Kurz vor den Weihnachtsgottesdiensten hat die Polizei die Sicherheitsmassnahmen am Kölner Dom wegen Hinweisen auf einen möglichen Anschlagsplan einer islamistischen Gruppe erhöht. Polizisten durchsuchten am Samstagabend mit Spürhunden die Kathedrale und kündigten an, an Heiligabend alle Besucher zu kontrollieren. Auch in Wien erhöhte die Polizei ihre Schutzmassnahmen. Sicherheitsbehörden hatten nach dpa-Informationen Hinweise, dass auch eine Kirche in Wien mögliches Ziel der Gruppe war. Zuvor hatte die «Bild» berichtet.
Die Polizei in Köln wollte sich am Sonntagvormittag allgemein zu den Ermittlungen äussern. Gleichzeitig hiess es, dass sich die Behörde wegen der laufenden Ermittlungen nicht zu Details äussern werde.
Nach dpa-Informationen könnte es bei der Gruppe möglicherweise einen Bezug zu einem Ableger des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) geben, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt und in Afghanistan schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban austrägt.
Laut «Bild» soll es am Samstag bereits erste Festnahmen durch Spezialeinheiten in Wien und auch eine in Deutschland gegeben haben. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst im österreichischen Innenministerium wollte sich über mögliche Festnahmen nicht äussern. «Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu aktuell laufenden Ermittlungen nicht äussern», teilte ein Sprecher in Wien am späten Samstagabend auf Anfrage mit.
Die Kölner Polizei hatte die Erhöhung ihrer Schutzmassnahmen mit einem Gefahrenhinweis begründet, ohne Details zu nennen. Der Staatsschutz, der bei politisch motivierten Straftaten aktiv wird, habe Ermittlungen aufgenommen. Gottesdienstbesucher des Kölner Doms und Touristen müssten sich in den nächsten Tagen auf erhöhte Sicherheitsstandards einstellen.
«Auch wenn sich der Hinweis auf Silvester bezieht, werden wir bereits heute Abend alles für die Sicherheit der Dombesucher an Heiligabend in die Wege leiten. In Abstimmung mit dem Sicherheitsbeauftragten des Domkapitels wird die Kathedrale nach der Abendmesse mit Spürhunden abgesucht und anschliessend verschlossen», sagte der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser, laut Mitteilung. Am Abend fuhren Polizeifahrzeuge vor dem Kölner Dom vor, wie dpa-Reporter beobachteten. Auch Spürhunde der Polizei waren im Einsatz.
In einer Mitteilung der Wiener Polizei hiess es zuvor, die Sicherheitsbehörden in Österreich hätten angesichts von Aufrufen zu terroristischen Angriffen gegen christliche Veranstaltungen in ganz Europa, insbesondere an Heiligabend, ihre Schutzmassnahmen erhöht. Auch aufgrund einer aktuellen Gefährdungseinschätzung des Verfassungsschutzes gelte während der Weihnachtsfeiertage allgemein eine erhöhte Gefährdungslage, teilte die Polizei mit. Es werde als Vorsichtsmassnahme in Wien und in den Bundesländern eine verstärkte Überwachung gefährdeter Orte geben, darunter auch Kirchen und Weihnachtsmärkte.
Es werden demnach zivile und uniformierte Einsatzkräfte mit besonderer Ausrüstung und auch Gewehren im Einsatz sein. «Die polizeiliche Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf Kirchen und religiöse Veranstaltungen, insbesondere Gottesdienste, und auf Weihnachtsmärkte», erklärte die Polizei weiter.
Die Terrorwarnstufe in Österreich sei nach wie vor erhöht, erklärte die Polizei weiter. Die zusätzlichen Vorsichtsmassnahmen dienten der Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit in Österreich, hiess es.
Dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sind am Sonntag keine Hinweise auf konkrete geplante Anschläge in der Schweiz vorgelegen. Die Terrorbedrohung in der Schweiz sei aber nach wie vor erhöht, wie der NDB auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bekanntgab.
Für die Schweiz habe sich die Beurteilung der Terrorbedrohung nicht geändert, so der NDB am Sonntag. Die Schweiz gehöre zur westlichen, von Dschihadisten und Dschihadistinnen als islamfeindlich eingestuften Welt und stelle damit aus deren Sicht ein legitimes Ziel für Terroranschläge dar. Zu konkret betroffenen Kantonen, Regionen oder Städten in der Schweiz äusserte sich der NDB nicht.
Nach Beurteilung des NDB sind aber andere Staaten exponierter als die Schweiz, insbesondere solche, die sich militärisch an internationalen Koalitionen gegen den «Islamischen Staat» beteiligen oder von dschihadistisch inspirierten Personen als besonders islamfeindlich wahrgenommen werden.
Das plausibelste Terrorszenario für die Schweiz sei derzeit ein dschihadistischer Gewaltakt, der von einer dschihadistisch inspirierten einzelnen Person verübt wird. Nach Einschätzung des NDB würde sich dieser Angriff gegen schwach geschützte Ziele wie beispielsweise Menschenansammlungen richten und geringe logistische und organisatorische Mittel erfordern.
Ausserdem könnten der Angriff der Hamas auf Israel und der Krieg in Nahost auch die Sicherheit jüdischer und israelischer Interessen in der Schweiz tangieren, so der NDB weiter. Jüdische und auch muslimische Einrichtungen seien bereits seit einigen Jahren einer erhöhten Bedrohung durch Terrorismus und gewalttätigen Extremismus ausgesetzt. (saw/sda)