Überraschung am EU-Gipfel: Nachdem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán tagelang angekündigt hatte, er werde gegen den Start der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine per Veto blockieren, haben die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in Brüssel plötzlich doch grünes Licht für Kiew gegeben. Und zwar einstimmig. Für das ukrainische Volk sei das ein «klares Signal der Hoffnung», twitterte der EU-Ratspräsident Charles Michel bei der Ankündigung des Entscheids. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj freute sich: «Das ist ein Sieg für die Ukraine. Ein Sieg für ganz Europa. Ein Sieg, der uns motiviert, inspiriert und stärkt.»
Aber weshalb ist Orbán zurückgekrebst? Womit hatten ihn der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und die beiden EU-Spitzen kurz vorher beim gemeinsamen Frühstück noch bearbeitet?
Die Auflösung muss vorerst noch warten. Klar ist hingegen: Die EU-Staats- und Regierungschefs fielen den Entscheid einstimmig, ohne dass Orbán sie davon abgehalten hätte. Tatsächlich sass er nicht einmal mit am Tisch, geschweige denn war er mit ihnen im Raum.
Orbán wurde aber nicht «ausgetrickst», als er kurz auf Toilette war. Sondern er hat sich freiwillig der Stimme enthalten. «Es ist eine komplett sinnlose, irrationale und falsche Entscheidung», sagte Orbán später in einem Videostatement. Weil die anderen 26 aber darauf bestanden hätten, habe er beschlossen, dass sie das allein tun sollten. «Ungarn hat an dieser Entscheidung nicht teilgenommen», so Orbán.
Für die Ukraine ist das eine frohe Nachricht, wie auch für die Republik Moldau, die ebenfalls bald Beitrittsverhandlungen beginnen kann. Dies, auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass es erst einmal ein symbolischer Schritt sein wird: «Es wird ohnehin viele Jahre dauern, bis der Beitritt stattfinden kann», sagte etwa der niederländische Premier Mark Rutte offen.
Tatsächlich gibt es keinen «Express-Beitritt» in die EU. Als Negativbeispiel kann die Türkei dienen, deren Beitrittsprozess bereits seit bald zwanzig Jahren dauert und heute weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Ausserdem wird Viktor Orbán im vielstufigen Prozedere noch verschiedentlich die Möglichkeit haben, seine Störmanöver abzuhalten.
Für die Ukraine ist der Durchbruch aber gleichwohl entscheidend und wichtig für die Moral. Selenskyj erinnerte vor dem Gipfel nicht nur an die Soldaten in den Schützengräben. Sondern auch an die vielen Zivilisten, «die in der Ukraine Leben retten oder dazu beitragen, dass Kinder trotz des russischen Angriffskriegs lernen könnten».
Beim zweiten grossen Thema, dem 50 Milliarden schweren Hilfspaket an die Ukraine, zeichnete sich am ersten Gipfeltag hingegen noch kein Durchbruch ab. Auch hier ist es der ungarische Ministerpräsident, der sein Veto einlegt. Gemutmasst wurde im Vorfeld, dass es ihm bloss darum gehe, möglichst viele der wegen Demokratieproblemen blockierten EU-Gelder für Ungarn «freizupressen». Solche Vorwürfe wies er am Donnerstag kategorisch zurück. Orbán: «Es geht hier nicht um einen Handel. Es geht hier nicht um einen Deal.»
Sicher taten das nicht nur meine Leue so sondern auch viele andere Menschen.