23 Jahre nachdem der charismatische Drogenbaron Pablo Escobar bei einer Razzia in Medellin erschossen worden ist, ist sein Vermächtnis grösser denn je. Das liegt vor allem an der Netflix-Serie «Narcos», die Escobar in einer Mischung aus kaltblütigem Killer und liebenswürdigem Familienmenschen in die Wohnzimmer von Serienjunkies weltweit streamt.
Im Nordwesten von Kolumbien jedoch ist die Hinterlassenschaft des ehemals mächtigsten Drogenbosses um einiges realer – nämlich knapp fünf Tonnen schwer und bis zu fünf Meter lang.
Mehr als 50 Flusspferde bevölkern das Umland von Puerto Triunfo nahe Medellin – Nachkommen des von Escobar gehaltenen Privatzoos auf seiner Hacienda Nápoles. Escobar hatte die Tiere in den 80ern zur Unterhaltung auf sein Luxusresort geholt, zusammen mit Antilopen, Elefanten, Straussen und anderen exotischen Tieren. Mittlerweile aber haben sich die Flusspferde zur Plage entwickelt. «Wir beobachten ein besorgniserregendes natürliches Experiment», sagt Douglas McCauley, ein Biologieprofessor und Hippo-Spezialist, dem Magazin Vice. Flusspferde sind in Lateinamerika nicht heimisch, ihr natürliches Habitat ist Sub-Sahara-Afrika.
Noch haben die Hippos keinem Menschen Schaden zugefügt, wie die kolumbianische Regierung versichert. Allerdings sorgen die Tiere bei der einheimischen Bevölkerung für Verunsicherung: Obwohl der sich hartnäckig haltende Mythos, Hippos seien die gefährlichsten Tiere, statistisch bisher nicht bestätigt werden konnte, können die Flusspferde sehr aggressiv sein. Ein Tier, ein Bulle namens Pepe, wurde 2009 von kolumbianischen Soldaten erschossen.
Was genau mit der Herde geschehen soll, darüber scheint sich niemand im Klaren zu sein. Die Betreiber der Hacienda Nápoles – mittlerweile ein Vergnügungspark – machen keine grossen Anstalten, die Tiere einzufangen. Zoos und Tierparks in der Region sehen sich ebenfalls nicht in der Lage, die Flusspferde aufzunehmen.
Doch sind die Flusspferde überhaupt eine Bedrohung für Flora und Fauna in Kolumbien? Darüber herrscht Uneinigkeit. Zwar gelten die behäbigen Pflanzenfresser als Gärtner der Natur. Mit ihrem Dung versorgen sie andere tierische Flussbewohner mit lebensnotwendigen Stoffen. Anderseits kann ein Übermass an Exkrementen das Ökosystem auch gehörig durcheinanderwirbeln.
In einer Region, die mit Arbeitslosigkeit, bewaffneten Konflikten und ökologischen Krisen wie illegaler Entsorgung, Abholzung und verschmutztem Wasser zu kämpfen hat, rückt die Problematik der Hippos in den Hintergrund. Ohnehin ist unklar, wie der Hippo-Plage zu begegnen wäre. Gemäss dem südafrikanischen Zoologen Michael Knight gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man erlegt die Tiere, oder man kastriert sie.
Bislang wurden nach Angaben von Vice gerade mal vier Flusspferde kastriert – der Rest streunt nach wie vor unbehelligt über das weitläufige Gelände der Hacienda und angrenzende Landstriche. Einige Bewohner hätten die Tiere gar schon ins Herz geschlossen – und für die Parkbetreiber stellen die Hippos dank ihres exotischen Status einen ökonomischen Mehrwert dar. (wst)