Lodernde Barrikaden, verwüstete Geschäfte, ausgebrannte Autos - vom G20-Gipfel in Hamburg bleiben hässliche Bilder. Kaum jemand dürfte sich noch an die politischen Ergebnisse des Treffens der Staats- und Regierungschef der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer erinnern.
Die Szenen von der «Welcome-to-Hell»-Demonstration hingegen sind noch immer präsent. Solche Bilder will die argentinische Regierung beim diesjährigen G20-Gipfel am Freitag und Samstag in Buenos Aires um jeden Preis verhindern.
«Wer demonstrieren will, hat das Recht dazu, aber unter einer Bedingung: Es muss friedlich bleiben», sagte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich. «Gewalttätige Aktionen dürfen nicht vorkommen. Wir werden sehr streng sein.»
Für Präsident Mauricio Macri steht viel auf dem Spiel, wenn er US-Präsident Donald Trump, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen empfängt. Argentinien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, die Inflation liegt bei rund 40 Prozent und angesichts der Peso-Abwertung musste die Regierung den Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um einen milliardenschweren Kredit bitten.
Der G20-Gipfel ist für Macri die Chance, sich als verlässlicher Partner auf dem internationalen Parkett zu präsentieren. Top-Thema des Treffens werden voraussichtlich die von Trump ausgelösten Handelskonflikte sein.
Gewalttätige Ausschreitungen soll ein massives Polizeiaufgebot verhindern. Mehr als 20'000 Sicherheitskräfte werden während der Gipfeltage im Einsatz sein. Das ist in etwa die gleiche Anzahl wie beim G20-Gipfel in Hamburg.
Zusätzlich sollen im benachbarten Uruguay 400 US-Soldaten sowie Awacs-Aufklärungsflugzeuge stationiert werden. «Wir sind in maximaler Alarmbereitschaft», sagte der Informationschef der Regierung und Organisator des Gipfels, Hernán Lombardi.
Die heftigen Krawalle vor dem Finale des Fussball-Wettbewerbs Copa Libertadores warfen zuletzt allerdings kein gutes Bild auf die Sicherheitsvorkehrungen in Buenos Aires. Hunderte Fans des Fussballclubs River Plate attackierten am Wochenende den Mannschaftsbus des Stadtrivalen Boca Juniors mit Steinen.
Das Stadion liegt im G20-Sperrgebiet, das ab Donnerstag kein Normalbürger mehr betreten darf. Sicherheitsministerin Bullrich hatte vor dem Finale noch erklärt: «Wir werden einen G20-Gipfel hier haben, dagegen ist das River-Boca-Spiel doch eine Kleinigkeit.»
More footage of River Plate fans throwing rocks and pepper spray at the Boca bus. pic.twitter.com/eRy7ByCfAv
— Mootaz Chehade (@MHChehade) 24. November 2018
Für die Tage vor dem Gipfel haben Gewerkschaften, soziale Bewegungen und linke Gruppen bereits Proteste angekündigt. Unter dem Motto «No al G20» (Nein zu G20) sind in den Tagen vor dem Treffen zahlreiche Kundgebungen angekündigt. Am Abend des ersten Gipfeltags soll es eine Grossdemonstration gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs geben.
Die Proteste dürften sich sowohl gegen die als neoliberal empfundene eigene Regierung als auch gegen den verhassten IWF und das G20-Treffen richten. Zu dem Protesten wurden auch Teilnehmer aus den Nachbarländern Brasilien und Chile erwartet. Mit so vielen ausländischen Demonstranten wie in Hamburg wird aufgrund der langen Anreise aber nicht gerechnet.
«Wir rufen die gesamte Bevölkerung dazu auf, auf massive Art und Weise gegen die G20-Politik des Elends und des Todes auf die Strasse zu gehen», sagte Beverly Keene, Sprecherin der Organisation Diálogo 2000, die gemeinsam mit anderen Gruppen die Demonstrationen koordiniert. Die Regierung bat ihrerseits den argentinischen Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, mässigend auf die Demonstranten einzuwirken.
In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene. Selbst bei Protesten gegen Rentenkürzungen fliegen dort schon einmal Steine und Molotowcocktails. Zuletzt scheiterten in Buenos Aires zwei Sprengstoffanschläge, hinter denen die Ermittler anarchistische G20-Gegner vermuten.
«Es ist möglich, dass eine Gruppe eine gewalttätige Situation provozieren will», sagte Bullrich jüngst in einem Interview des Fernsehsenders TN. «Aber unsere Einsatzkräfte werden nah dran sein, um das zu unterbinden.»
Nach den Erfahrungen beim G20-Gipfel in Hamburg hat Deutschland die argentinische Regierung bei der Organisation des Treffens in Buenos Aires beraten. Doch auch die Demonstranten sind untereinander offenbar gut vernetzt.
Medienberichten zufolge zirkulieren mehrere Handbücher mit Erfahrungsberichten von den Krawallen in Hamburg, detaillierten Ratschlägen zu Strategie und Taktik bis hin zu praktischen Tipps zum Verhalten bei Demonstrationen, Erster Hilfe und Kommunikation.
Die grösste Sorge der argentinischen Regierung ist, dass sich gewaltbereite Demonstranten unter die friedlichen Protestmärsche mischen und die Polizei zu einem übertriebenen Vorgehen verleiten könnten.
«Sie wollen uns in eine Ausnahmesituation bringen. Wir müssen aufpassen, ihnen nicht die perfekte Entschuldigung für Versuche der Destabilisierung zu liefern», sagte Bullrich. «Sie wollen, dass wir über die Stränge schlagen, aber wir werden auf diese Provokationen nicht hereinfallen.» (sda/dpa)