden zuletzt immer wieder Appelle laut, die Waffengesetze zu verschärfen – meist nach besonders grausamen Taten wie dem Schulmassaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde, bei dem im Mai 19 Schulkinder, zwei Lehrerinnen und der Attentäter erschossen wurden.
Das Problem wird zwar mittlerweile als «Mass Shooting Crisis» («Massenschiessereien-Krise») wahrgenommen – also nicht mehr als eine Ansammlung vieler Einzelfälle, sondern als andauerndes bedrohliches Phänomen. Doch bislang hat es keine politische Initiative geschafft, die Zahl der Waffen und deren Besitzer einzudämmen. Und eine schnelle Lösung ist in naher Zukunft nicht in Sicht, was bedeutet, dass die Meldungen über «Mass Shootings» leider alltäglich bleiben werden.