Mit ihrer Liebeserklärung an die Schweiz erlangte die Amerkanerin Chantal Panozzo in beiden Ländern Bekanntheit. Unterstützt hat sie Bernie Sanders, gewählt Hillary Clinton. In der Wahlnacht schmiedet sie bereits Pläne, in die Schweiz zurückzukehren. In einem Land, das von Donald Trump angeführt wird, will sie ihre Tochter nicht grossziehen.
Wie geht es Ihnen?
Chantal Panozzo: Ich bin am Durchdrehen. Ich kann es nicht glauben. Ich verstehe nicht, was mit diesem Land passiert.
Haben Sie irgendwelche Anzeichen gesehen, dass Trump so gut abschneidet?
Ich muss gerade an ein Erlebnis im September zurückdenken, als ich und mein Mann an einem Velorennen in Michigan mitmachten. Wir parkten unser Auto in einer Nachbarschaft, wo der Start war, und plötzlich waren da Leute, die uns anschrien, wir dürften unser Auto nicht vor ihrem Haus abstellen. Das war eine Kleinstadt, wo die Grossmutter meines Manns aufwuchs. Ich dachte, was ist hier passiert, dass einen Leute einfach anschreien? Es ist viel Wut vorhanden in diesem Land.
Und in Illinois, wo Sie wohnen?
Ich habe in meiner Gegend auch Trump-Schilder vor den Häusern gesehen, das hat mich schon erstaunt.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Demokraten nie richtig warm wurden mit Clinton und Bernie Sanders bevorzugten. Kann es sein, dass sie daheim geblieben sind?
Ich kann mir das nur schwer vorstellen. Auch ich und meine Familie unterstützten Bernie Sanders und gingen an seine Veranstaltungen. Als Hillary Clinton die Nomination gewann, war ich enttäuscht. Aber Sanders-Wähler sind rationale Leute und wählen sicher nicht Trump. Nicht zuletzt, weil auch Sanders Clinton unterstützte.
Einmal angenommen, Clinton schafft es doch noch knapp. Würde sie durch diesen Schock nicht bereits geschwächt ihr Amt antreten?
Wie wir schon unter Obama gesehen haben, hängt viel vom Parlament ab. Und da sieht es für die Demokraten ohnehin nicht gut aus. Das Repräsentantenhaus bleibt republikanisch und der Senat offenbar auch. Aufgrund ihrer langen politischen Erfahrung wäre sie aber sicher eine starke Präsidentin.
Und wenn Trump gewinnt?
Ich fürchte, er wird dieses Land ruinieren. Mir zittern die Hände, wenn ich das sage. Ich habe eine kleine Tochter und ich bin mir nicht sicher, dass ich sie in einem Land grossziehen will, wo Donald Trump Präsident ist. Er hat keine Führungsqualitäten, er ist unsicher, schreit herum, beleidigt Leute. Er ist kein Vorbild und kein Aushängeschild, das ich für mein Land will. Mir scheint, ich muss Sie etwas fragen.
Was denn?
Wird die Schweiz mich zurücknehmen?
Man hat von vielen Leuten gehört, dass sie auswandern werden, wenn Trump gewinnt. Ziehen Sie das ernsthaft in Betracht?
Wir zogen es schon diesen Sommer in Betracht, als mein Mann ein gutes Jobangebot hatte. Sogar unser Visum wäre noch gültig gewesen. Aus verschiedenen Gründen entschieden wir uns dann, in den Staaten zu bleiben.
Und wenn ein neues Jobangebot kommt?
Dann ja. Wir lieben die Schweiz. Es wäre schön, zurückzukommen.
Aber irgendwie auch traurig, das Gefühl zu haben, sein eigenes Land verlassen zu müssen.
Es ist traurig. Ich hatte schon einen kleinen Kulturschock, als ich 2014 zurück kam, nach acht Jahren in der Schweiz. So viel hat sich verändert. Wie ich schon sagte, es gibt so viel Wut in diesem Land. Und viele Leute haben wohl auch Grund, wütend zu sein. Nicht zuletzt, weil sie Dinge nicht haben, die für Schweizer selbstverständlich sind. In Illinois musste ich heute abstimmen, ob es Arbeitnehmern erlaubt sein soll, bis zu fünf Krankheitstage pro Jahr zu haben. Wirklich? Darüber muss man abstimmen? In der Schweiz, wenn du krank bist, gehst du nicht arbeiten, fertig. Hier musst du Angst haben, deinen Job zu verlieren.
Clintons Chancen schwinden zusehends. Planen Sie, die Nacht aufzubleiben?
Ja, ich denke schon. Man kann immer hoffen.
In der Schweiz sagen wir, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ja (schluckt leer).