In Berlin vergeht kaum ein Tag, an dem sich die Parteien der regierenden Ampel-Koalition nicht in die Haare geraten, und das zumeist in aller Öffentlichkeit. Besonders gerne zoffen sich Grüne und FDP, und das in erster Linie beim Klimaschutz. Im Koalitionsvertrag hatten die Liberalen den ambitionierten Zielen zugestimmt. Jetzt legen sie sich quer.
So weigert sich FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, trotz verfehlter Klimaziele ein Sofortprogramm zur Senkung der Emissionen vorzulegen, wie es das Klimaschutzgesetz vorschreibt. Zuvor hatte Wissing das Verbot von Verbrennerautos in der EU ab 2035 blockiert, bis er Ausnahmen für mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge durchsetzen konnte.
Der Verkehr mag im Autoland Deutschland ein heisses Eisen sein. Auch dem von der Koalition in einem Sitzungsmarathon beschlossenen Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen (mit Ausnahmen) ab dem kommenden Jahr stimmte die FDP nur mit Vorbehalt zu. In einer Umfrage lehnen fast 80 Prozent der Bevölkerung dieses Gesetz ab.
Das schlägt auf die Moral der deutschen Grünen durch. Sie sind die Nummer zwei in der Regierung und stellen mit Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck den Vizekanzler. Doch nun fühlen sie sich oft überfahren und an den Rand gedrängt, nicht nur von der FDP, sondern auch von Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner SPD.
Ende März versuchten die drei Parteien der zunehmend dysfunktionalen Ampel, sich zusammenzuraufen. Am Ende dauerte die Sitzung des Koalitionsausschusses ganze 30 Stunden. Und die Grünen standen als Verlierer da. «Mehr ist in dieser Koalition nicht möglich», musste ein zerknirschter Habeck in einer Videobotschaft zugeben.
In den meisten Umfragen liegen die Grünen, die sich eben noch auf dem Weg ins Kanzleramt wähnten, auf dem dritten Platz, hinter CDU/CSU und SPD. Gelitten haben auch Robert Habecks Zustimmungswerte. Im letzten Sommer war er der beliebteste Politiker, obwohl oder weil er die Deutschen auf einen harten Winter einstellen musste.
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Dieser fand nicht statt. Habeck war es in Rekordzeit gelungen, Deutschland aus der fatalen Abhängigkeit von russischem Erdgas zu befreien. In den Rankings aber fällt der Vizekanzler, «obwohl im Winter kein Blackout Deutschland traf, keine Wohnung kalt blieb, obwohl die Gasspeicher gut gefüllt sind und die Energiepreise sinken», so der «Spiegel».
Das Magazin aus Hamburg widmete der «Verzwergung der Grünen» eine Titelgeschichte. Denn die lange populäre Aussenministerin Annalena Baerbock fällt in den Umfragen ebenfalls zurück. Klare Nummer eins ist der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der mit seiner zupackenden Art überzeugt. Auch Olaf Scholz liegt vor dem Grünen-Duo.
Mit dem Bundeskanzler hadert die Öko-Partei besonders. Denn Scholz fühlt sich der FDP näher als den Grünen, aus mehreren Gründen. Die Liberalen «büssen» für ihre Beteiligung an einer «linken» Regierung mit Niederlagen bei Landtagswahlen. Der Kanzler muss darauf Rücksicht nehmen. Auch ideologisch kann er es mit der FDP besser als mit den Grünen.
Sie sind für Olaf Scholz nicht nur Partner, sondern auch Rivalen um die Vorherrschaft im Wählersegment links der Mitte. Habeck und Baerbock machen kein Geheimnis aus ihren Ambitionen auf seine Nachfolge. Von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat der Hamburger nichts zu befürchten. Das sorgt für zusätzlichen Streit in der Ampel.
Der «Spiegel» erwähnte ein weiteres Problem:
Das Image einer sturen «Verbotspartei» klebt hartnäckig an den deutschen Grünen, und daran sind sie nicht unschuldig. Das beste Beispiel ist der vor einer Woche mit der Abschaltung der drei letzten AKWs endgültig vollzogene Atomausstieg. Die deutsche Bevölkerung unterstützte ihn lange, doch in jüngsten Umfragen lehnte sie ihn klar ab.
Dennoch zog Wirtschaftsminister Habeck ihn durch. Die Opposition äusserte Kritik: «Dieser grüne Klimaminister lässt lieber Kohlekraftwerke laufen – den Klimakiller schlechthin, CO2-Dreckschleudern – als klimaneutrale», klagte der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei RTL: «Es ist ein schwarzer Tag für den Klimaschutz in Deutschland.»
Dabei war es CDU-Langzeitkanzlerin Angela Merkel, die den von der früheren rotgrünen Regierung und von Putin-Freund Gerhard Schröder beschlossenen Atomausstieg nach dem GAU in Fukushima 2011 definitiv zum Ziel erklärt hatte. Trotzdem trifft Spahn einen wunden Punkt, denn die Kohlekraftwerke werden noch bis mindestens 2030 weiterbetrieben.
Solche «klimatische» Widersprüche helfen den Grünen nicht. Dabei war die Ampel Ende 2021 mit viel Schwung gestartet. Kurz danach kam der Ukraine-Krieg und die damit verbundene «Zeitenwende». Sie haben das ohnehin beträchtliche Sicherheitsbedürfnis der deutschen Bevölkerung verstärkt. Das erschwert grosse Würfe beim Klimaschutz.
Manches wird sich von selbst ergeben, zum Beispiel beim Verkehr. E-Fuels sind zu teuer, um damit Autos anzutreiben. Die Zukunft ist elektrisch, auch weil Tesla und die noch kaum bekannten, aber innovativen chinesischen Hersteller der deutschen Autoindustrie einheizen. Auch Wärmepumpen werden sich gegen Öl- und Gasheizungen durchsetzen.
Dennoch hadern viele Grüne mit Rot und Gelb. Selbst Exponenten des linken Parteiflügels schrecken aber vor einem Bruch der Koalition zurück. Besser wenig für das Klima erreichen als gar nichts, lautet die Devise. Einige Exponenten aber fordern, die Partei müsse härter und machtbewusster auftreten. Damit die Grünen nicht vollends unter die Räder geraten.
Genau mein Humor.
Der grösste Hohn ist und bleibt aber, dass Deutschland stand heute fossile Energien Subventioniert wie noch nie in seiner Geschichte. Danke liebe Grünen!