Als die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock ihren Kollegen Sergej Lawrow vor zwei Wochen in Moskau traf, wurde sie an der Medienkonferenz auf die fehlende Lizenz für den russischen Staatssender RT DE angesprochen. In Deutschland sei kein Staatsrundfunk erlaubt, erwiderte Baerbock, «egal, ob der Staat Deutschland, USA oder Russland heisst».
Der Passus im deutschen Grundgesetz ist eine Reaktion auf den Nationalsozialismus. Damals waren die Medien staatlich gleichgeschaltet. Lawrow liess dies kalt. Wenn Deutschland nichts gegen die «Diskriminierung» russischer Journalisten unternehme und RT DE behindere, sehe man sich «gezwungen, Gegenmassnahmen zu ergreifen», warnte er.
Diese Woche kam es zur Eskalation. Am Mittwoch untersagte die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten mit Verweis auf die fehlende Sendelizenz die Produktion und Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE. Einen Tag später erfolgte die Retourkutsche: Russland erteilte der Deutschen Welle ein Sendeverbot.
Sie dürfe ihr russisches Programms weder über Satellit noch sonstige Übertragungswege ausstrahlen, teilte das Aussenministerium in Moskau mit. Der Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland ist der öffentlich-rechtlichen ARD angegliedert und verbreitet sein Programm in 30 Sprachen via Fernsehen, Radio sowie auf seiner Website.
Die russische Regierung bezeichnet ihre Massnahmen als «symmetrisch», doch davon kann gemäss dem «Spiegel» keine Rede sein. So darf RT DE in Deutschland kein lineares Fernsehprogramm ausstrahlen, jedoch weiterhin «Videos ins Netz stellen, seine Büros in Deutschland betreiben, seine Mitarbeiter auf die Bundespressekonferenz schicken».
Für die Deutsche Welle hingegen verfügte das Aussenministerium die Schliessung des Korrespondentenbüros in Moskau. Die Journalisten verlieren ihre Akkreditierung. Zudem werde ein Verfahren eingeleitet, um die Deutsche Welle zum «ausländischen Agenten» zu erklären. Es handle sich lediglich um eine «erste Etappe», so das Ministerium.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kritisierte die Entscheidung zu RT DE als «Anschlag auf die Freiheit des Wortes». Was wie ein Hohn klingt angesichts des immer rabiateren Vorgehens seiner Regierung gegen alles, was in Russland nach Opposition aussieht. Zuletzt wurde die angesehene Menschenrechtsorganisation Memorial gerichtlich verboten.
In Deutschland stiess das Sendeverbot für die Deutsche Welle auf scharfe Kritik. Für das Aussenministerium handelt es sich um «eine erneute Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen». Der Sender kündigte rechtliche Schritte an. «Bis uns die Massnahmen offiziell zugestellt werden, berichten wir weiter aus unserem Büro in Moskau», hiess es.
RT-Chefredaktorin Margarita Simonjan hingegen zeigte sich erfreut über das Verbot. Das frühere Russia Today sieht sein deutschsprachiges Programm als Beitrag zur Meinungsvielfalt. Kritiker werfen RT Kreml-Propaganda und Desinformation vor. Letztes Jahr sperrte Youtube zwei RT-DE-Kanäle wegen Falschinformationen zur Corona-Pandemie.
Der deutsch-russische «Medienkrieg» fällt mitten in die Ukraine-Krise und hat deswegen eine bizarre Komponente. Denn Deutschland gilt innerhalb der Nato als grösster Bremser, wenn es um Sanktionen gegen Moskau im Falle einer russischen Invasion in der Ukraine geht. Vor allem die Osteuropäer bezichtigen Berlin deswegen des «Appeasements».
Von Waffenlieferungen an die Ukraine will die neue Ampel-Regierung ebenfalls nichts wissen. Sie schickt stattdessen 5000 Schutzhelme. Kiew hingegen hatte 100’000 Helme und Schutzwesten gefordert und reagierte entsprechend betupft. «Das ist nur ein Tropfen auf dem heissen Stein», sagte Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Berlin.
Für zusätzliche Empörung sorgte der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, als er letzte Woche der Ukraine in einer Verdrehung der Tatsachen vorwarf, sie betreibe mit ihrer Forderung nach Waffenlieferungen «Säbelrasseln». Schröder ist ein Lobbyist für die Gaspipeline Nord Stream 2 und ein persönlicher Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
In der Kritik steht auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich in Sachen Ukraine lange weggeduckt hatte. Am Mittwoch ging er im ZDF in die Offensive. Er distanzierte sich von Schröder und kündigte für Montag eine Reise nach Washington zu US-Präsident Joe Biden und «in Kürze» nach Moskau an. Mit Putin wird er nicht nur über die Ukraine sprechen.
(Mit Material von Keystone-SDA)