«Eigentlich darf ich das gar nicht erzählen», sagt ein Mitglied des Golfclubs und zeigt auf eine Düne an Loch 15, vielleicht 200 Meter entfernt. «Die grosse dort, auf der rechten Seite, die nennen wir ‹Donald’s Düne›. Wir mussten sogar die langen Gräser darauf stutzen, es ging einfach nicht mehr», sagt er kichernd.
Weil der US-Präsident und Besitzer des Platzes schon öfter Bälle dort hineingeschossen und nicht mehr gefunden hat? «Nein, weil die Gräser beim richtigen Licht ausgesehen haben wie seine Haare! Als ob er dich anschaut beim Abschlag. Zum Totlachen!»
Über Donald Trump macht man hier eigentlich keine Witze, schliesslich gehört ihm das Anwesen rund 10 Kilometer nördlich von Aberdeen. Darum bleibt der Name des Mitglieds geheim.
Am Montagabend besucht der US-Präsident die «Trump International Golf Links», wie der Platz an der Ostküste Schottlands heisst. Er fliegt von Turnberry ein, seinem anderen Luxus-Resort an der Westküste, wo er das Wochenende verbrachte.
Schon Tage vor Trumps Ankunft herrscht Alarmstimmung. Bis auf einen kleinen Schotterweg sind sämtliche Zufahrtsstrassen zum Anwesen abgesperrt. Über dem Golfplatz kreisen sechs Helikopter der US-Armee gleichzeitig, darunter vier monströse Chinook-Transporter.
«Seit Tagen ist hier alles voll von Sicherheitskräften. Absolut keine Chance, dass hier irgendjemand reinkommt, der nicht reinkommen soll», sagt Liam, mein Caddy, während er meine Golftasche über den Rasen schleppt. Auf einer Düne am Horizont stehen zwei Polizisten und spähen in die Hügellandschaft.
Trumps Ankunft wirft seine Schatten voraus – und auch sonst ist der US-Präsident dauerpräsent. Im Clubhaus prangt das Trump-Logo auf Taschen und T-Shirts. Die Schokolade wird in Goldbarrenform verkauft, quasi die Trump-Version der Toblerone. Natürlich fehlen auch die roten MAGA-Kappen nicht. Und für umgerechnet 2100 Franken können seine gut betuchten Fans eine weisse Mütze mit Autogramm erstehen.
Trump an den Wänden, auf jedem Golfball. An der Bar wird «Trump Golden Lager» gezapft, versehen mit der «36». Eine Anspielung auf den neuen Kurs, den der US-Präsident am Dienstagmorgen feierlich eröffnen wird. Er wird den Namen von Trumps Mutter Mary Anne MacLeod tragen, die von der schottischen Insel Lewis stammt. Golf-Freunde können dann beide Plätze nacheinander spielen, also 36 Loch. «Die grossartigsten 36 der Welt», laut Trump.
Für einmal übertreibt er dabei nicht. Denn das Fleckchen Erde, das er sich für seine Golfplätze in der Region Aberdeenshire ausgesucht hat, ist atemberaubend schön. Der bisherige Kurs rangiert seit vielen Jahren in der Liste der Top 100 der Welt.
Obwohl landschaftlich aussergewöhnlich und in allerbestem Zustand, ist das Resort für Trump ein Millionengrab. Deutlich mehr als 20 Millionen Franken Verlust häufte die Anlage an, seit Trump den Golfplatz im Jahr 2012 auf dem rund 5 Quadratkilometer grossen ehemaligen Jagdgebiet errichten liess.
Den Präsidenten scheint das nicht zu stören. Er ist stolz auf seinen Golfclub. «Trump» prangt in grossen Lettern auf jeder Speisekarte und jedem Untersetzer in den Restaurants. Die goldene Protzerei wirkt angesichts der beeindruckenden Schönheit und der Historie des Anwesens etwas bizarr. Der gewaltigen Natur im Osten Schottlands nimmt die Trump-Show dennoch nichts von ihrer Pracht.
Bis auf ein paar harmlose Witze hat denn auch niemand auf dem Gelände wirklich etwas Negatives über den milliardenschweren Clubbesitzer zu berichten. Grant, einer der Greenkeeper, erzählt während eines kurzen Gesprächs auf der Runde von seiner Begegnung mit Trump vor zwei Jahren. «Wir wussten nicht so genau, wie wir reagieren sollten, als er auftauchte», sagt der 23-Jährige, lässig auf seinem Rasenmäher sitzend. «Dann rief er mich und meine Kollegen zu sich her, steckte jedem von uns eine Hundert-Dollar-Note zu und unterschrieb darauf. Ein toller Typ», sagt Grant, setzt seine Ohrenschützer auf und braust davon.
Trump ein toller Typ? Das sehen in Aberdeen nicht alle so. Während seine Gegner es schwer haben dürften, in unmittelbarer Golfplatz-Nähe gegen Trumps Schottland-Trip zu protestieren, lassen sie ihrem Ärger am Samstagmittag unter der William-Wallace-Statue in der Innenstadt freien Lauf.
Wallace ist so etwas wie der schottische Wilhelm Tell. Im 13. Jahrhundert kämpfte er gegen die Engländer unter König Edward I. Seine Heldentaten wurden sogar in einem Hollywoodfilm verewigt. «Sie können uns das Leben nehmen, aber niemals unsere Freiheit!», brüllte Mel Gibson in «Braveheart» vor 30 Jahren und führte seine Landsleute in die Schlacht gegen den englischen Tyrannen.
Die paar Hundert Demonstranten, die sich an diesem Samstagmittag in Aberdeen versammelt haben, kämpfen nun, zumindest nach ihrer Darstellung, wieder gegen einen Tyrannen. Der kommt aus den USA und will Schottland nicht unterjochen, sondern eigentlich nur Golf spielen.
Was er in den USA seit einem halben Jahr veranstaltet, halten die Demonstranten in Aberdeen dennoch für höchstgefährlich. «In Schottland ist kein Platz für Trumpismus», lautet deren Motto.
«Faschismus in den USA können wir nicht auf die leichte Schulter nehmen», sagt Amy, die Trump mit ihrem Plakat eine zünftige Beleidigung entgegenschleudert. Der «Genozid in Gaza», der von den USA und ihrer eigenen Regierung finanziert werde, da dürfe man nicht wegschauen, meint sie. «Niemand hier schaut weg.» So solle es sein. Die junge Frau aus dem Städtchen Dundee ist zum ersten Mal auf einem Anti-Trump-Protest.
Anders Eli und Dan Newman. Die amerikanisch-britischen Doppelbürger sind aus Edinburgh angereist. Drei Anti-Trump-Veranstaltungen habe es dort schon gegeben seit Beginn seiner zweiten Präsidentschaft, sagt Eli. Trump habe die USA bereits zu einem faschistischen Land gemacht, ist sie überzeugt. Die Angriffe auf Regierungsbehörden, das Bildungsministerium und das soziale Sicherungssystem zeugten davon. Besonders schlimm seien die «Entführungen von Migranten» durch die Vollstrecker der Migrationsbehörde ICE. Auch Trumps Angriff auf den Iran ohne Kongressbewilligung zeuge vom Verfall der US-Demokratie, schiebt Dan nach.
Für Joen wiederum ist es einerseits der Werteverfall in den USA, der sie auf die Strasse treibt. Gaza wird von fast allen Demo-Teilnehmern genannt, auch von ihr. Trump sei ein Rassist, ein Faschist – «und er hat schottische Landschaft zerstört», sagt die Frau aus Aberdeen.
Womit wir wieder beim Golfplatz wären. Dieser wurde 2012 in einer besonders geschützten Sanddünen-Formation errichtet. In der Folge hat die schottische Naturschutzbehörde den Dünen ihren Status als «Gebiet von besonderem wissenschaftlichem Interesse» aberkannt. Und jetzt komme auch noch ein zweiter Platz hinzu, klagt Joen.
Die Demonstranten, die sich unter dem Namen «Stop Trump Coalition» organisieren, werden alles dafür tun, dass der US-Präsident ihren Ärger mitbekommt, wenn er am Dienstagmorgen den ersten Ball auf seinem neuen Golfplatz nördlich der Stadt abschlägt. (aargauerzeitung.ch)
(Und natürlich macht er das ungefragt.)
…
Was will man da noch sagen?