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Nach Trump-Zöllen: Warum Europa wieder sexy ist

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Bild: watson/keystone/imago

Warum Europa wieder sexy ist

Donald Trump lässt den alten Kontinent wieder attraktiv erscheinen.
21.04.2025, 13:0021.04.2025, 13:00
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Was mussten sich die Europäer in den letzten Jahren beschimpfen lassen. Dekadent seien sie. Amerikaner und Chinesen seien im Begriff, sie technisch weit hinter sich zu lassen, und überhaupt sei der alte Kontinent ein grosses Disneyland geworden.

Doch zum Glück gibt es Donald Trump. Mit seiner wirren Zoll- und seiner abstrusen Aussenpolitik verärgert er die ganze Welt, ganz speziell seine engsten Verbündeten. Das lässt Europa in einem ganz neuen Licht erscheinen. Der alte Kontinent ist wieder sexy. Der «Economist» erklärt, weshalb.

Die Brüsseler Bürokratie mag uns gelegentlich zur Verzweiflung bringen und Unternehmer behindern. Aber: Es gibt keine Broligarchen, welche die Macht besser im Griff haben als die Realität. In Europa gibt es auch keine Rasputins, welche unzählige Millionen spenden, um dann bei der Inaguration hinter dem Präsidenten stehen zu dürfen oder gar ein eigens für sie geschaffenes Departement leiten können.

Elon Musk holds up a chainsaw he received from Argentina's President Javier Milei, right, as they arrive to speak at the Conservative Political Action Conference, CPAC, at the Gaylord National Re ...
Gibt es in Europa nicht: den Kettensägen-Sanierer Elon Musk.Bild: keystone

Europa hat zu wenig Innovation, aber es hat auch keine Manager, die damit angeben, dass sie Teile des Staates «in den Holzhäcksler geworfen haben». Ja, die Meinungsbildung in der EU ist oft quälend langsam. Doch in Europa gibt es kein Land, in dem die Regierung tage- oder wochenlang geschlossen wird, weil sich der Kongress nicht auf ein Budget einigen kann.

Die langsame Meinungsbildung verhindert auch, dass ein Einzelner die Zölle willkürlich in die Höhe treibt und so die Finanzmärkte kollabieren lässt. Dass der Präsident in einer Finanzkrise sein Wochenende auf dem Golfplatz verbringt, ist in Europa ebenfalls undenkbar.

Europa hat seine Verteidigungsausgaben sträflich vernachlässigt. Aber niemand – ausser Russland – denkt daran, ein Nachbarland als 28. Staat zu integrieren. Europäische Vize-Präsidenten pflegen ebenfalls nicht, uneingeladen an fremde Orte zu fliegen, um ihnen kundzutun, man wolle sie annektieren.

Europäer mögen die freie Meinungsäusserung nicht absolut vergöttern, aber sie nehmen sie als selbstverständlich hin. Deshalb finden sie es merkwürdig, dass ausländische Studenten ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht linientreu zum Gaza-Konflikt äussern. Ebenso finden sie es merkwürdig, wenn Anwalts-Kanzleien bestraft werden, weil sie Klienten vertreten, die in Konflikt mit dem Präsidenten geraten sind.

epa08410608 People take advantage of the beautiful day with sunbathing and swimming in the sea on Mondello beach, a long sandy coast, in Palermo, Italy, 08 May 2020. The Italian government is graduall ...
Europäer geniessen die Sommerferien. Bild: EPA

Die europäische Wirtschaft taumelt von einer Krise zu nächsten. Das hält die Europäer nicht davon ab, im August den Sommer mit ihrer Familie zu geniessen, und erstaunlicherweise haben sie ihre Arbeitgeber auch dazu gebracht, ihnen dieses Vergnügen zu gewähren. In Europa muss auch keiner angstvoll auf die Börsenkurse achten, um sich zu vergewissern, dass seine Altersvorsorge noch intakt ist.

Schliesslich ist Europa ein Kontinent mit Städten, die man zu Fuss erkunden kann, wo die Lebenserwartung hoch ist, wo die Schüler geimpft werden und man sie nicht trainieren muss, wie sie sich in einer Schiesserei zu verhalten haben. Die Europäer haben einen Ort geschaffen, an dem man verfolgen kann, was andere sich sehnlichst wünschen: Ein Leben in Freiheit zu führen, mit der Möglichkeit, sein Glück zu machen.

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159 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pebbles F.
21.04.2025 13:18registriert Mai 2021
Geschätzter Herr Löpfe, haben Sie vielen Dank für diesen Text, der wieder Hoffnung aufkeimen lässt. Die demokratischen und sozialen, gesellschaftlichen Errungenschaften halten wir so oft für selbstverständlich und das sind sie nicht.
Lasst uns zusammenrücken und eine Gegenwehr gegen alle Putins, Trumps und eben Rechtspopulisten erstarken lassen.
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Gandalf der Weise
21.04.2025 13:20registriert Januar 2023
Umso wichtiger ist es in Europa, an Wahlen teilzunehmen, eine Mehrparteienlandschaft zu erhalten. Genau dies ist der Grund, wieso Europa wie beschrieben da steht: Keiner hat alleine die Macht.
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Der Lette
21.04.2025 13:32registriert Juni 2024
Und nun zusammen (inkl. Schweiz) am gleichen Strick ziehen, wirtschaftlich, militärisch, politisch. Und die gemeinsamen Werte stärken.
Wenn zum Beispiel Orban lieber mit den RuZZen kooperiert, soll er, aber dann auch nicht von den Vorzügen Europas profitieren.
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    Die westliche Welt verfolgt wie gebannt die neuesten Eskapaden des US-Präsidenten und schaut daneben mit Sorge auf die Kriege in der Ukraine und im ewigen Pulverfass Nahost. Im Windschatten dieser Ereignisse eskaliert in Südasien ein Konflikt, der noch weitaus gefährlicher ist: Im Streit um die Region Kaschmir stehen sich mit Indien und Pakistan zwei Atommächte feindselig gegenüber, während im Hintergrund noch der Konflikt zwischen Indien und China – einer weiteren Atommacht – schwelt. Im Himalaja steht die Welt näher an einem Atomkrieg als sonst irgendwo.

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