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Streaming und CO2 – Serienjunkies als Klimasünder

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Bild: EPA

Streaming und CO2 - Serienjunkies als Klimasünder

30.10.2019, 15:3630.10.2019, 16:50
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Vor nicht allzu langer Zeit stand vor dem Kinoabend zu Hause der Besuch der Videothek. Heute braucht es nur ein paar Klicks, um sich Filme und Serien auf den Bildschirm zu holen. Der Streamingdienst Netflix boomt und bekommt bald mächtige Konkurrenz. Doch der Komfort des Streamings geht zu Lasten der Umwelt.

Eine halbe Stunde Streaming verursacht laut Berechnungen des französischen Think Tanks The Shift Project Emissionen, die 1,6 Kilogramm Kohlendioxid entsprechen - etwa so viel wie bei einer Autofahrt von 6,28 Kilometern. Streaming war demnach im vergangenen Jahr für einen Ausstoss von Treibhausgasen verantwortlich, der genauso hoch war wie der Spaniens. Diese Menge werde sich in den nächsten sechs Jahren voraussichtlich verdoppeln, schätzt The Shift Project.

Die Streamingbranche wächst. Immer mehr Menschen haben Zugang zum Internet. Und neue Streamingdienste kommen hinzu: Am 1. November startet Apple TV+, kurz darauf Disney+ und im Mai HBO Max. Netflix, einer der grössten Anbieter, expandiert weltweit. Die Einnahmen durch Streaming-Abos stiegen nach Angaben des Unternehmens zwischen 2017 und 2018 um 53 Prozent.

34 Prozent des globalen Datenverkehrs entstehen durch das Streamen von Videos bei Anbietern wie Netflix und Amazon Prime. An zweiter Stelle kommt Online-Pornografie.

Wachsender Energieverbrauch

«Digitale Videos kommen in sehr grossen Dateien, und die werden mit jeder neuen Generation von Videos mit höherer Auflösung immer noch grösser», sagt Gary Cook von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Bildschirme werden ständig grösser, die Auflösung und die Dateigrössen dementsprechend auch. Das bedeute einen wachsenden Energieverbrauch, sagt Cook.

Bildschirme mit 4K-Auflösung brauchen laut der Umweltschutzorganisation Natural Resources Defense Council etwa 30 Prozent mehr Strom als solche mit HD-Qualität. Vergangenes Jahr kamen die ersten 8K-Monitore auf den Markt. Einen grossen Teil der Energie fürs Streaming verschlingen die Server, auf denen die Video-Dateien liegen.

Um schnelles Streaming ohne Stocken zu garantieren, «werden die Anlagen auf allen Ebenen überdimensioniert», sagt Laurent Lefevre vom französischen Forschungsinstitut Inria. «Die Folge ist eine Verschwendung von Ressourcen auf allen Ebenen.»

Die Anbieter bemühen sich in erster Linie um technische Lösungen, um die Umweltbelastung zu reduzieren – wie etwa eine klimafreundlichere Kühlung der Rechenzentren oder Codierungen, die die Datenmengen verringern. Experten bezweifeln jedoch, dass sich der ökologische Fussabdruck des Streamings dadurch begrenzen lässt. «Denn technologische Verbesserungen schaffen neue Nutzungsmöglichkeiten», sagt Maxime Efoui-Hess von The Shift Project.

Autoplay-Funktion abschalten

Die Konsumenten müssten Druck auf die Anbieter ausüben, ihre Rechenzentren mit erneuerbaren Energien zu betreiben, fordert Gary Cook von Greenpeace. Forscher Lefevre appelliert an jeden Einzelnen, sein Nutzungsverhalten zu ändern: Am schädlichsten sei es, Filme auf dem Smartphone über eine mobile Datenverbindung zu streamen. Sparsamer ist es demnach, Videos in niedrigerer Auflösung im WLAN anzusehen. Auch die Autoplay-Funktion abzuschalten hilft, weil dadurch Mediendateien nicht mehr automatisch abgespielt werden.

Klimabewussten Streamingsfans hilft der «Carbonalyser», eine Browsererweiterung, die The Shift Project entwickelt hat. Der zeigt an, wie viel CO2-Emissionen die Internetnutzung verursacht und rechnet aus, wie vielen Autokilometern sie entspricht. (sda/afp)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Keewee
30.10.2019 17:26registriert Februar 2016
Warum sprechen wir nicht einmal über die Zementfabriken? Oder die grossen Öltanker? Oder das US Militär? Alles andere ist nichts im Verhältnis dazu! Das ist mal ein ökologischer Fingerabdruck!
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Whitchface
30.10.2019 17:03registriert November 2015
Die Rechnung würde ich nur zu gern sehen. 30 Minuten streamen = 6 km Autofahren? Bei dieser Rechnung wurde die graue Energie der Fahrzeuge kaum berücksichtigt. Geschweige denn die Herstellung des Benzins. Ohne weitere Informationen zur Berechnung wirklich ein schwacher Artikel.
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m00dy
31.10.2019 09:25registriert August 2019
Ha ha, next one! Bin gespannt, wie viele Leute zukünftig mit einem "Stop Streaming" Schild an der Demo zu sehen sind. Der Vergleich mit dem bösen Auto ist auch sehr interessant, oder waren es die Flieger... oder das Fleisch? What ever, ich sehe den Wald vor lauter qualmenden Datenleitungen schon lange nicht mehr.
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