Hunderte Flüchtlinge haben an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien versucht, die Sperranlagen zu stürmen. Das berichtet SPIEGEL-ONLINE-Reporter Giorgos Christides von vor Ort. Eine Gruppe von rund 300 Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien überwand am Montagmorgen am Übergang Idomeni Polizeiabsperrungen und drang auf die Bahnstrecke vor, berichtet auch ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP.
Die Menschen versuchten, Stacheldrahtabsperrungen niederzureissen. Die mazedonische Polizei setzte Tränengas ein. Unter den Hilfesuchenden befinden sich auch viele Kinder und Frauen. Inzwischen habe die Polizei damit begonnen, den Zaun wieder aufzubauen, berichtete Christides.
Die Situation vor Ort ist noch immer chaotisch: Noch immer befinden sich bis zu 300 Menschen am Grenzzaun. Sie fordern: «Öffnet die Grenzen, öffnet die Grenzen.» Einige warfen mit Steinen auf die mazedonischen Polizisten.
Auslöser war nach Medienberichten ein Gerücht, wonach Mazedonienangeblich seine Grenze wieder für alle Migranten geöffnet habe. Griechische Grenzpolizisten sagten der Deutschen Presse-Agentur jedoch, das Gerücht stimme nicht, die Grenze sei geschlossen.
Zehntausende Flüchtlinge sind auf dem Weg nach Europa wegen schärferer Grenzkontrollen entlang der sogenannten Balkanroute in Griechenland gestrandet. Nur 20 Menschen wurde am Montag offiziell erlaubt, von Idomeni aus nach Mazedonien einzureisen. Auch an den Vortagen wurden nur wenige durchgelassen. Das hat auch Auswirkungen auf die anderen Länder entlang der Balkanroute: In Kroatien und Slowenien wurden nach Polizeiangaben in den vergangenen drei Tagen nur noch knapp 1000 Menschen registriert.
Mazedonien, erstes Land auf der sogenannten Balkanroute, hatte kürzlich ebenso wie Serbien und die EU-Staaten Kroatien, Österreich und Slowenien Tageshöchstgrenzen für die Einreise von Flüchtlingen eingeführt. Dass immer mehr Länder den Alleingang starten, kritisieren die Vereinten Nationen nun.
Migration und Flucht erforderten eine weltweite Teilung von Verantwortung, sagte der Uno-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, zu Beginn der 31. Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf. «Immer höhere Mauern zu bauen als Reaktion auf die Flucht dieser verzweifelten Menschen, ist ein Akt der Grausamkeit und Selbsttäuschung.»
Menschen, die vor Folter und Krieg geflohen seien, verdienten vielmehr das Mitgefühl der internationalen Gemeinschaft, so Hussein. Angesichts der Konflikte in Syrien und Burundi, im Irak, Jemen, Sudan, in Libyen, Mali und Somalia sei das Leben von Millionen bedroht. Die Auswirkungen dieser Konflikte würden voraussichtlich noch lange zu spüren sein.
Auch Aussenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte nicht abgestimmtes Verhalten in der Flüchtlingskrise: «Ich habe immer deutlich gemacht: nationale oder regionale Alleingänge mögen nur auf den ersten Blick Abhilfe bieten», sagte Steinmeier der griechischen Zeitung «Ta Nea».
Eine deutliche Kritik Richtung Österreich: Das Land hatte Griechenland und Deutschland vergangene Woche nicht zu einer Flüchtlingskonferenz mit den Westbalkanstaaten eingeladen, obwohl die beiden Länder am stärksten von der Krise betroffen sind.
Nachhaltige Fortschritte könne es aber nur geben, wenn alle Europäer mitzögen. «Es ist keiner Seite gedient, wenn wir uns jetzt innerhalb der EU gegenseitig mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen überziehen», so Steinmeier. «Das bringt uns bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise keinen Schritt weiter. Die Risse, die jetzt mutwillig entstehen, werden mühsam wieder gekittet werden müssen.»