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Italien in Aufruhr: Deutsche Museumschefin nennt Florenz «Prostituierte»

Deutsche Museumsdirektorin bezeichnet Florenz als «Prostituierte» – keine gute Idee

Florenz ächzt unter Touristen. Eine deutsche Kulturmanagerin kritisiert das Treiben mit einem illustren Vergleich. Die Empörung ist riesig.
30.01.2024, 18:23
Christoph Cöln / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Wer schon einmal in Florenz gewesen ist, wird es kennen: Menschenmassen, wohin das Auge blickt, teure Tickets und stundenlanges Anstehen vor Museen und Sehenswürdigkeiten. Die Stadt gilt als eine Perle Italiens, doch ihr Glanz droht unter der Last des Tourismus zu verblassen. Das meint zumindest Cecilie Hollberg. Die Deutsche steht einer der wichtigsten Kulturinstitutionen am Stiefel vor: dem berühmten Museum Galleria dell’Accademia in Florenz.

Cecilie Hollberg during the press conference, Florence, ITALY-14-12-2015.
Cecilie Hollberg während einer Pressekonferenz (Archivbild aus dem Jahr 2015).Bild: http://www.imago-images.de/

Und weil Hollberg nicht scheut, den Finger in die Wunde zu legen, hat sie es nun zu einem veritablen Skandal gebracht. Die Museumsdirektorin stellte einen pikanten Vergleich an, indem sie Florenz mit Blick auf den Massentourismus in die Nähe des leichten Gewerbes rückte. «Wenn eine Stadt erst einmal zu einer Prostituierten geworden ist, ist es für sie schwierig, wieder Jungfrau zu werden», sagte sie der italienischen Tageszeitung «La Repubblica».

Die Perle Italiens eine Dirne? Die Aussage der 57-jährigen Deutschen sorgt am Apennin für Unmut. Florenz' stellvertretende Bürgermeisterin, Alessia Bettini, nannte Hollbergs Statement «wahnhaft» und eine «Beleidigung für alle Florentiner». Italiens ehemaliger Ministerpräsident Matteo Renzi forderte eine Entschuldigung der Kulturmanagerin. «Beschämende Worte» seien das, so der in Florenz geborene Renzi. Er brachte einen Rücktritt Hollbergs ins Spiel.

Hollberg: «keine Hoffnung» ohne Bremse

Offenbar hat die Deutsche mit ihrer Kritik einen sensiblen Punkt getroffen: den Über-Tourismus. Jene Form des schwarmartigen Reisens, die manche Orte an den Rand ihrer Kapazitäten bringen und ihres ursprünglichen Charakters berauben kann.

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Steht in der Galleria dell’Accademia: der David von Michelangelo.Bild: www.imago-images.de

Laut des Datenportals statista.de zählte Florenz vor der Corona-Pandemie 15 Millionen Besucherübernachtungen pro Jahr, 20 Mal mehr, als die Stadt Einwohner hat. Seit dem Ende der Pandemie steigen die Zahlen wieder rasant an. Die Unesco zeigt sich schon lange besorgt über die Entwicklung der Metropole mit ihrer historischen Altstadt, den zahlreichen Prachtbauten und bedeutenden Artefakten der Kunstgeschichte.

In die Altstadt, in der 60'000 Menschen leben, drängen jeden Tag 45'000 Besucher hinein. Es gibt dort mehr AirBnB-Wohnungen als eigengenutzte Wohnungen, wie die «taz» berichtete. Dagegen regt sich auch unter den Bewohnern Widerstand. So fordern Bürgerinitiativen ein Verbot von AirBnB-Wohnungen und eine Beschränkung der Besucherzahlen.

Auf diese Problematik wollte nun auch Hollberg aufmerksam machen. «Florenz ist sehr schön, und ich würde gerne, dass es wieder an seine Bewohner geht und nicht vom Tourismus zerquetscht wird», sagte sie «La Republicca». Ohne eine «absolute» Bremse bei den Touristenzahlen sehe sie «keine Hoffnung». Die Kritik der 57-jährigen Historikerin nimmt die Stimmung in weiten Teilen der Florentiner Bevölkerung auf, könnte man meinen.

Kulturminister kündigte «Massnahmen» an

Doch Hollberg, in deren Museum Galleria dell’Accademia unter anderem die weltberühmte David-Skulptur des Renaissance-Künstlers Michelangelo ausgestellt wird, hatte vielleicht die Brisanz ihrer Sprecherposition unterschätzt. Als ausländische Kulturmanagerin steht sie in Italien einem zunehmend xenophoben Zeitgeist gegenüber.

Seit die neofaschistische Politikerin Giorgia Meloni die Regierungsgeschäfte übernommen hat, werden nicht-italienische Funktionäre wieder kritischer beäugt. So kritisierte Melonis parteiloser Kulturminister Gennaro Sangiuliano Hollbergs Äusserungen als «schwerwiegend und beleidigend» und kündigte an, «angemessene» Massnahmen zu erwägen.

Die Drohung zeigte offenbar Wirkung. Inzwischen entschuldigte sich die Deutsche für ihr Interview. Sie habe die «falschen Wörter» verwendet über «eine Stadt, die ich liebe».

Sangiuliano spricht von «Provinzialismus»

Schon einmal bekam Hollberg den Zorn einer populistischen Regierung in Italien zu spüren. 2019 wurde sie trotz noch laufenden Vertrags als Direktorin der Accademia entlassen und das eigentlich unabhängige Museum unter die Kontrolle der staatlich geführten Uffizien gestellt. Zu jener Zeit machte insbesondere der linkspopulistische Kulturminister Alberto Bonisoli Stimmung gegen zahlreiche ausländische Kulturschaffende, die an der Spitze bedeutender italienischer Einrichtungen standen.

Als die nationalistischen Bestrebungen unter der Regierung Giuseppe Conte wenig später abklangen, erhielt Hollberg ihren Job zurück und die Unabhängigkeit der Accademia wurde wiederhergestellt.

Unter der Regierung Meloni gibt es nun erneut Bestrebungen, den Zugang zu Museumsdirektoren-Posten für Ausländer zu verschärfen. Der aktuelle Kulturminister Sangiuliano sieht in der grossen Zahl an nicht-italienischen Fachkräften in diesem Bereich sogar einen «einen gewissen xenophilen Provinzialismus, demzufolge wir in jeder Hinsicht einen Ausländer berufen müssen», wie er in einem TV-Interview sagte.

Übersetzt heisst das wohl, der Kulturminister befürchtet eine zu grosse Fremdenfreundlichkeit durch gebildetes Hinterwäldlertum. Darauf muss man auch erstmal kommen.

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rhabarber
30.01.2024 19:45registriert Dezember 2023
Hollberg spricht nur die Wahrheit aus. Die ganze Stadt wird für Geld ruiniert. Die Stadt ist eine Prostituierte. Und ihre Zuhälter sind die Politiker, die das zulassen.
Ich empfehle Hollberg das Rotlichtmilieu südlich der Alpen zu verlassen und sich im Norden eine angenehmere Stelle zu suchen. Nördlich der Alpen ist man weniger empfindlich gegen Leute, die unliebsame Wahrheiten aussprechen.

Sie nannte übrigens nicht die Einwohner der Stadt Prostituierte. Wenn Meloni und ihre Mussolini-Fans den Unterschied zwischen Stadt und Stadtbewohner nicht kennen, dann haben sie ein böses Bildungsproblem.
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sowhat
30.01.2024 20:37registriert Dezember 2014
Tja, Wenn sie doch Recht hat 🤷🏻‍♀️
Ich war vor etwa 10 Jahren dort. Und es war da schon schlimm. Ich hab mich schon da nicht in die Schlange gestellt, weil ich dachte, in den 3 oder 4 Stunden, in denen ich dort stehen würde, könnte ich viele andere Dinge sehen und erleben.
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