Der britische Premierminister Boris Johnson tritt als Parteivorsitzender der konservativen Partei Grossbritanniens ab – und verliert somit auch seinen Posten als Premier.
Über seine Nachfolge ist bisher lediglich bekannt, dass er oder sie aus den Reihen der Tories stammen wird – der Mehrheitspartei im britischen Unterhaus.
Ein Überblick:
Bei der Suche nach einem Nachfolger als Parteivorsitzender drückt die regierende Konservative Partei aufs Tempo: Bisher haben sich elf Konservative für das Amt an der Parteispitze beworben. Wer sich durchsetzt, wird auch neuer Premierminister.
Zuletzt gingen auch Aussenministerin Liz Truss und Staatssekretär Rehman Chishti ins Rennen. Auch eine Bewerbung von Innenministerin Priti Patel wurde von vielen noch erwartet.
Fast alle Bewerberinnen und Bewerber kündigten sofortige Steuersenkungen an. Der Chef der Labour-Partei, Keir Starmer, warf den Tory-Kandidaten vor, unerfüllbare Steuerversprechen zu machen.
Die meisten Bewerber wollten zudem an umstrittenen Plänen Johnsons festhalten. Dazu gehören die einseitige Aufhebung von Brexit-Regeln für Nordirland oder der Asyl-Pakt mit Ruanda. Das beutet, dass illegal eingereiste Menschen auch weiterhin ohne Prüfung ihres Asylantrags und unabhängig von ihrer Nationalität nach Ruanda gebracht werden können, um dort Asyl zu beantragen.
In den Wettbüros gilt derzeit Ex-Finanzminister Rishi Sunak als Favorit.
Er wird aber von Teilen der Partei scharf angegriffen: Ihm wird vorgeworfen, mitschuldig an Johnsons Sturz zu sein und zudem mit Steuererhöhungen eine «sozialistische» Wirtschaftspolitik verfolgt zu haben.
Einer Umfrage der Webseite Conservative Home zufolge liegen Handelsstaatsekretärin Penny Mordaunt und die Abgeordnete Kemi Badenoch in der Gunst der Parteimitglieder vor den prominenteren Kandidatinnen und Kandidaten wie Ex-Finanzminister Rishi Sunak, Chefjustiziarin Suella Braverman und Aussenministerin Liz Truss. Es wird sich zeigen, ob die Favoriten der Mitglieder es durch den Auswahlprozess in der Fraktion schaffen.
Eine Überraschung könnte die frühere Staatssekretärin Kemi Badenoch werden, die von Schwergewichten wie Ex-Minister Michael Gove gestützt wird. Die 42-Jährige ist vor allem am rechten Rand der Partei beliebt.
Wie der Vorsitzende des für die Wahl zuständigen Komitees, Graham Brady, am Montagabend mitteilte, müssen Bewerber mindestens 20 Unterstützer aus der eigenen Fraktion vorweisen, um an dem Auswahlverfahren teilzunehmen.
Üblicherweise fällt in jeder weiteren Runde der Letztplatzierte raus. Das Prozedere wird dann so lange wiederholt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind.
Bis zur parlamentarischen Sommerpause am 21. Juli würden nur noch zwei Kandidaten im Rennen sein, kündigte Bob Blackman vom sogenannten 1922-Komitee an. Die Zahl der Bewerber müsse deshalb rasch verringert werden.
Blackman sagte, dass es möglich sei, dass es bereits am Mittwoch und Donnerstag zu ersten Abstimmungen in der Tory-Fraktion komme. In zwei weiteren Wahlgängen am 19. und 20. Juli könnte die Auswahl schliesslich auf zwei Bewerber reduziert werden.
Wer den Posten des Parteichefs und damit des Premiers von Boris Johnson übernimmt, entscheiden die Parteimitglieder in einer Briefwahl über den Sommer.
Ziel ist, dass ein Ergebnis bis zum 5. September feststeht. Dann ist die erste Parlamentssitzung nach der Sommerpause geplant.
Amtsinhaber Johnson kündigte an, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten. «Ich möchte niemandem die Chance verbauen, indem ich meine Unterstützung anbiete», sagte der 58-Jährige mit Blick auf die schwere Kritik, die er von seiner Partei in den vergangenen Tagen einstecken musste.
Johnson hatte am Donnerstag nach massivem Druck aus den eigenen Reihen seinen Rückzug angekündigt. Der Premier hatte zuvor Skandal an Skandal gereiht. Zuletzt wurde ihm eine Affäre um sexuelle Belästigung zum Verhängnis: Ein Parteifreund soll schwer betrunken zwei Männer begrapscht haben. Wie sich herausstellte, hatte Johnson den Mann in einem wichtigen Fraktionsamt installiert, obwohl er von ähnlichen Vorwürfen aus der Vergangenheit wusste. Doch das war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
(yam/sda/dpa)