Donald Trump hat sich innerhalb von wenigen Tagen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie europäischen Staatschefs getroffen. Wie beurteilen Sie diese Treffen als Friedensforscherin?
Dana Landau: Es ist kein Stillstand mehr, das ist schon mal gut. Gleichzeitig ist noch sehr vieles unklar. Auf der einen Seite sagt Trump, dass er der Ukraine Sicherheitsgarantien geben werde, ohne jedoch genauer auszuführen, was er darunter konkret versteht. Auf der anderen Seite übernimmt er in Posts auf Social Media das russische Narrativ komplett, indem er die Verantwortung für einen Frieden an Selenskyj delegiert. Generell drückt er den Verhandlungen sehr seinen Stempel auf.
Trump verbucht die beiden Treffen nun als seinen grossen Erfolg. Stimmt das?
Trumps Sprache besteht aus Superlativen. Vor seiner Wahl zum Präsidenten beschwor er, er werde den Krieg in 24 Stunden beenden. Jetzt sagt er, er habe als Präsident schon sechsmal Frieden geschlossen. Er rückt sich selbst sehr ins Zentrum. Klassische Friedensverhandlungen passieren jedoch im Stillen. Langsam und mit Blick auf jedes Detail eines möglichen Abkommens.
Das letzte Mal, als Selenskyj im Weissen Haus zu Gast war, kam es zum grossen Eklat. Wie sehr hat das dieses aktuelle Treffen beeinflusst?
Mein Eindruck ist schon, dass Selenskyj mehr Grund dazu hatte, vor dem Treffen am Montag nervös zu sein als Putin bei den Gesprächen in Alaska am vergangenen Freitag. Das ist wohl auch der Grund, weshalb ihn so viele europäische Regierungschefs und -chefinnen nach Washington begleitet haben. Europa wollte Selenskyj den Rücken stärken und die eigene Geschlossenheit demonstrieren.
Bevor Trump Selenskyj ins Weisse Haus eingeladen hat, hat er sich allein mit Putin getroffen. Was hat er damit für ein Signal ausgesendet?
Da ging es nicht nur um die Reihenfolge. Trump hat Putin damit die Möglichkeit geboten, sich auf der Weltbühne zu rehabilitieren, mit dem Anführer des Westens, auf Augenhöhe. Es sendet das Signal, Putin sei wieder ein legitimer Partner.
Kann es nicht auch ein gutes Zeichen sein, wenn man beiden Konfliktparteien die Hand ausstreckt?
Klassischerweise geht man in der Mediationsforschung davon aus, dass eine Mediatorin unparteiisch sein muss. Aber es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass auch ein voreingenommener Mediator gute Erfolge erzielen kann. Nämlich dann, wenn es ihm durch seine Voreingenommenheit gelingt, das Vertrauen einer Konfliktpartei zu gewinnen. Diese zeigt sich dann eher bereit, Zugeständnisse zu machen. Dafür braucht der Mediator aber eine gewisse Macht über die Konfliktpartei. Ich habe aber meine Zweifel, ob die USA gegenüber Russland diese Macht im Moment haben, und ob das die Absicht ist.
Welche Strategie verfolgt Trump?
Ich habe dahinter leider nicht eine wirkliche Strategie erkennen können, sondern das war eher ein Auftritt, der das Ego dieser beiden Männer ins Zentrum gerückt hat. Das Signal, das Trump und Putin dabei ausgesendet haben, ist: Es geht hier um uns zwei, die Ukraine und ihre Zukunft ist nicht so wichtig. Insofern war das schon fatal, dass Trump und Putin da waren, Selenskyj aber nicht.
Die Ukraine beharrt seit dem Angriff Russlands darauf, dass ein Frieden nur möglich ist, wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, nicht aber über Zugeständnisse an Russland. Zeigen die jüngsten Treffen, dass sich die Ukraine davon wird verabschieden müssen?
Umfragen zeigen, dass es in der ukrainischen Bevölkerung eine starke Ablehnung gibt, Russland Zugeständnisse zu machen. Und selbst wenn die Ukraine Zugeständnisse machen sollte, dann nur unter der Bedingung, dass sie handfeste Sicherheitsgarantien erhält. Die Angst der Ukraine vor einem Kompromiss ist, dass es nicht bei nur einem Zugeständnis an Russland bleiben wird. Die Ukraine hat es nämlich in der Vergangenheit schon erlebt, dass sie Abkommen geschlossen hat, welche nicht eingehalten wurden und mit denen sie weiterhin angreifbar geblieben ist.
Sie sprechen das Minsker Abkommen an, mit dem 2015 versucht wurde, den damals schon schwelenden Konflikt in der Ost-Ukraine beizulegen.
Genau. Das war aus Sicht der Mediationsforschung ein missglücktes Abkommen, weil daran keine klaren Umsetzungsmechanismen gekoppelt waren und die wenigen Mechanismen, die es gab, ständig torpediert wurden. Russland ist es damals gelungen, eine Doppelrolle zu beanspruchen, indem es als Mediationspartei aufgetreten ist, wo es eigentlich bereits Konfliktpartei war. Das wäre bei einem neuen Friedensabkommen unbedingt zu verhindern.
Wie viel Spielraum hat Selenskyj überhaupt, um Putin entgegenzukommen?
Wir sind da bei einem grundsätzlichen Problem dieses Kriegs. Es steht eine autoritäre einer demokratischen Konfliktpartei gegenüber. Bei Russland muss man in den Verhandlungen eigentlich nur Putin ins Boot holen. In der Ukraine hingegen müssen Entscheidungen immer demokratisch legitimiert sein. Bei der abstrakten Diskussion über Zugeständnisse und Grenzen darf man eines nie vergessen: In diesen Gebieten leben Menschen. Für sie hat es gewichtige Konsequenzen, unter welcher Herrschaft sie leben.
Was bräuchte es aus Sicht der Friedensforschung, damit ein dauerhafter Frieden in der Ukraine möglich wäre?
Es darf für keine der beiden Parteien mehr Anreize geben, künftig erneut einen Krieg zu starten. Das heisst vor allem, dass es klare Regeln braucht, was passiert, wenn eine Konfliktpartei gegen getroffene Abmachungen verstossen würde. Deshalb sind die Sicherheitsgarantien so zentral. Gibt es sie nicht, haben die Ukraine und Russland eine Motivation weiterzukämpfen. Die Ukraine, um verlorenes Gebiet zurückzuholen. Und Russland, um noch mehr Gebiete zu erobern, da nicht klar wäre, welche Konsequenzen ein erneuter Angriff nach sich ziehen würde.
Sind wir mit den beiden Treffen einem Frieden nähergekommen?
Das ist schwierig zu beantworten, wir befinden uns noch mitten im Prozess. Die Angriffe Russlands auf die Ukraine gehen weiter und haben sich in den letzten Monaten intensiviert – insbesondere die Angriffe auf Zivilisten. Das gibt einem nicht das Gefühl, das wir näher dran sind. Erfolgreiche Friedensgespräche müssen konkrete, umsetzbare und klare Regeln hervorbringen. Das ist viel Arbeit, das braucht Expertise, das braucht Geduld. All das beobachte ich im Moment noch nicht.
Gibt es einen Grund zu glauben, dass er dieses Ziel nicht mehr hat? Zumal die Mehrheit der russische Bevölkerung dem völlig gleichgültig und machtlos gegenübersteht.
Solange diese Ziel besteht sind Friedensverhandlungen reine PR Aktionen.