Auf das neue Alzheimermedikament Lecanemab hat man einige Hoffnung gesetzt. In den USA hat das Medikament schon im Juni 2023 die Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA erhalten. Diese Zulassung hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA der Pharmafirmen Eisai und Biogen dagegen im Juli noch verweigert. Die EMA hat ihren negativen Bescheid nun revidiert und das Medikament, das in der Schweiz produziert wird, der Europäischen Kommission zur Zulassung empfohlen.
Bei Lecanemab handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, welcher mittels einer passiven Immunisierung im menschlichen Körper seine Wirkung erzielt. Dabei zielt der Wirkstoff auf die für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Eiweissablagerungen im Gehirn ab. Dieses Beta-Amyloid ist einer von zwei Eiweissstoffen, dessen Verklumpung und Ablagerung gemäss dem aktuellen Forschungsstand zu den möglichen Ursachen einer Alzheimer-Erkrankung zählt.
Warum hat die EMA nun anders entschieden? «Die Firma hat mit ihrem Rekurs neue Daten eingereicht, die nun einen längeren Beobachtungszeitraum umfassen. Drei Jahre statt 18 Monate», sagt Ansgar Felbecker, Alzheimer-Spezialist und ehemaliger Präsident der Swiss Memory Clinics. In dieser Zeit hätten sich die positiven Effekte des Medikaments verstärkt. «Zudem zeigen die Real-Life-Daten aus den USA und anderen Ländern, dass die Nebenwirkungsraten in der Realität sogar unter jenen der Studien liegen.» Mögliche Nebenwirkungen von Lecanemab, das unter dem Handelsnamen Leqembi angeboten wird, sind Hirnschwellungen oder Mikroblutungen. Felbecker vermutet, dass diese beiden Gründe zur Änderung der Entscheidung der EMA geführt hätten.
Den Entscheid hält der Neurologe für richtig. «Die Daten sprechen dafür, dass diese Therapie im frühen Erkrankungsstadium der Alzheimer-Erkrankung wirkt.» Ansonsten wäre die EMA mit einem negativen Entscheid weltweit mit Australien beinahe alleine dagestanden. Das hätte Felbecker enttäuscht.
Die Zulassung ist mit gewissen Einschränkungen erteilt worden. Das Medikament darf nicht an Patienten unter starker Blutverdünnung abgegeben werden und auch nicht an solche, die das Gen APOE4 tragen. «Die Einschränkung ist richtig und zeigt, dass die EMA einen Fokus auf das Vermeiden schwerer Nebenwirkungen legen will», sagt Ansgar Felbecker.
Im Juni 2023 wurde auch ein Zulassungsantrag bei der Schweizerischen Heilmittelbehörde Swissmedic gestellt. Der Alzheimer-Experte würde begrüssen, wenn die Swissmedic gleich entscheiden würde wie die EMA. Alzheimer-Patienten in der Schweiz müssen also weiterhin auf die Entscheidung der Swissmedic warten. Das Medikament kostet in den USA rund 26'500 Dollar pro Jahr. Es verbessert zwar die Symptome nur leicht, kann den Krankheitsverlauf aber bei Beginn im Frühstadium verbessern. (bzbasel.ch)