Der Weihnachtsmann alias François Bayrou hat Frankreich wie versprochen vor dem 24. Dezember eine neue Regierung beschert. Es ist die vierte in diesem Jahr. Das ist Rekord für die 1958 gegründete Fünfte Republik und erinnert an – frühere – italienische Verhältnisse.
Frankreich verfügt zwar über solide Institutionen und Abläufe. Doch der Staatschef, der Dreh- und Angelpunkt der Verfassung, ist zunehmend geschwächt. Emmanuel Macron hatte sich im Juni mit der Ansetzung von Neuwahlen eine für Frankreich sehr unübliche parlamentarische Minderheit eingebrockt. Erst im September gelang es ihm, mit dem Gaullisten Michel Barnier einen Premier zu ernennen. Schon anfangs Dezember wurde seine Regierung durch einen Misstrauensantrag der linken und rechtsextremen Opposition weggefegt. Drei Monate im Amt, auch das ist Rekord. Minusrekord.
Am Freitag, den 13. Dezember, hat Macron den Christdemokraten François Bayrou zu seinem neuen Premier ernannt. Bringt er ihm Glück? In Paris herrscht grosse Skepsis. Nach Insiderberichten hatte der Präsident seinem alten Weggefährten mitgeteilt, er wolle einen anderen Premier ernennen; Bayrou habe darauf einen Wutanfall gekriegt und mit dem Bruch des Mitte-Lagers gedroht. Macron, der sich einst als «Jupiter» gesehen hatte, musste doch noch Bayrou bestimmen.
Auch diese Episode zeigt, wie lädiert die Autorität des in Frankreich sonst allmächtigen Präsidenten ist. Gewiss, Macron ist nicht der Typ Politiker, der die Flinte ins Korn wirft. Auch wenn der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon eifrig Unterschriften für die Absetzung des Staatschefs sammelt. Die neue Regierung macht klar, dass Macron die Schalthebel der Macht zunehmend entgleiten.
Von einer grossen Koalition, die er nach deutschem Vorbild anstrebte, kann keine Rede sein. Weder die Sozialdemokraten noch die konservativen Republikaner machen als Parteien mit. So ist Bayrou gezwungen, sein Team aus den drei kleinen Kernparteien des Macron-Lagers – Renaissance (ehemals La République en Marche), Horizons und Modem – und einigen Überläufern der Altparteien zu bilden.
Dazu zählen etwa Aussenminister Jean-Noël Barrot und Verteidigungsministerin Sébastien Lecornu. Beide werden im Amt bestätigt. Macrons früherer Innenminister Gérald Darmanin wird Justizminister. Die ehemalige Premierministerin Elisabeth Borne übernimmt über das Bildungssressort, die ehemalige Sarkozy-Ministerin Rachida Dati die Kultur.
Von den Republikanern kommen nur einzelne Politiker wie Innenminister Bruno Retailleau. Die Linke ist mit dem früheren Premier Manuel Valls im Übersee-Departement vertreten. Dabei ist auch der Sozialist François Rebsamen, langjähriger Bürgermeister der Burgunderstadt Dijon, im Raumplanungsressort. Seine Parteifreundin Valérie Touraine lehnte es hingegen wie so viele andere Genossinnen und Genossen ab, das orientierungslose Regierungsschiff zu besteigen.
Noch bevor das Kabinett erstmals zusammengetreten ist, wird in Paris bereits spekuliert, wie lange es sich halten wird. Und das nicht wegen Bayrou. «Macron ist erledigt, oder fast», erklärte die Rechtspopulistin Marine Le Pen in einem Interview mit der Zeitung Le Parisien. Um anzufügen: «Das soll nicht grausam klingen, aber so ist nun einmal die institutionelle Realität.»
Le Pen verhehlte nicht, sie bereite sich auf eine vorgezogene Präsidentschaftswahl vor. Die ist an sich erst für 2027 vorgesehen. Aber auch Jean-Luc Mélenchon glaubt an die baldige Neuwahl des Präsidenten, während Parlamentswahlen laut Verfassung nicht vor Mitte 2025 möglich wären. Und er sieht bereits ein Duell voraus: Le Pen gegen ihn, Mélenchon. Rechts- gegen Linksaussen. Das Gegenteil der Macron-Ära.
Das ist momentan eher noch Mélenchons Wunsch als Wirklichkeit. Er prophezeit dennoch: «François Bayrou wird den Winter nicht überleben.» Entweder werde der Premier nach seiner Regierungserklärung im Januar über die obligatorische Vertrauensabstimmung stolpern – oder über die Absenz des Haushaltsentwurfs für 2025.
Denn nicht zu vergessen: Frankreich hat kein Staatsbudget. Ein hastig verabschiedetes «loi spéciale» (Spezialgesetz) erlaubt dem Staat die Wahrnehmung fundamentalster Aufgaben – etwas dem Steuereintreiben. Ohne diesen Erlass stünde das staatstreue Frankreich noch schlechter da als die USA, die den «Shutdown» ihrer öffentlichen Dienste soeben abgewendet haben. Auch so hat die Ratingagenur Moody's die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der politischen Unsicherheit auf Aa3 zurückgestuft.
Le Pen freut sich bereits: Der wirtschaftliche Niedergang werde «zum letzten Sargnagel» der Staatsführung unter Macron. (bzbasel.ch/nzu)
Ich denke, Macron spielt auf Zeit, dass erstere hinter Gittern sitzt, wenn der Wahlkampf beginnt. Und das Rassemblement Nacional in seine Einzelteile zerfällt, wenn es um die potentielle Macht geht.
Was mir hingegen nicht in den Kopf will, ist, weshalb die Franzosen und Französinnen nicht checken, was Macron alles für sie und das Land tut. Noch selten hat ein französischer Präsident mehr für das Land (als ganzes) erreicht.
Die
- aus der EU raus will
- den Deutsch-Französischen Freundschafsvertrag (Élysée-Vertrag) kündigen will und Deutschland zum Feind und Gegner erklären
- Diskriminierung von Homosexuellen wieder erlauben
- alle wirtschaftlichen Liberalisierungen rückgängig machen und damit die Industrie komplett zerschlagen
- Zölle auf alles ausserhalb Frankreich erheben
- Globalisierung "abschaffen"?
“ Le Pen verhehlte nicht, sie bereite sich auf eine vorgezogene Präsidentschaftswahl vor. Die ist an sich erst für 2017 vorgesehen.”
? Eher 2027 ??
Zum Glück kann auch Bleu-Marine das Rad der Zeit nicht zurückdrehen . Zum Glück 🍀