
Joe Biden am Montag in Washington.Bild: keystone
Das sagen Joe Biden, Angela Merkel und Emmanuel Macron zur Machtergreifung der Taliban.
16.08.2021, 21:4216.08.2021, 22:47
Joe Biden
Nach der Machtergreifung der Taliban äusserte sich Joe Biden. Der US-Präsident ist für den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan verantwortlich. Noch am 8. Juli sagte Biden: «Die Wahrscheinlichkeit, dass die Taliban alles überrennen und das ganze Land kontrollieren, ist höchst unwahrscheinlich.»
Doch genau dies ist nun geschehen. Die Ansprache wurde deshalb mit grossem Interesse erwartet. Zunächst sprach Biden über das ursprüngliche Ziel der USA in Afghanistan. Das sei gewesen, die Verantwortlichen für die Anschläge vom 11. September zur Verantwortung zu ziehen. «Dieses Ziel wurde erreicht.» Nation Building sei nie ein Ziel gewesen.
Biden sprach über das Abkommen, welches Donald Trump mit den Taliban getroffen habe. Sein Vorgänger habe bereits mit einem Abzug der US-Truppen per Mai 2021 geplant. Er habe deshalb nur zwei Möglichkeiten gehabt, so Joe Biden. Entweder neue Soldaten nach Afghanistan zu schicken, oder den Rückzug zu beenden. «Rückzug oder Eskalation.» Er habe schon immer gesagt, «dass es keinen guten Zeitpunkt zum Abzug geben wird».
«Ich werde die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen.»
Joe Biden
Biden gab zu, dass das Tempo der Machtergreifung der Taliban ihn überrascht habe. Es sei schneller passiert, «als wir erwartet haben». Dies sei geschehen, weil der afghanische Präsident und die Regierung aus dem Land geflüchtet seien. Die USA habe den Afghanen alle Möglichkeiten gegeben, ihre Zukunft selbst zu bestimmen – die besten Waffen und sogar Löhne habe man ihnen bezahlt. Der afghanische Präsident Ghani habe ihm versichert, dass seine Truppen kämpfen würden – doch er lag falsch.
Er wolle sich auf die Herausforderungen im eigenen Land konzentrieren, sagte Biden. Dies geschehe nicht durch endlose Einsätze in fremden Ländern. «Ich werde die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen.»
Biden versicherte, dass in den kommenden Tagen eine sichere Luftverbindung hergestellt werde. Die verbleibenden US-Bürger würden aus dem Land geflogen ebenso Afghanen, die kollaboriert hätten. Falls die Taliban diese Operation behinderten, würde die USA mit voller Kraft zurückschlagen. Die Ansprache von Joe Biden dauerte knapp 20 Minuten, Fragen beantwortete er keine.
Bereits zuvor äusserten sich weitere westliche Staaten, die in Afghanistan militärische involviert waren.
Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den 20 Jahre dauernden internationalen Einsatz in Afghanistan als Enttäuschung bewertet. Jenseits der Bekämpfung des Terrorismus sei alles «nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben», sagte die CDU-Politikern am Montag in Berlin. «Das ist eine Erkenntnis, die ist bitter.» Es seien «keine erfolgreichen Bemühungen» gewesen, sagte Merkel mit Blick auf den Versuch, das Land zu Demokratie und Frieden zu führen und dort eine freie Gesellschaft zu entwickeln.
Daraus müsse man Lehren ziehen und bei solchen Einsätzen «seine Ziele auch kleiner fassen.» Die Taliban hätten das ganze Land erneut unter ihre Kontrolle gebracht. «Das ist eine überaus bittere Entwicklung», sagte Merkel. «Bitter, dramatisch und furchtbar ist diese Entwicklung natürlich für die Menschen in Afghanistan.» Bitter sei die Entwicklung aber auch für Deutschland. Merkel erinnerte an die vielen Soldaten der westlichen Verbündeten, die den Einsatz in Afghanistan mit dem Leben bezahlt haben, darunter 59 deutsche Soldaten.
Die Regierung sei nach dem Abzug der internationalen Truppen davon ausgegangen, dass es mehr Zeit gebe, um Lösungen für die afghanischen Ortskräfte zu finden. Die Dinge hätten sich jedoch beschleunigt, die afghanische Armee habe «aus welchen Gründen auch immer» kaum oder keinen Widerstand gegen die Taliban geleistet. «Da haben wir eine falsche Einschätzung gehabt. Und das ist nicht eine falsche deutsche Einschätzung, sondern die ist weit verbreitet», sagte Merkel. Sie schliesse sich dieser Bewertung von Aussenminister Heiko Maas an.
Merkel (CDU) kündigte an, den afghanischen Nachbarstaaten schnell Hilfe anzubieten, um Fluchtbewegungen nach Europa unter Kontrolle zu halten. «Hier geht es vor allen Dingen darum, dass wir den Nachbarstaaten helfen, in die die afghanischen Flüchtlinge gegebenenfalls kommen», sagte Merkel am Montagabend bei einer Pressekonferenz zur Krisenlage in Afghanistan.
Emmanuel Macron
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor einem Wiedererstarken des Terrorismus in Afghanistan nach dem Fall des Landes an die Taliban gewarnt. «Afghanistan darf nicht wieder zu dem Zufluchtsort des Terrorismus werden, der es einmal war», sagte Macron am Montagabend in einer Fernsehansprache. Islamistische Terroristen würden versuchen, von der aktuellen Situation zu profitieren. Macron kündigte eine Initiative Frankreichs mit den europäischen Partnern gegen diese Bedrohung an. Dazu habe er sich bereits mit dem britischen Premierminister Boris Johnson ausgetauscht.
«Die Destabilisierung Afghanistans droht ausserdem zu ungesteuerten Flüchtlingsströmen Richtung Europa zu führen.» Diese wolle Frankreich mit Deutschland und anderen europäischen Partnern kanalisieren, kündigte Macron an. Er habe dazu bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen.

Macron warnt vor Wiedererstarken des Terrorismus in Afghanistan.Bild: keystone
Neben der Evakuierung der eigenen Landsleute, die absolute Priorität habe, sicherte Macron den afghanischen Helfern der Franzosen vor Ort und auch afghanischen Intellektuellen Frankreichs Hilfe zu. Er habe zwei Militärflugzeuge und Spezialkräfte nach Afghanistan beordert. Dem afghanischen Volk sicherte der Präsident Unterstützung in seinem Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung zu.
Macron erinnerte an das militärische französische Engagement am Hindukusch von 2001 bis 2014, bei dem 90 französische Soldaten ihr Leben liessen. «Der Kampf Frankreichs war nützlich.» (cma/sda/dpa)
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
1 / 18
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
quelle: keystone / zabi karimi
So dramatisch geht es derzeit in Afghanistan zu und her
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Italien schicke Migranten auf unnötig lange Umwege, sagt der Europarat, das sei illegal. Schuld seien die zivilen Seeretter im Mittelmeer, sie operierten widerrechtlich, antwortet Italiens Regierung. Wer hat recht? Die Expertin ordnet ein.
Nach vier Tagen rauer Fahrt und einem Umweg von 1500 Kilometern verlassen vor wenigen Tagen in Carrara 95 aus dem Mittelmeer gerettete Menschen die «Ocean Viking». Das Schiff der deutschen Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat am 25. Januar die vor der Küste Libyens in Seenot geratenen Migranten an Bord genommen.