Beide Kandidaten waren dabei am Mittwochabend um eine sachliche Debatte bemüht. Die rechte Le Pen, die immer wieder strahlend lächelte, stellte sich als Anwältin der einfachen Franzosen dar und war um einen sympathischen Auftritt bemüht. Der Mitte-Politiker Macron, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, war zunächst der aktivere in der Debatte und räumte auch Fehler und Versäumnisse in der zurückliegenden Amtszeit ein.
Bereits vor der Präsidentschaftswahl 2017 hatten Macron und Le Pen sich in einem TV-Duell gegenüber gesessen, dabei war die Diskussion von Beschimpfungen und persönlichen Angriffen geprägt gewesen. Nun zeigte Macron sich als Zuhörer, der seiner Kontrahentin bei einigen Feststellungen Recht gab - um sich aber im Anschluss zu bemühen, deren Schlussfolgerungen oder Forderungen zu widerlegen. Le Pen konzentrierte sich ebenfalls auf die Aussagen ihres Gegners und versuchte etliche Darstellungen des Präsidenten zu widerlegen.
Bei der Kaufkraft - einer permanenten Sorge der Franzosen und dem Schlüsselthema im Wahlkampf - legten Macron und Le Pen konträre Konzepte vor. Zum Auftakt der mit Spannung erwarteten einzigen Fernsehdebatte stellte Macron Erhöhungen der Rente und des Mindestlohns sowie ein Festhalten an der Deckelung der Preise von Gas und Strom in Aussicht. Ausserdem gelte es, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken, ein eigener Lohn sei die beste Stärkung der Kaufkraft. Le Pen schlug das Senken der Mehrwertsteuer auf Energie sowie einen Wegfall der Steuern auf 100 Grundprodukte des täglichen Bedarfs vor.
Beim Streitthema Rente, um das in Frankreich immer wieder gerungen wird, pochte Le Pen auf einen Renteneintritt mit 60 bis 62 Jahren. Wer bereits mit 16 bis 20 Jahren in den Beruf einsteige, solle mit 60 Jahren in Rente gehen können, die übrigen Beschäftigten wie bisher üblich mit 62 Jahren. «Die Rente mit 65 Jahren ist eine absolute Ungerechtigkeit», meinte Le Pen zu Macrons Plan eines höheren Renteneintrittsalters. Macron betonte, eine Rente ab 65 Jahren solle nicht für alle Beschäftigten gelten, ausgenommen seien etwa Menschen in besonders anstrengenden Berufen. Angesichts einer gestiegenen Lebenserwartung müsse das Rentensystem gegenfinanziert werden.
Macron warf seiner rechten Widersacherin vor, sich von Russland abhängig gemacht zu machen. «Sie hängen von der russischen Macht und sie hängen von Herrn Putin ab. Sie reden nicht mit anderen Führungspersönlichkeiten, sie reden mit ihrem Bankier, wenn sie von Russland reden», warf Macron Le Pen an den Kopf. Macron bezog sich dabei auf einen Kredit, den Le Pen 2014 von einer tschechisch-russischen Bank aufnahm. Le Pen verteidigte sich damit, dass französische Banken ihr eine solche Finanzhilfe nicht genehmigen wollten. «Finden Sie das nicht skandalös?», entgegnete Le Pen und sprach von einem demokratischen Defizit der Banken.
Le Pen sprach sich zudem gegen einen Importstopp für Gas aus Russland aus. Weil dies den Franzosen wehtun würde, befürworte sie eine solche Sanktion nicht, sagte sie. Le Pen sagte zudem, dass die Bemühungen von Staatschef Macron ansonsten aufrechterhalten werden sollten. Dazu zählte sie etwa humanitäre und finanzielle Hilfe für die Ukraine sowie Unterstützung im Bereich Verteidigung.
Macron hingegen forderte, unabhängig von russischem Öl und Gas zu werden. Die aktuelle Hilfe Frankreichs für die Ukraine wolle er noch verstärken. Ausgehend vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine stürzte Macron sich in der Debatte auf Le Pens Russlandnähe. Er legte ihr unter anderem zu Last, die Annexion der Schwarzmeerinsel Krim durch Russland 2014 anerkannt zu haben.
Le Pen forderte im Duell zudem ein Verbot von Kopftüchern im öffentlichen Raum. Dies wies Macron zurück. «Die Trennung von Staat und Kirche bedeutet nicht, eine Religion zu bekämpfen», sagte der Amtsinhaber. «Die Frage des Kopftuchs ist die Frage der Religion, eines äusseren Zeichens.» Wolle man das Kopftuch verbieten, müsse man auch die Kippa und andere religiöse Zeichen verbieten. Dafür biete die Verfassung keine Grundlage.
Lediglich in Schulen und in der öffentlichen Verwaltung sei aus Gründen der Neutralität das Kopftuch tabu, sagte Macron. «In den Wohnvierteln werden Sie einen Bürgerkrieg auslösen, wenn Sie das tun», sagte der Präsident. «Frankreich, das Land der Aufklärung, wäre das erste Land auf der Welt, das religiöse Zeichen auf der Strasse verbietet.» Le Pen hatte ein Kopftuchverbot zuvor als Massnahme gegen den Islamismus bezeichnet.
Le Pen hat Vorwürfen widersprochen, die Europäische Union verlassen zu wollen. «Ich möchte in der Europäischen Union bleiben», sagte die 53-Jährige. Über die EU sagte sie: «Ich möchte sie gründlich verändern.» Le Pen geht es dabei darum, ein sogenanntes Europa der Nationen zu schaffen, in dem Brüssel deutlich in den Hintergrund treten soll. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass französisches Recht Vorrecht vor EU-Recht haben soll.
Amtsinhaber Macron sagte hingegen: «Ich glaube an Europa und ich glaube an das französisch-deutsche Paar.» Die deutsch-französische Zusammenarbeit habe es ermöglicht, Abkommen zu erreichen. «Um Europa voranzubringen, braucht es ein französisch-deutsches Paar.» Obwohl beide Kandidaten auch nach der Kooperation mit Berlin in der EU gefragt wurden, äusserte sich Le Pen kaum dazu. Sie sagte lediglich, dass Deutschland seine Interessen durchsetze.
Macron warf Le Pen vor, wie bei ihrer Präsidentschaftskandidatur 2017 aus der EU austreten zu wollen. «Sie wollen immer noch aussteigen, denn sie haben das Programm nicht sehr geändert, aber sie sagen es nicht.» Le Pen konterte, würde sie aussteigen wollen, würde sie es sagen. Uneinig waren sich die beiden Kontrahenten auch beim Thema Unabhängigkeit. «Unsere Souveränität ist national und europäisch», sagte Macron. Le Pen erwiderte: «Es gibt keine europäische Souveränität, weil es kein europäisches Volk gibt.»
Einer Umfrage zufolge ist Macron als Sieger aus der TV-Debatte mit Le Pen hervorgegangen. Etwa zwei von drei Zuschauern gaben in der Befragung des Instituts Elabe am Mittwochabend an, der liberale Staatschef sei überzeugender gewesen. Insgesamt wurden dafür nach Schluss der mehr als zweieinhalbstündigen Debatte 650 Menschen befragt, die das Duell verfolgt hatten.
(dab/bal/sda/dpa)
Dann herrscht Putins Stadthalterin in Paris
Das wird in die gleichen kruden und polarisierenden Behauptungen und Kampagnen eingebaut, wie sie auch bei uns von einer sogenannten Volkspartei mit einem erstaunlich hohen Wähleranteil benutzt werden. Das gefährliche ist, dass diese Kampagnen manchmal sogar erfolgreich sind. Bei uns und bei den französischen Nachbarn.