Drei Monate nach der Parlamentswahl hat das Kosovo als jüngster europäischer Staat eine neue Regierung. Das Parlament wählte am Samstag in Pristina den früheren Rebellenkommandanten Ramush Haradinaj zum neuen Regierungschef.
Das Kabinett des 49-Jährigen wird gestützt von einer Parteienkoalition ehemaliger Rebellenführer vom Ende der 1990er Jahre, die daher als «Kriegsfraktion» bezeichnet wird. 62 von 120 Abgeordneten stimmten für die neue Regierung. Die Opposition hatte den Parlamentssaal zuvor verlassen.
Die Bildung der Regierung war nur möglich durch die Unterstützung von zehn Abgeordneten der serbischen Minderheit. Noch im vergangenen Frühjahr hatte Haradinaj vier Monate in Frankreich festgesessen, weil Serbien seine Auslieferung wegen behaupteter Kriegsverbrechen Ende der 1990er Jahre im Kosovo verlangt hatte.
Jetzt paktiert die Minderheit unter Führung Belgrads mit dem Spitzenpolitiker. Sein Land halte die Vorwürfe weiter aufrecht und lasse nach ihm international fahnden, sagte der serbische Präsident, Aleksandar Vucic, am Samstag.
Die neue Regierung steht vor Riesenaufgaben. Sie muss die höchste Arbeitslosigkeit in Europa ebenso bekämpfen wie die überall grassierende Korruption. Das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo mit zwei Millionen Einwohnern, davon rund 100'000 Serben, gilt in Europa als Drehscheibe für Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel.
Die Opposition hält dem neuen Regierungschef vor, er sei ebenso wie Staatspräsident Hashim Thaci Teil dieser kriminellen Netzwerke. Haradinaj stand zweimal vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, wurde aber freigesprochen.
Die grösste Herausforderung stellt aber die serbische Minderheit dar. Der Nachbar Serbien erkennt die vor neun Jahren ausgerufene Unabhängigkeit seiner früheren Provinz nicht an und will sie wieder zurückhaben. Allerdings haben 115 Staaten Kosovo inzwischen weltweit anerkannt.
Seit vielen Jahren vermittelt die EU weitgehend ohne Erfolg zwischen den verfeindeten Nachbarn. Da die neue Kosovo-Regierung von der serbischen Minderheit und damit von Belgrad abhängt, sagen ihr heimische Kommentatoren nur ein kurzes Leben voraus. (sda/dpa)