Das griechische Parlament hat am Freitagnachmittag das Abkommen zur Überwindung des Streits um den Namen des Nachbarlandes Mazedonien gebilligt. Bis zuletzt gab es bei der Debatte erbitterten Widerstand und Tumulte im Parlament, die Abstimmung ging knapp aus: 153 Abgeordnete waren dafür, 146 dagegen, dass der ehemalige jugoslawische Teilstaat künftig Republik Nord-Mazedonien heisst.
Den Premiers der beiden Länder, Alexis Tsipras und Zoran Zaev, ist mit der Übereinkunft ein diplomatisches Kunststück gelungen, das Signalwirkung für die gesamte Balkanregion haben könnte.
«Es ist eine Ermutigung für die Art der Beilegung einer lang anhaltenden bilateralen Streitigkeit», sagte Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien der Universität Graz, der Nachrichtenagentur DPA am Freitag.
Beide Seiten hätten gezeigt, dass «man Probleme auch durch Dialog, durch ein offenes Gespräch, durch den Willen der Regierungen beilegen kann». Auf diese Weise könne es Staaten gelingen, nicht nur alte Konflikte aus der Welt zu schaffen, sondern auch die gegenseitige Beziehung neu aufzustellen.
«Ich gratuliere meinem Freund Alexis Tsipras, wir haben zusammen mit unseren Völkern einen historischen Sieg errungen», schrieb Zaev auf seiner Facebook-Seite. «Es lebe das Abkommen, auf ewigen Frieden und Fortschritt auf dem Balkan und in Europa.»
Griechische Politologen attestieren den beiden Regierungschefs ebenfalls kluges Handeln - sie hätten mit dem Vertrag selbst im Detail die Balance gewahrt. Beispiel: Heisst es darin, die Sprache des Balkanstaates sei «Mazedonisch», wird direkt im Anschluss erklärt, es handle sich dabei um eine südslawische Sprache.
Daraus können die Griechen erlesen, dass die Sprache des Nachbarn nicht mit dem antiken altgriechischen mazedonischen Dialekt zu tun hat. Ein möglicher Anspruch Mazedoniens auf Gebiete in Nordgriechenland sowie das kulturelle Erbe der antiken Region Makedonien waren stets die Argumente griechischer Nationalisten gegen eine Einigung.
Skopje muss nun nach der Ratifizierung in Athen in den kommenden Wochen die Verfassung Mazedoniens entsprechend ändern und anschliessend alle internationalen Organisationen und Staaten über den neuen Namen Nord-Mazedonien (Slawisch: Severna Makedonija, Englisch: North Macedonia) informieren.
Mit seinen nur 145 Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament war Alexis Tsipras auf die Stimmen von unabhängigen Abgeordneten und Parlamentariern anderer Parteien angewiesen. Seine eigene Koalition mit der kleinen rechtspopulistischen Partei Anel war vergangene Woche bereits über den Namenskonflikt mit Mazedonien zerbrochen.
Er hatte im Vorfeld jedoch stets betont, dass die jahrzehntelange Nicht-Lösung der Namensfrage mit Mazedonien die Stabilität in der Region gefährde und dass dies nicht im Interesse Griechenlands sei.
Durch die Einigung beendet Athen die jahrzehntelange Blockade des Nachbarn bei der Annäherung an die EU. Auch kann Skopje jetzt der Nato beitreten. Mazedonien hatte sich Anfang der 90er-Jahre aus dem Staatsverband des zerfallenden Jugoslawiens gelöst und war dabei als einzige Teilrepublik nicht in einen bewaffneten Konflikt mit den benachbarten Serben geraten.
Die EU gratulierte den beiden Nachbarn im Südosten Europas umgehend. «Sie hatten Fantasie, sie nahmen das Risiko auf sich, sie waren bereit, ihre eigenen Interessen für das Allgemeinwohl zu opfern», twitterte EU-Ratschef Donald Tusk. «Zoran, Alexis - gut gemacht!», schrieb er an Tsipras und Zaev.
Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker äusserten sich ähnlich. Die EU habe das historische Abkommen zwischen den beiden Premierministern von Anfang an stark unterstützt, teilten sie mit. «Athen und Skopje haben, gemeinsam, ein neues Kapitel unserer gemeinsamen EU-Zukunft aufgeschlagen.»
In der Balkanregion bleiben derweil durchaus noch weitere grosse Baustellen bestehen. Selbst die kleineren von ihnen haben das Potenzial, die angestrebten EU-Beitritte der sogenannten Westbalkanstaaten (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro, Nord-Mazedonien, Kosovo) aus dem Gleis zu werfen.
Zwischen dem EU-Mitglied Kroatien und den EU-Aspiranten Serbien und Bosnien sind manche Grenzverläufe nicht geregelt. Bosnien ist durch ein schlecht funktionierendes politisches System gelähmt, wobei sich die Nachbarn Serbien und Kroatien und die Grossmacht Russland zunehmend einmischen.
Das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo wird vom Nachbarn Serbien, zu dem es einst gehörte, in seiner staatlichen Existenz in Frage gestellt. Von der EU vermittelte Gespräche über eine dauerhafte Normalisierung der Beziehungen treten auf der Stelle.
Diese sind aber Voraussetzung dafür, dass die beiden Länder der EU beitreten können. Brüssel will verhindern, dass Serbien, das wahrscheinlich früher aufgenommen werden kann, als künftiges EU-Mitglied ein Veto gegen den Beitritt des Kosovos einlegen kann - so wie dies bisher wegen des ungelösten Namensstreits von Griechenland gegenüber Mazedonien praktiziert wurde. (sda/dpa)