Sie war Papas Liebling. Seine kleine Prinzessin. Gerne prahlte Nordkoreas Führer Kim Jong Il mit dem scharfen politischen Verstand seiner jüngsten Tochter.
Der stolze Vater ist seit sechs Jahren tot, das einst kleine Mädchen heute eine 30-jährige Frau und Teil des nordkoreanischen Machtapparats. Am Wochenende hat ihr Bruder und Führer Kim Jong Un sie ein weiteres Mal befördert. Kim Yo Jong ist jetzt neu das stellvertretende Mitglied im einflussreichen Politbüro.
«Sie war wohl das einzige der Kim-Kinder, das tatsächlich an Politik interessiert war», behauptet Nordkorea Experte Michael Madden, der das Newsportal North Korea Leadership Watch gründete. Und in einem Gastbeitrag für Aljazeera sagte er im Frühling voraus: «Kim Yo Jong wird lange eine wichtige Kraft in der Regierung Nordkoreas bleiben. Ihre Karriere hat gerade erst begonnen.»
Über die heute 30-Jährige ist in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Die Faktenlage ist dünn: Selbst ihr Geburtsdatum, der 26. September 1987 oder ihre angebliche Ehe mit Choe Song, dem Sohn des Regierungsbeamten Choe Ryong Hae.
Wer ihre Mutter ist, ist unbestritten: Ko Yong Hi war eine frühere Tänzerin und die dritte Ehefrau des verstorbenes Diktators Kim Jong Il. Die beiden haben neben ihrer jüngsten Kim Yo Jong zwei weitere Kinder hervor gebracht: Der heutige Machthaber Kim Jong Un und Kim Jong Chol, der bis heute wenig bis gar nicht in Erscheinung tritt. Die Mutter der drei Geschwister starb 2004 in Paris im Alter von 51 Jahren. Sie war an Brustkrebs erkrankt.
Gemäss mehreren Medien erlebte Kim Yo Jong eine überbehütete Kindheit, umgeben von Nannys und Bodyguards. Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie in einer Residenz im Zentrum von Pjöngjang, von 1996 bis 2000 soll sie wie ihre beiden Brüder in der Schweiz gelebt haben.
Wenn die verschiedenen Medienberichte der Wahrheit entsprechen, hat sie dabei in der Botschaft Nordkoreas in der Bundesstadt gewohnt und besuchte unter falschem Namen die Primarschule. Nach Abschluss der sechsten Klasse kehrte sie nach Pjöngjang zurück und begann später ein Studium. Welches Fach und wo sie studierte, darüber gibt es verschiedene Angaben. Von einem Informatikstudium in Nordkorea bis zu einem Sprachenstudium in Europa ist die Rede.
Fakt ist: 2007 begann ihr politischer Aufstieg. Sie übernahm erste Aufgaben in der Partei der Arbeit Koreas und war immer häufiger an der Seite ihres Vaters zu sehen. Ihr eigentliches politisches Sprungbrett war jedoch sein Tod.
Anlässlich seiner Beerdigung zeigte sie das nordkoreanische Staatsfernseher erstmals am Bildschirm. Danach orchestrierte Kim Yo Jong die Propagandamaschinerie, die die Macht ihres Bruders festigen sollte.
Ihr Ziel: Einen Personenkult um ihren Bruder aufbauen. Als Vorbild diente dabei ihr gemeinsamer Grossvater, Kim Il Sung, der Gründer von Nordkorea. Dabei versuchte sie ihren Bruder beim Volk als wohlwollenden und zugänglichen Führer zu verkaufen.
So soll sie und nicht Kim Jong Un die treibende Kraft hinter seinen Besuchen in Schulen und bei einfachen Bürgern sein. Auch sie soll die eher ungewöhnliche Freundschaft des nordkoreanischen Diktators zum ehemaligen NBA-Star Dennis Rodman eingefädelt haben, wie «The Guardian» berichtet.
Wie wichtig sie geworden ist, zeigte das Jahr 2014, als Kim Jong Un für mehrere Monate von der Bildfläche verschwand – Gerüchten zufolge aus medizinischen Gründen. Seine Schwester war auf einmal häufiger in der Öffentlichkeit zu sehen und übernahm in dieser Zeit wichtige Funktionen. Für Beobachter ein Zeichen, wie hoch sie bereits im Machtapparat aufgestiegen ist und für ihren direkten Draht zu ihrem Bruder.
Das Vertrauen, das Kim Jong Un offensichtlich in seine jüngere Schwester hat, lässt sich nicht nur durch ihre familiäre Bande erklären. Dafür ging der junge Machthaber in den letzten Jahren zu rücksichtslos mit seinen Verwandten um.
Im Dezember 2013 liess er seinen Onkel Chang Song Taek exekutieren, 2015 folgte die Ermordung seiner Tante Kim Kyung Hee. 2017 wurde sein Halbbruder Kim Jong Nam am Flughafen von Malaysia vergiftet, zwei Frauen müssen sich in diesen Tagen vor Gericht für diese Tat verantworten. Der eigentliche Drahtzieher für den Mord soll die Regierung in Pjöngjang sein.
Moon Hong Sik, Forscher am südkoreanischen «Institute of National Security Strategy», hat eine Vermutung, warum der Diktatur seiner jüngeren Schwester offensichtlich vertraut: «Da sie eine Frau ist, sieht Kim Jong Sie wahrscheinlich nicht als Bedrohung und als Herausforderin für seine Führung.» Auch Nordkorea-Experte Madden sagt: «Angesichts der patriarchalischen Natur der politischen Kultur Nordkoreas ist sie keine Kandidatin für die Nachfolge.»