Trump kann es nicht mehr hören: Trotz all seiner Bemühungen, den Skandal um den 2019 verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein aus dem Weg zu räumen, dominiert das Thema erneut die Debatte in Washington – und das nicht nur beim politischen Gegner. Die fünf wichtigsten Fragen und Antworten zur Affäre.
Eine Gruppe von Frauen, die von Epstein sexuell missbraucht wurden, haben am Mittwoch beim amerikanischen Kapitol eine Pressekonferenz veranstaltet. Sie verlangen an der Seite von mehreren Abgeordneten des Repräsentantenhauses, dass die Regierung sämtliche Ermittlungsakten zum Fall publik macht und nötigenfalls auch die Namen von Komplizen Epsteins verrät.
Eine der Rednerinnen war Marina Lacerda, eine Immigrantin aus Brasilien. Sie habe Epstein kennengelernt, als sie 14 Jahre gewesen sei, sagte sie. Damals habe sie ihre Familie finanziell unterstützen müssen. Epstein bot ihr 300 Dollar an, um einen älteren Mann in seinem Haus in Manhattan zu massieren. Die Veröffentlichung der Regierungsdokumente könnten ihr helfen, «mich an alles wieder zu erinnern und es zu verarbeiten», sagte Lacerda. Aber das Justizministerium sperrt sich, obwohl Präsident Donald Trump im noch im Wahlkampf volle Transparenz in Bezug auf den Fall Epstein versprochen hatte.
In den Augen vieler Anhängerinnen und Anhänger des Präsidenten ist der Skandal um Jeffrey Epstein bloss die Spitze eines Eisbergs. Sie vermuten, dass die Machtelite im Land, die Schönen und Reichen, mit denen sich Epstein umgab, hinter verschlossenen Türen unsägliche Straftaten begehen. Trump schürt diesen Volkszorn auf die Elite normalerweise. Nun aber bezeichnet er den Epstein-Skandal als «eine Erfindung» der Demokraten – obwohl sein Justizministerium Ghislaine Maxwell, die Weggefährtin von Epstein, 2020 hinter Gittern brachte.
Trumps Aussagen öffnen nicht nur in der breiten Masse Gräben, sondern auch in seiner «Make America Great Again»-Bewegung. So kritisierte die rechte Kommentatorin Laura Loomer die rechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene in scharfen Worten dafür, dass sie an der Pressekonferenz der Epstein-Opfer teilgenommen hatte. Sie sei eine Betrügerin, sagte Loomer. Taylor Greene hatte an der Pressekonferenz gesagt: «Jahrzehntelang schützten die Reichen und Mächtigen Jeffrey Epstein, während unschuldige Frauen und Kinder sich stillhalten mussten und in Scham lebten.»
Für den Fall Epstein interessiert sich halb Amerika, erst recht seit Trumps Wiedereinzug ins Weisse Haus. Und dafür verantwortlich – zumindest teilweise – der Präsident selbst. Während des letztjährigen Wahlkampfs deutete der Republikaner an, dass er die ganze Wahrheit über Epstein erzählen werde, sollte er erneut gewählt werden.
In den vergangenen Tagen veröffentlichte Trumps Regierung zwar erneut viele Aktenstücke zum Fall. Die meisten dieser Dokumente aber waren auf anderen Wegen bereits publik gemacht worden. Das Weisse Haus beschimpfte den Versuch einer losen Koalition aus Republikanern und Demokraten, mehr Transparenz zu schaffen, ausserdem kürzlich als «feindlichen Akt». Das ist eine befremdliche Wortwahl für einen Präsidenten, der sich stets dafür rühmt, seine Regierung habe nichts zu verbergen.
Der amerikanische Präsident sagt: Nichts. Zwar war Trump jahrelang mit dem mysteriösen Vermögensverwalter eng befreundet. Aber angeblich kündigte er diese Freundschaft auf, bevor sich in den späten Nullerjahren die Justiz für die Machenschaften von Epstein zu interessieren begann. In seinem New Yorker Haus hatte Epstein dennoch an prominenter Stelle ein Foto, das Trump, Epstein und das slowenische Modell Melania Knauss zeigte, die heutige First Lady der USA.
Die Demokraten werden jede Gelegenheit nutzen, um den Skandal am Köcheln zu behalten. Im nächsten Jahr stehen in den USA bereits wieder Kongresswahlen an – und das Thema eignet sich vorzüglich, um politisch weniger interessierte Menschen zu mobilisieren.
Trump wiederum setzt alles daran, die öffentliche Debatte über Epstein abzuwürgen. Im rechten Lager wird in diesem Zusammenhang mit Interesse verfolgt, wie die «Make America Great Again»-Bewegung mit Dissidenten wie Marjorie Taylor Greene umgeht. Sollte Trump sie aufgrund ihres Positionsbezuges verstossen, käme dies einem Signal an alle aufmüpfigen Politiker gleich. (aargauerzeitung.ch)