Kirk-Attentat: Utahs Gouverneur erklärt Social Media den Krieg – und gerät ins MAGA-Visier
Spencer Cox ist ein höchst altmodischer Republikaner. Der Gouverneur von Utah, der seit der Ermordung von Charlie Kirk auf dem Campus der Utah Valley University im Scheinwerferlicht steht, ist kein Provokateur. Er setzt sich vielmehr für Dialog und «echte Konversationen» ein, gerade auch nach traumatischen Ereignissen. Amerika müsse wieder lernen, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, sagt der seit 2021 amtierende Gouverneur.
In einem Punkt aber lässt Cox nicht mit sich reden: Er ist überzeugt davon, dass moderne Informationstechnologie schädlich für die Bevölkerung ist. «Social Media sind derzeit ein Krebsgeschwür unserer Gesellschaft», sagte der 50 Jahre alte Gouverneur kurz nach dem Attentat auf Kirk. Er rief die Menschen deshalb dazu auf, ihr Handy wegzulegen, an die frische Luft zu gehen und die eigene Familie zu umarmen.
Gouverneur betont das Kindeswohl
Das sind nicht nur leere Worte. Utah hat sich in der Regierungszeit des Gouverneurs zu einer Speerspitze im Kampf gegen die sozialen Medien gemausert. Unter dem Banner Jugendschutz ging kein anderer Bundesstaat derart konzertiert gegen die Giganten des Silicon Valley vor.
So sind im Bundesstaat, in dem rund 3,3 Millionen Menschen wohnen, nicht nur Handys an öffentlichen Schulen verboten. Auch hat das Parlament von Utah ein Gesetz verabschiedet, das den Zugriff von Minderjährigen auf die sozialen Medien einschränkt. Internet-Seiten, die pornographische Inhalte verbreiten, sind zudem dazu gezwungen, Filter und Altersüberprüfungen einzusetzen. Auf dem Rechtsweg geht Utah zudem gegen die Social-Media-Giganten Facebook, TikTok und Snapchat vor, weil die Handy-Dienste angeblich Kinder süchtig machten und sie sexuell ausbeuteten.
Das sind vergleichsweise drastische Schritte, in einem Land, in dem das Recht auf freie Meinungsäusserung in der Verfassung verankert ist. Das Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren liegt denn auch auf Eis, nachdem eine Koalition von Internet-Firmen eine Gerichtsklage gegen das Gesetz eingereicht haben.
Cox aber setzt seinen Weg unbeirrt fort. Er sagt:
Auch beschuldigte der Politiker die Internet-Unternehmen, sie machten die Menschen gezielt süchtig und wiegelten sie gegeneinander auf. «Sie wollen uns dazu bringen, einander zu hassen», sagte der Gouverneur in einem Fernseh-Interview.
Man mag solche Töne populistisch finden, auch weil die wirtschaftlichen Folgen der geforderten Verbote auf Utah nicht allzu gross sind. Auch profitiert Cox davon, dass er einen tief-konservativen Staat regiert, in dem die Mormonen-Kirche (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) immer noch den Ton angibt.
Aber nach dem Attentat auf Kirk, das im ganzen Land Schockwellen auslöste, sinnieren viele Amerikaner über die Gründe nach, die zu einer derart tiefen Spaltung des Landes führten. Und viele Eltern möchten gerne wissen, wie ein angeblich blitzgescheiter Sohn einer ganz normalen Familie sich online derart radikalisieren konnte, dass er im Alter von 22 Jahren zum Mörder wurde.
Cox als «nationale Peinlichkeit» beschimpft
Natürlich muss sich Cox den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Lösungsansätze bisweilen zu simpel klingen. Nicht jedes Problem auf dieser Welt lässt sich mit einer innigen Umarmung lösen. Aber die wütenden Reaktionen deuten darauf hin, dass der Gouverneur seinen Finger auf einen wunden Punkt legt. So äusserten sich auffällig viele Aushängeschilder des rechten Amerikas abfällig über Cox' pointierte Kritik an der digitalen Ökonomie. Der Kommentator Steve Bannon zum Beispiel beschimpfte den Gouverneur als eine «nationale Peinlichkeit».
Die Reaktion des Gouverneurs spricht Bände. Er bezeichnete Bannon auf CNN als Unternehmer, der Konflikte erzeuge und davon profitiere, wenn sich die Bevölkerung stetig radikalisiere. Daran habe er kein Interesse, sagte Cox.
Ein Politiker, der nach Lösungen sucht, und nicht Krawall machen will: Das ist erfrischend, in einem Land, in dem zuletzt viel zu viele Katastrophenszenarien kursierten.
(aargauerzeitung.ch)
