Einige Staatsführerinnen und Staatsführer sprechen zwar offen über den hybriden Krieg, den Wladimir Putin gegen Europa führen lässt. Jedoch vermag man den immer dreisteren Sabotage-Aktionen und Desinformations-Kampagnen bislang keinen Riegel zu schieben.
Der im Ausland lebende russische Investigativ-Journalist Roman Dobroсhotow gibt in einem aktuellen Interview Einblicke in Russlands zunehmend aggressive Attacken, die unter der Kriegsschwelle stattfinden. watson fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Eine ganz zentrale, erklärt Dobroсhotow:
Der russische Präsident entscheide, wer getötet werden soll. Was «das Einschlagen von Fenstern» betreffe, könnten solche Entscheidungen auf der Ebene einzelner Generäle getroffen werden. Vorausgesetzt, die Aktionen stimmten mit der Kreml-Strategie überein.
Hier gilt es laut Dobroсhotow zu differenzieren.
Investigativ-Journalist Dobroсhotow erklärt, dass die russischen Geheimdienste GRU und FSB immer häufiger «unbedeutende Personen» über Telegram anwerben, um in Europa «kleine Provokationen» durchzuführen.
Hierzu muss man wissen, dass Telegram nicht nur ein Messenger-Dienst mit (optionaler) Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist, sondern auch eine Social-Media-Plattform. Gemäss EU-Einschätzung zählt Telegram mit über 40 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern zu den wenigen sehr grossen Plattformen, die einer strengen gesetzlichen Regulierung bedürfen.
Allerdings belegen unabhängige Untersuchungen eine mangelhafte Inhalte-Moderation in öffentlich zugänglichen Telegram-Kanälen. Die Plattform gilt denn auch als Tummelplatz für Kriminelle. Die Firma dahinter, die dem russischen Milliardär Pawel Durov gehört, scheint nur auf massiven Druck der Behörden zu reagieren.
Dobroсhotow findet klare Worte:
Anzumerken ist, dass die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen ihre Energiesysteme im Februar vom russischen Stromnetz abkoppeln und mit dem übrigen Kontinentaleuropa synchronisieren. Bislang erfolgte die Energieversorgung über ein gemeinsames Stromnetz mit Russland und Belarus. Wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine gilt dies als Sicherheitsrisiko.
Von Roman Dobroсhotow, einem russischen Investigativ-Journalisten und Polit-Aktivisten, der im Exil lebt. Der 41-Jährige ist Chefredaktor bei The Insider, einem unabhängigen Medium, das auf die Aufdeckung russischer Geheimdienst-Operationen spezialisiert ist.
Seit der Gründung 2013 hat The Insider mit seinen Recherchen – oft im Verbund mit Bellingcat und renommierten Medienhäusern – für Furore gesorgt. Eine der bekanntesten Untersuchungen drehte sich um die Nowitschok-Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, die Täter und Auftraggeber.
2021 erklärte der Kreml The Insider zum «ausländischen Agenten», um das journalistische Angebot zu zensieren. Ein Jahr später landete Dobroсhotow selbst auf der Agentenliste. Das heisst, er kann sich nicht mehr frei in Russland bewegen, sondern muss vielmehr mit Verfolgung, Folter und gar Ermordung rechnen.
Dobroсhotow hat kürzlich The Baltic Sentinel ein Interview gegeben (siehe Quellen).
Das Center for European Policy Analysis (CEPA) hat im November 2024 einen Meinungsartikel mit dem Titel «Russland für hybride Angriffe bezahlen lassen» veröffentlicht. Darin argumentiert der Autor, der litauische Diplomat Eitvydas Bajarunas, der Westen solle mit harten Vergeltungsmassnahmen dagegenhalten.
Dieser eigene hybride Krieg müsse «genügend verheerend sein, um Russland Tränen in die Augen zu treiben und zukünftiges Fehlverhalten zu verhindern».
Bajarunas empfiehlt:
Entscheidend sei eine klare Kommunikation gegenüber Russland. Es sei wichtig, Entschlossenheit und die Fähigkeit zur Vergeltung zu signalisieren.
Was die Bekämpfung von russischer Desinformation betrifft, ist vom wichtigsten NATO-Partner Europas, den USA, in Zukunft jedoch weniger zu erwarten. Den Republikanern im US-Kongress ist es gelungen, das Global Engagement Center des Aussenministeriums zu schliessen. Diese Institution hatte der Überwachung und Bekämpfung von Desinformationskampagnen aus Russland, China und anderen Staaten gedient.
Europa muss auch hier selbstständig agieren.