International
Frankreich

Frankreich: Streit um Jesuskrippen

Politisches Krippenspiel – Zank um die Jesuskrippen in Frankreich

So sicher wie diese Woche Weihnachten ist, gibt es in Frankreich Zank um das Friedensfest. Auslöser sind die Jesuskrippen in vielen Rathäusern.
24.12.2025, 09:5724.12.2025, 09:57
Stefan Brändle, Paris / ch media

Ein seltsamer Umzug hat am vergangenen Donnerstag im Pariser Vorort Asnières-sur-Seine (92'000 Einwohner) stattgefunden. Die Holzfiguren, welche die Urszene der Christenheit darstellen – Maria und Josef, die drei Weisen, Esel und Hirten und natürlich die Wiege mit dem Jesuskind – haben am Donnerstag das Rathaus verlassen und einige Meter weiter, auf der Vortreppe, ihren neuen (regengeschützten) Platz gefunden. «Zuoberst auf der Treppe», wie der konservative Bürgermeister von Asnières, Manuel Aeschlimann, betonte.

In Frankreich finden auch die Krippenfiguren nicht so einfach eine Herberge.
In Frankreich finden auch die Krippenfiguren nicht so einfach eine Herberge.Bild: getty images

Asnières ist nur der neuste Schauplatz eines alten Streits. Ausgebrochen war er im Jahre 2010, als Frankreich ein Burkaverbot erliess. Die französische Menschenrechtsliga sah darin eine «Stigmatisierung» muslimischer Frauen und ging in den Gegenangriff über: Sie warf mehreren rechts regierten Orten vor, sie verstiessen genauso gegen die Trennung von Kirche und Staat und die religiöse Neutralität der Behörden, wenn sie in öffentlichen Gebäuden Weihnachtskrippen einrichteten; Juden, Muslime oder Atheisten könnten sich dadurch ausgeschlossen und diskriminiert fühlen.

Seither endet fast jede lokale Krippenaffäre vor Gericht. Die Richter wirken oft überfordert: Weihnachtliche Tradition steht gegen die minder sakrosankte Laizität und Neutralität der Republik.

Die Urteile fallen sehr unterschiedlich aus. Im Falle von Beaucaire (Südfrankreich) gab ein erstinstanzliches Gericht den Freidenkern recht. Der rechtspopulistische Bürgermeister Nelson Chaudon weigerte sich aber, die Krippe abzubauen. Darauf wurde er anfangs Jahr mit 120'000 Euro gebüsst.

Das ist für eine kleinere Gemeinde viel Geld. Um einer Verurteilung zu entgehen, hat Bürgermeister Aeschlimann in Asnières die Krippe vor das Rathaus verlegt. Damit befolgt er der Form nach – auch wenn reichlich spitzfindig – die Religionslosigkeit «in» öffentlichen Gebäuden.

epa12444730 French member of the Parliament for the right-wing party 'Les Republicains' (LR), Laurent Wauquiez, arrives at the Elysee Palace for a meeting with French President Emmanuel Macr ...
Laurent Wauquiez ist Mitglied des französischen Parlaments.Bild: keystone

Sein konservativer Parteifreund Laurent Wauquiez, der im Regionalrat von Lyon seinerseits eine Krippe ausgestellt hatte, griff zu einer anderen Schliche, um einer Verurteilung zu entgehen: Er umgab die Jesus-Krippe mit einer Ausstellung über das traditionelle Handwerk geschnitzter Holzfiguren, der «santons».

Der Staatsrat als oberste Verwaltungsinstanz Frankreichs liess diese fadenscheinige «Ausstellung» durch. In der südfranzösischen Stadt Béziers, einer Hochburg der Krippen-Befürworter, obsiegte Bürgermeister Robert Ménard gegen Klagen von Kommunisten und anderer Linksaussen, indem er sich schlicht auf den «gesunden Menschenverstand» berief.

Die Freidenker und Laizisten stützen sich auf die antiklerikale, bis auf Voltaire zurückgehende Laizismus-Tradition, die 1905 nach Jahrhunderten blutiger Religionskriege in die Trennung von Kirche und Staat gipfelte. Gerade weil sie aber umstritten, wenn nicht brüchig  bleibt, klagt die Menschenrechtsliga systematisch Klage gegen jede Rathaus-Krippe. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So hätten Memes in biblischen Zeiten ausgesehen
1 / 22
So hätten Memes in biblischen Zeiten ausgesehen
quelle: watson / shutterstock
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Jeans for Jesus Hut Interview
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
20 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Korrektorat
24.12.2025 10:18registriert Januar 2025
Ist vermutlich der erste Artikel im 2025 hier im Ressort „wtf aus aller Welt“ der nicht aus den USA kommt.

Zwar etwas spät aber auch massiv zum Kopfschütteln.
4710
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sapientia et Virtus
24.12.2025 10:07registriert April 2018
"Menschenrechtsliga" und "Freidenker" und Kommunisten greifen eine Tradition an, die nur eine kleine Minderheit stört. Sollen sie leben, wie sie wollen, aber lasst den anderen die Weihnachtskrippen!
4113
Melden
Zum Kommentar
20
Brasilien: Piranhas töten zweijähriges Mädchen
Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit endet tödlich: In Brasilien fällt ein Kleinkind in einen Fluss. Die Eltern suchen verzweifelt – doch jede Hilfe kommt zu spät.
Ein zweijähriges Mädchen ist bei einem Piranha-Angriff ums Leben gekommen, nachdem es in Brasilien in einen Fluss gefallen war. Zu dem Unglück kam es am vergangenen Montag nahe der Stadt Coari im Bundesstaat Amazonas.
Zur Story