Ich stehe mitten in einer riesigen Menschentraube, von hinten wird gedrückt, vorne gibt's kein Weiterkommen, das Atmen fällt schwer. Weil «die Polizei das so bestimmt hat», werden wir vorerst nicht reingelassen. Die Leute werden ungeduldig, fangen an sich gegenseitig anzupöbeln, streiten in der Schlange um jeden Millimeter.
Nein. Ich befinde mich nicht an jenem Eingang, durch welchen die geschätzten 10'000 Macron-Anhänger das Gelände des Louvre betreten wollen, sondern am extra für die Presse eingerichteten Zugang. Doch das Chaos ist auch hier perfekt. Um kurz vor 19 Uhr sieht es nicht so aus, als würde ich bei der Verkündung der ersten Hochrechnungen dabei sein können.
Doch dann gelingt es mir doch irgendwie, rechtzeitig durch das Nadelöhr ins Innere des Louvre zu gelangen. Bleiben nur noch drei verschiedene Sicherheitskontrollen – inklusive Spürhund, der meinen Rucksack abcheckt – und schon bin ich drin.
Der Platz, auf dem Emmanuel Macron nach der Verkündung der Ergebnisse eine Rede halten will, füllt sich rasend schnell, riesige Menschenmassen strömen durch verschiedene Eingänge aufs Gelände. Ich freue mich über meinen Presse-Badge wie ein kleines Kind – so ähnlich muss es sich anfühlen, wenn man beim Justin-Bieber-Konzert in den VIP-Bereich darf.
Ich sichere mir einen Platz auf einem der heissbegehrten Steinsockel, den ich mir für die nächsten vier Stunden mit Baptiste von «Paris Match» teilen werde, und beobachte von hier oben aus das Geschehen. Die Groupies streifen ihre Fan-T-Shirts über, machen sich bereit für ihren Held der Nacht – und starten einen Selfie-Marathon.
19.55 Uhr: Der Place du Carrousel ist jetzt bis auf den letzten Zentimeter gefüllt, die Menge grölt: «Macron, Président! Macron, Président!» Und dann kommt er: Der Moment, in dem die erste Hochrechnung verkündet wird. Und obwohl ich selbst keine Französin bin, werde ich in dieser Sekunde von meinen Emotionen übermannt.
Wow! Gänsehaut! Mir fehlen die Worte, um das Gefühl, das durch jede Faser meines Körpers schiesst, näher zu beschreiben. Das muss man einfach erlebt haben. Und obwohl ich schon an ähnlich fröhlichen Grossanlässen war, muss ich sagen: So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt! (Sorry, Backstreetboys.)
Ab dann heisst es warten. Warten auf den Superstar. Doch auf Emmanuel Macron warten, heisst nicht, sich die Beine in den Bauch zu stehen oder gar Däumchen zu drehen. Im Gegenteil! Frankreichs neuer Präsident hat alles perfekt vorbereitet: Und so stehen während der nächsten knapp drei Stunden verschiedene Musikkünstler auf der Bühne, die die Menge zum Kochen bringen.
Das, was hier passiert, hat so rein gar nichts mehr mit einer politischen Veranstaltung zu tun. Das ist ein Volksfest. Ein Fest der Liebe. Zur perfekt gelungenen Party fehlt eigentlich nur noch der Alkohol. Wobei, ist der auf Justin-Bieber-Konzerten eigentlich erlaubt?
Nach dem vierten oder fünften musikalischen Akt wird die Menge langsam ungeduldig. Für Macron gilt offenbar dasselbe wie für alle anderen Superstars: Ein bisschen Vorband ist okay, aber allzu lange sollte man seine Fans dann doch nicht warten lassen.
Und dann folgt der Moment, auf den alle gewartet haben: Der jüngste Präsident in der Geschichte der Fünften Französischen Republik schreitet – begleitet von lauten Schreien seiner Fans – ganz langsam über den Platz und betritt schliesslich die Bühne. (Und wie es sich gehört, ist mein Handyakku in dem Moment, als der Hauptakt endlich beginnt, bei 1% 😂)
Dann geht alles relativ schnell: Emmanuel Macron redet, bekommt mehrfach Szenenapplaus, wenn er seine Kontrahentin Marine Le Pen erwähnt, wird laut gebuht, dann gibt's noch ein Gruppenfoto mit seiner Familie und seinem ganzen Team und schon war's das.
Okay, dafür, dass hier gerade sicher mehr als 10'000 Menschen drei Stunden lang auf ihn gewartet haben, war das echt kurz. Aber hey, das ist Emmanuel Macron, Frankreichs neuer Präsident.
Wie es sich für einen anständigen Konzertabend gehört, nehme ich als Andenken ein Band-T-Shirt mit nach Hause ...
... und schlafe anschliessend mit einem Ohrwurm im Kopf ein: «Aux aaaarmes citoyens
Formeeeezzzz vos bataillons
Marchoooonnnnns, Marchoooonnnnns 🎼🎼🎼🎼 »
Ach ja, zum Abschluss noch mein obligatorische Selfie mit dem Star des Abends.