Huawei und die USA – es ist keine harmonische Geschichte. Spätestens seit 2017 ein heftiger Handelskrieg zwischen den USA und China – den beiden grössten Wirtschaftsmächten der Erde – ausbrach, ist das Verhältnis zwischen amerikanischen Regierungsbehörden und dem chinesischen Technologiekonzern höchst problematisch, um es milde auszudrücken. Im Mai 2019 setzte der damalige Präsident Donald Trump Huawei sogar auf eine schwarze Liste.
Das amerikanische Misstrauen gegenüber dem Konzern reicht jedoch noch weiter zurück. Seit Langem beschuldigt die US-Regierung das Unternehmen, US-Kunden auszuspionieren. Huawei ist eng mit dem autokratisch geführten chinesischen Staat verbandelt, und die USA – wie auch andere westliche Länder – fürchten, dass der Konzern Daten an chinesische Organe, etwa die Staatssicherheit oder die Armee, weitergeben könnte. Allerdings hat sich Huawei in den vergangenen Jahren auch zu einem ernsthaften Konkurrenten für US-Unternehmen entwickelt.
Amerikanische Unternehmen erhielten schon 2012 den Hinweis von staatlicher Seite, sie sollten besser auf Huawei-Technologie verzichten. So wechselte das US-Nuklearforschungszentrum Los Alamos National Laboratory – der Ort, an dem die erste Atombombe entwickelt worden war – 2013 zwei Kopplungselemente im Computer-Netzwerk aus, die von einer chinesischen Firma stammten, die von Huawei als Joint Venture mit einem anderen chinesischen Unternehmen mitbegründet worden war. 2018 schliesslich untersagte die Federal Communications Commission (FCC) amerikanischen Regierungsstellen und ihren Subunternehmern die Verwendung von Huawei-Geräten.
Die Biden-Regierung verfolgt den harten Kurs gegen Huawei weiter. Kurz nach dem Amtsantritt von Joe Biden im Januar 2021 soll das amerikanische Handelsministerium eine Untersuchung gegen Huawei eingeleitet haben, berichtete unlängst die Nachrichtenagentur Reuters. Die Befürchtung der US-Behörden: Der chinesische Technologiekonzern könnte über seine Geräte, die in amerikanischen Mobilfunkmasten in der Nähe von Militärbasen und nuklear bestückten Raketensilos verbaut sind, sensible Informationen abgreifen.
Dabei geht es beispielsweise um Nachrichten und Geolokalisierungsdaten, die Rückschlüsse über Truppenbewegungen oder den Bereitschaftsstatus von Basen und Personal erlauben könnten. Es bestehe die reale Sorge, dass dies bei einem Einsatz der Atomraketen von einem feindlichen Staat als Frühwarnsystem genutzt werden könnte, sagte ein Experte gegenüber Reuters.
«Kann man einen Empfänger an einem (Mobilfunk-)Turm anbringen, ist es möglich, Signale zu sammeln und damit Informationen zu erhalten. Kein Geheimdienst würde sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen», erklärte Jim Lewis, Experte für Cybersicherheit am Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Huawei soll deshalb im April 2021 vorgeladen worden sein, um den US-Behörden Auskunft darüber zu geben, wie es mit der Weitergabe von Daten, die es über seine Geräte von Mobiltelefonen erfasst, an ausländische Stellen verfährt. Das Handelsministerium erklärte gegenüber Reuters, es könne «laufende Untersuchungen weder bestätigen noch dementieren». Huawei wiederum reagierte nicht auf eine Bitte von Reuters um Stellungnahme.
Auch die chinesische Botschaft in Washington äusserte sich gegenüber Reuters nicht zu den konkreten Vorwürfen, sondern erklärte, die US-Regierung missbrauche das Konzept der nationalen Sicherheit, «um Huawei und andere chinesische Telekommunikationsunternehmen mit allen Mitteln zu unterdrücken». Handfeste Beweise einer Sicherheitsbedrohung für die USA fehlten jedoch, betonte die Botschaft.
Der US-Nachrichtensender CNN berichtete Ende Juli ebenfalls über die Sicherheitsrisiken, die von in Mobilfunkeinrichtungen verbauten Huawei-Geräten ausgehen. CNN zitiert mehrere anonyme Quellen aus Geheimdienstkreisen, die von einer geheimen Untersuchung des FBI im Zusammenhang mit diesen Sicherheitsrisiken berichten. Laut den Auskünften sollen die Huawei-Geräte in der Lage sein, die geheime Kommunikation des Verteidigungsministeriums abzufangen und zu stören. Selbst die Kommunikation des US Strategic Command, das die Atomwaffen des Landes überwacht, sei davon betroffen.
Es sei nicht klar, ob tatsächlich Daten abgefangen und nach China weitergeleitet worden seien, schreibt CNN. Der technische Nachweis, ob ein bestimmtes Datenpaket gestohlen und ins Ausland geschickt wurde, sei unglaublich schwierig zu führen. Die chinesische Regierung bestreitet energisch, dass es Bemühungen gebe, die USA auszuspionieren. Huawei verneinte gegenüber CNN, dass seine Geräte in dem vom Verteidigungsministerium genutzten Spektrum arbeiten können.
Mehrere Quellen versicherten CNN indes, dass die Huawei-Geräte sehr wohl dazu imstande seien und diese kritische Kommunikation sogar zu stören vermöchten. So hätten die FBI-Ermittler festgestellt, dass die Huawei-Geräte Kommunikation im Pentagon-Spektrum erkennen und stören konnten. Dabei waren sie zuvor von der FCC zertifiziert worden. «Es ist technisch nicht schwer, ein Gerät zu bauen, das die FCC-Bestimmungen erfüllt (...), dann aber stillschweigend auf einen Aktivierungsauslöser wartet, um auch andere Bänder abzuhören», erklärte ein Experte dem Nachrichtensender.
Die FBI-Untersuchung, die laut CNN bereits in der Zeit der Obama-Regierung begonnen hat, stellte damals eine beunruhigende Häufung von Huawei-Geräten entlang bestimmter Abschnitte der Interstate 25 in Colorado und Montana sowie an Ausfallstrassen nach Nebraska fest. Dieser stark befahrene Verkehrskorridor verbindet einige der geheimsten Militäreinrichtungen der USA – unter denen sich auch mehrere Anlagen mit Atomraketen-Silos befinden.
Den Ermittlern fiel auf, dass Huawei routinemässig billige Geräte an regionale Anbieter in dieser Gegend verkaufte. Diese Anbieter sind in weiten, dünn besiedelten Gebieten der USA die einzigen Provider der Mobilfunkabdeckung, weil sich das Geschäft für die grossen Player dort nicht genügend lohnt. Die kleinen Firmen erhielten von Huawei Geräte, die zwar zuverlässig waren – aber auch zu billig, um für den chinesischen Tech-Giganten noch profitabel zu sein.
So schloss etwa Viaero, der grösste regionale Anbieter in der Gegend, 2011 einen Vertrag mit Huawei ab. Der Konzern lieferte die Ausrüstung für die Umstellung auf 3G. Zehn Jahre später waren sämtliche Mobilfunkmasten von Viaero in fünf US-Bundesstaaten – es handelt sich um rund 1000 Masten –mit Technik des chinesischen Unternehmens ausgerüstet.
Im Einzugsbereich von Viaero befindet sich etwa die Malmstrom Air Force Base im US-Staat Montana. Es ist einer von drei Luftwaffenstützpunkten der USA, auf denen Einheiten des Air Force Global Strike Command stationiert sind, die strategische nukleare Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman III betreiben. Ein weiterer solcher Stützpunkt ist die F. E. Warren Air Force Base im US-Staat Wyoming, die sich im Abdeckungsbereich von Union Wireless befindet. Auch dieser Provider nutzt Huawei-Ausrüstung.
Nachdem die Ermittler ihre beunruhigenden Erkenntnisse 2019 dem Weissen Haus mitgeteilt hatten, ordnete die FCC an, dass jene Telekommunikationsanbieter, die wie etwa Viaero staatliche Subventionen für die Mobilfunk-Versorgung abgelegener Gebiete erhalten, ihre Huawei-Geräte entfernen und ersetzen müssen («Rip and Replace Program»). 2020 wurden für die Erstattung der Kosten dieses Umbaus 1,9 Milliarden Dollar veranschlagt.
Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass der Ersatz der Huawei-Technik bedeutend teurer wird als angenommen. Bis zum Anmeldeschluss Ende Januar 2022 schickten die Mobilfunkbetreiber insgesamt 181 Anträge auf Kostenerstattung für den Ausbau und Ersatz ihrer Huawei-Infrastruktur an die FCC. Gemäss der FCC-Vorsitzenden Jessica Rosenworcel beläuft sich der Gesamtbetrag dieser Forderungen auf 5,6 Milliarden Dollar. Ohne zusätzliche vom Kongress bewilligte Mittel kann die FCC den Mobilfunkbetreibern lediglich einen Drittel der Kosten erstatten.
Die Ergebnisse der laufenden Ermittlungen des FBI und des Handelsministeriums könnten nun aber die FCC dazu veranlassen, mehr Druck auf die Mobilfunkbetreiber auszuüben, um den Ersatz der Huawei-Technik schneller voranzutreiben.
Heja, logisch, oder etwa nicht?