Eigentlich sollte von der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr ein klares Signal ausgehen: Trotz Brexit zerbröselt Europa nicht. Konferenzleiter Wolfgang Ischinger lud dafür den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem gemeinsamen Auftritt ein. Beide sagten zu. Alles war angerichtet. Doch dann überlegte Macron es sich angesichts der Gelbwestenproteste zu Hause anders, und die Konferenzplaner gerieten ins Schleudern.
Ein europäisches Signal gibt es mit der gemeinsamen Eröffnung durch die Verteidigungsminister Deutschlands und Grossbritanniens, Ursula von der Leyen und Gavin Williamson, an diesem Freitagnachmittag zwar trotzdem. Aber der inhaltliche Schwerpunkt verlagert sich erheblich. Merkel wird sich beim wichtigsten sicherheitspolitischen Expertentreffen weltweit nun mit US-Vizepräsident Mike Pence messen müssen.
Die fünf grössten Themen der Sicherheitskonferenz im Überblick:
US-Vizepräsident Mike Pence hat von den europäischen Verbündeten einen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran verlangt. Bei einer von den USA organisierten Nahostkonferenz in Warschau nur einen Tag vor der Sicherheitskonferenz in München bezeichnete Pence den Iran am Donnerstag als «grösste Bedrohung» in der Region.
Pence beschuldigte die Führung in Teheran, einen «neuen Holocaust» vorzubereiten. Die USA hatten das 2015 geschlossene Abkommen zur Begrenzung der iranischen Atomkapazitäten im vergangenen Jahr aufgekündigt, während die EU an dem Abkommen festhält und nach Wegen sucht, trotz US-Sanktionen die Geschäftsbeziehungen mit dem Iran aufrecht zu erhalten.
Nach jahrelangen gegenseitigen Vorwürfen haben die USA und Russland Anfang Februar angekündigt, sich ab sofort nicht mehr an ihr Abkommen zum Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen gebunden zu fühlen. Folge könnte ein neues gefährliches Wettrüsten sein. Vor allem die europäischen Nato-Partner der USA wollen das vermeiden und werden bei der Sicherheitskonferenz noch einmal versuchen, Schlüsselpersonen wie den russischen Aussenminister Sergej Lawrow zu Zugeständnissen zu bewegen.
Die Erfolgsaussichten gelten allerdings als gering. Grund ist, dass sowohl den USA als auch Russland unterstellt wird, kein grosses Interesse am Erhalt des INF-Vertrages zu haben. Das liegt vor allem daran, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China.
China ist bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer so grossen und hochrangigen Delegation vertreten wie noch nie. Angeführt wird sie vom Chef-Aussenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas, Yang Jiechi. Der 67-Jährige redet am Samstag nach US-Vizepräsident Pence und kann es mit ihm durchaus auf Augenhöhe aufnehmen.
Anders als in Warschau wird der Iran in München vertreten sein. Am Sonntag wird sich der iranische Aussenminister Mohammed Sarif ein Rededuell mit dem saudischen Staatssekretär Adel al-Jubeir liefern. Beide regionalen Grossmächte sind direkt oder indirekt in die grossen regionalen Konflikt wie in Syrien und im Jemen involviert. Al-Jubeir ist der erste hochrangige Saudi, der Deutschland seit der Tötung des regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi besucht.
Mehr als 18 Jahre nach Beginn des internationalen Militäreinsatzes kommt Bewegung in die Bemühungen um eine Lösung des blutigen Konflikts mit den Taliban. US-Präsident Trump strebt einen politischen Deal mit den radikalislamischen Kräften an, um möglichst schnell viele amerikanische Soldaten nach Hause holen zu können. Bei Nato-Partnern werden die Pläne allerdings sehr kritisch gesehen. Sie befürchten unter anderem, dass es im Fall eines schnellen Truppenabzugs wieder zu Rückschritten bei Demokratie und Menschenrechten kommen könnte. (sda/dpa/jaw)