Die israelischen Streitkräfte sind in einen Teil des Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen eingedrungen. Das teilte die Armee in der Nacht auf Mittwoch auf Telegram mit.
Die Lage ist noch immer unübersichtlich und nur schwer einzuschätzen, da der Zugang zum von der Hamas kontrollierten Gazastreifen sehr schwer ist.
Die israelischen Streitkräfte sind in einen Teil des Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen eingedrungen. Auf der Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen führten Soldaten «eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Schifa-Krankenhauses durch», teilte die Armee am frühen Mittwochmorgen auf X mit. «Wir fordern alle im Krankenhaus anwesenden Hamas-Terroristen auf, sich zu ergeben.» Medienberichten zufolge hatten die Streitkräfte die Behörden im Gazastreifen vor dem Einsatz gewarnt.
🔴 Operational Update:
— Israel Defense Forces (@IDF) November 15, 2023
IDF forces are carrying out a precise and targeted operation against Hamas in a specified area in the Shifa Hospital, based on intelligence information and an operational necessity.
The IDF is conducting a ground operation in Gaza to defeat Hamas and…
Das Militär habe einen palästinensischen Gesundheitsbeamten kontaktiert und über den bevorstehenden Angriff informiert, sagte ein Sprecher des von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums am Mittwoch dem Fernsehsender Al-Dschasira. Seit Tagen kommt es in der Nähe von Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen zu Gefechten zwischen israelischen Bodentruppen und palästinensischen Extremisten.
Israels Militärsprecher Daniel Hagari hat vor einem Vorgehen gegen mutmassliche Infrastruktur der islamistischen Hamas in Krankenhäusern im Gazastreifen gewarnt. In den vergangenen Wochen habe man immer wieder betont, dass die «fortgesetzte militärische Nutzung des Schifa-Krankenhauses durch die Hamas dazu führt, dass es seinen besonderen völkerrechtlichen Schutz verliert», sagte Hagari am Dienstagabend. «Wir sind gezwungen, vorsichtig und präzise gegen die militärische Infrastruktur der Hamas in den Krankenhäusern vorzugehen.» Er forderte Hamas-Kämpfer dazu auf, «sich zu ergeben, um niemanden in den Krankenhäusern weiter zu gefährden».
Es habe stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben, sagte Ahmed Muchallalati, Mediziner der grössten Klinik des Küstenstreifens, der «Washington Post». Er habe israelische Panzer in Nähe des Klinikkomplexes gesehen. «Wir wissen nicht, was ihr Plan ist.» Er wolle trotzdem versuchen, sich weiter um die Patienten zu kümmern.
Die BBC zitierte einen Augenzeugen in der Klinik, der von sechs Panzern und mehr als Hundert Soldaten auf dem Krankenhausgelände berichtete. Einige seien maskiert gewesen und hätten auf Arabisch gerufen: «Nicht bewegen, nicht bewegen!» Auch seien Rauchbomben zum Einsatz gekommen. Unabhängig überprüfen liessen sich die Angaben am Morgen zunächst nicht.
Der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, «Dutzende Soldaten» befänden sich in der Notaufnahme des Krankenhauses. Zudem seien Panzer in einem Hof des Gebäudekomplexes stationiert. Der Sender berichtete unter Berufung auf Mitarbeiter, dass sich in dem Krankenhaus schätzungsweise noch 650 Patienten befinden. Dem Arzt Muchallalati zufolge sind davon etwa 100 in Lebensgefahr. Zudem hielten sich dort 2000 bis 3000 Vertriebene auf sowie 700 Mediziner und Verwaltungsmitarbeiter.
Das Krankenhaus in Gaza-Stadt ist bereits jetzt zum «Symbol für die Unmenschlichkeit des Gegners» geworden – so zumindest beschreibt es die New York Times.
Für Israel soll Schifa der Beweis dafür werden, wie die islamistische Terrororganisation Hamas die Verletzlichsten in der Gesellschaft als menschliche Schutzschilde und Kanonenfutter im Kampf um die Gunst der globalen Öffentlichkeit missbraucht. Und nach Ansicht der meisten Palästinenser ist die Besessenheit mit dem Schifa-Spital ein Beweis für Israels Bereitschaft, selbst die hilflosesten Zivilisten ungerechtfertigt anzugreifen.
Mit 700 Betten ist das Schifa-Spital der wichtigste Klinikkomplex in dem Küstenstreifen. Nach Angaben der israelischen Sicherheitsbehörden haben die Hamas-Kämpfer einen Grossteil der letzten 16 Jahre damit verbracht, einen riesigen Kommandokomplex unter dem Krankenhaus zu errichten – neben ähnlichen Stützpunkten unter anderen medizinischen Einrichtungen.
Der israelische Militärgeheimdienst sagte in einer Erklärung, die der «New York Times» vorliegt, es gebe «mehrere unterirdische Komplexe, die von den Führern der Terrororganisation Hamas genutzt werden, um ihre Aktivitäten zu steuern». Der Komplex werde demnach zum Teil mit Strom versorgt, der vom Spital abgezweigt wird, und es gäbe mehrere Eingänge in und um das Krankenhaus. Beweise dazu, welche unabhängig überprüft werden könnten, gibt es aber nicht.
Nach Angaben aus dem Weissen Haus verfügen auch die USA über Informationen, dass die islamistische Hamas im Gazastreifen Krankenhäuser für militärische Zwecke nutzt. «Hamas und Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) nutzen einige Krankenhäuser im Gazastreifen – auch die Schifa-Klinik – und unter ihnen liegende Tunnel, um ihre Militäroperationen zu verbergen und voranzutreiben und um Geiseln festzuhalten», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby, am Dienstag.
Die Schifa-Klinik in der Stadt Gaza sei ein «Kommando- und Kontrollknoten» für diese Gruppierungen. Wahrscheinlich würden dort auch Ausrüstung und Waffen gelagert, hiess es. Diese Informationen stammen laut Kirby «aus einer Vielzahl eigener Geheimdienstmethoden». Gleichzeitig verdeutlichte er, die USA unterstützten weder Luftangriffe auf Krankenhäuser noch Feuergefechte in deren Nähe. «Unschuldige Menschen, hilflose Menschen, kranke Menschen», die «lediglich versuchten, die medizinische Versorgung zu erhalten, die sie verdienen», dürften nicht ins Kreuzfeuer geraten. Die Hamas habe sich unter die Zivilbevölkerung gemischt. Die Nutzung der Schifa-Klinik für militärische Zwecke sei ein Kriegsverbrechen und mache den Einsatz des israelischen Militärs «deutlich schwieriger», sagte Kirby.
Die Hamas bestreitet die Existenz von Einrichtungen unter Spitälern. Der Direktor des Krankenhauses, Dr. Mohammed Abu Salmiya, bezeichnete die israelischen Anschuldigungen in einem Interview am Freitag als «unwahr». Gegenüber dem britischen Sender BBC bestritt auch ein leitender Arzt der Klinik die Darstellung der israelischen Seite, dass sich Hamas-Kämpfer in dem Krankenhaus aufhielten. Das sei «eine grosse Lüge», sagte der Chefchirurg Marwan Abu Saada. «Wir haben medizinisches Personal, wir haben Patienten und Vertriebene. Nichts anderes.»
Während Israels Armee bekannt gab, dass es einen sicheren Korridor für die Evakuierung von Zivilisten gebe, liessen Menschen, die im Krankenhaus Zuflucht gefunden haben, Anfang Woche verlauten, sie hätten Angst, nach draussen zu gehen.
Um das Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen wurde bereits in den letzten Tagen nach Worten eines dort arbeitenden Arztes weiter heftig gekämpft. «Wir können kaum die Patienten im Krankenhaus behandeln und sind mitten im Kriegsgebiet», sagte der Mediziner der grössten Klinik des Küstenstreifens, Ahmed Muchallalati, am Sonntag dem Nachrichtensender Al-Dschasira. «Es gibt laufend Luftangriffe, und Drohnen kreisen in der Gegend des Krankenhauses.»
Die Ankündigung der israelischen Armee, dass Zivilisten das Krankenhaus über die östliche Seite verlassen könnten, sei eine «grosse Lüge», sagte der Arzt. Erst am Samstag habe eine fünfköpfige Familie genau dies versucht. Auf sie sei dann geschossen worden. «Also kamen sie verletzt zurück», sagte Muchallalati.
Die israelische Armee bestreitet, medizinische Einrichtungen zum Ziel zu haben. Am Sonntag schrieb sie allerdings in einer Erklärung, dass sie einen Weg für Zivilisten und Patienten zum Verlassen des Schifa-Spitals sichere. Das deutete darauf hin, dass die Kämpfe um das Krankenhaus wohl noch zunehmen würden.
Wie die «New York Times» berichtet, liessen israelische Beamte verlauten, das Krankenhaus sei bei früheren israelischen Operationen aus Rücksicht auf die Zivilbevölkerung verschont worden – allerdings um den Preis, dass die darunter befindlichen Gebäude unversehrt blieben. Dies sei ein Fehler, den Israel dieses Mal nicht wiederholen werde, so die Beamten.
Die Lage im Schifa-Spital sei «schrecklich und lebensgefährlich», schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus bereits am Sonntag auf X.
.@WHO has managed to get in touch with health professionals at the Al-Shifa hospital in #Gaza.
— Tedros Adhanom Ghebreyesus (@DrTedros) November 12, 2023
The situation is dire and perilous.
It's been 3 days without electricity, without water and with very poor internet which has severely impacted our ability to provide essential…
Seit drei Tagen habe es keine Elektrizität und kein Wasser mehr gegeben. Der konstante Beschuss und die Bombardierung in der Region haben die ohnehin schon kritische Lage noch verschlimmert, so Tedros. «Tragischerweise ist die Zahl der Todesfälle unter den Patienten erheblich gestiegen», schrieb der WHO-Chef weiter. Das Krankenhaus funktioniere nicht mehr als Krankenhaus.
Aufgrund der fehlenden Elektrizität sowie von Kämpfen in ihrer Nähe haben bereits andere Spitäler Patientinnen und Patienten verschieben müssen – unter anderem in das Schifa-Spital. Doch auch dort kann derzeit offenbar kaum geholfen werden: Klinikchef Mohammad Abu Salamia sagte am Sonntag, sämtliche Operationsräume seien zurzeit ausser Betrieb. «Wer operiert werden muss, stirbt, und wir können nichts für ihn tun», so Abu Salamia.
Es befänden sich mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene, schrieb auch die WHO selbst am Montag auf der Plattform X unter Berufung auf das palästinensische Gesundheitsministerium. Demnach konnten Patienten unter anderem keine Dialyse mehr erhalten. Frühgeborene seien zudem ohne Brutkästen in Operationssäle verlegt worden. Gemäss diversen Medienberichten gibt es Hinweise darauf, dass mindestens ein Frühgeborenes bereits gestorben sei.
Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium im Gazastreifen teilte mit, dass am Samstag mindestens fünf verwundete Patienten in dem Krankenhaus gestorben seien. Ohne Treibstoff für den Betrieb von Generatoren sei das Krankenhaus in Dunkelheit getaucht, erklärten das Ministerium und der Verwalter des Krankenhauses.
Wegen Treibstoffmangels könnte die humanitäre Unterstützung von über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen nach Einschätzung des UN-Hilfswerkes für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bald zusammenbrechen. «Das UNRWA hat bereits vor drei Wochen wegen der Treibstoffsituation Alarm geschlagen und vor den sich schnell erschöpfenden Vorräten und den Auswirkungen auf die lebensrettenden Massnahmen gewarnt. Seitdem haben wir die Verwendung von Treibstoff stark rationiert und in enger Abstimmung mit den israelischen Behörden auf bereits vorhandene, begrenzte Mengen zugegriffen, die in einem Depot innerhalb des Gazastreifens gelagert sind. Das Depot ist jetzt leer», sagte UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini am Mittwoch. «Es ist ganz einfach. Ohne Treibstoff wird die humanitäre Operation im Gazastreifen zu Ende gehen. Viele weitere Menschen werden leiden und wahrscheinlich auch sterben.»
(lak, mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA)
Ich kann mir gut vorstellen, dass wahr ist, was hier geschrieben steht. Der Hamas traue ich sowas zu.